9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Nicht einfach Faschismus

19.04.2024. In der NZZ versucht der ukrainische Schriftsteller Sergei Gerasimow, das Wesen des von Putin verkörperten Bösen zu definieren. Appeasement bringt auch gegenüber Serbien nichts, warnt der Politologe  Alexander Rhotert in der Welt. Der 7. Oktober war kein Terroranschlag. Er war der Beginn eines neuen globalen antisemitischen Krieges, schreibt Esther Shapira in der Jüdischen Allgemeinen. In auffälliger Parallelität zum Drohnenangriff auf Israel verschärft das iranische Regime seinen Rollback gegen Frauen ohne Kopftuch, berichtet die taz.

Die Freiheit des Anderen

18.04.2024. China hält dem Iran weiterhin den Rücken frei, weiß Zeit Online. Es ist hässlich, aber die diplomatischen Gespräche mit Iran dürfen auf keinen Fall abbrechen, warnt Spon. Im Guardian fürchtet die in Brüssel lebende saudische Menschenrechtsaktivistin Lina al-Hathloul um ihre Schwester: die darf nicht mehr aus Saudi-Arabien ausreisen, weil sie dafür kämpft, dass Frauen Autofahren dürfen. In der FAZ erklärt Hedwig Richter, warum die deutschen Politiker eine "Suppen-Kasper-Freiheit" propagieren und was daran gefährlich ist. In der SZ erzählt Wolfgang Tillmans, warum er ausgerechnet die SPD Sachsen mit einer 50.000 Euro Spende unterstützt.

Individuelle Koloraturen

17.04.2024. Auf ZeitOnline diagnostiziert der Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad eine unumkehrbare Kluft zwischen iranischer Regierung und Gesellschaft. Die Welt fordert eine Zeitenwende auch mit Blick auf den Iran. Im Guardian wirft die israelische Politologin Dahlia Scheindlin Netanjahu vor, den zionistischen Gründungsgedanken aufs Spiel zu setzen. Die taz erfährt von dem Politologen Kai Arzheimer: Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist die Partei für Menschen in der Midlife-Crisis. Und die FR fordert: Stärkt Kulturinstitutionen in ländlichen Gegenden.

Meine zynische Antwort eines alten Orientalisten

16.04.2024. Wird es zu einem großen Krieg im Nahen Osten kommen? Im Großen und Ganzen befürchten das weder Olivier Roy (FR) noch Michael Wolffsohn (Welt) noch Gilles Kepel (FAZ) und zwar vor allem deshalb, weil die meisten arabischen Staaten den Iran nicht unterstützen würden. Der Daily Mail fragt allerdings, was Britannien tun würde, regneten 150 Drohnen, 30 Cruise Missiles und etwa 120 ballistische Missiles auf es herab. In der Welt diagnostiziert der Schriftsteller Artur Weigandt eine Art Patho-Russophilie der Serben. § 218 ist ein Unrechtsparagraf, der abgeschafft gehört, fordert die FR.

Wer weiß denn sowas XXL

15.04.2024. 8,5 Millionen Flüchtlinge, Abertausende Tote, eine grassierende Hungersnot, Gewalt und Grausamkeit: Aber in diesem Fall ist die Öffentlichkeit eher desinteressiert, denn es handelt sich um die Krise im Sudan, die im Tagesspiegel aufgegriffen wird. Der iranische Angriff auf Israel löst unterschiedliche Reaktionen aus: Hat Israel ihn provoziert? Im Observer erzählt Kenan Malik, wie aus Antirassismus Identitätspolitik wurde. Die FAZ attestiert Claudia Roth "umfassendes kulturpolitisches Versagen".

Ja, dann ist das eben so

13.04.2024. Im Tagesspiegel diskutieren Nicole Deitelhoff und Peter Neumann über das Einfrieren des Kriegs gegen die Ukraine. In der SZ erklärt Marina Winkler, was sich hinter der russlandfreundlichen Rhetorik der slowakischen Regierung verbirgt: Das Ziel, den Rechtsstaat zu zerstören. Die taz entnimmt einer neue Studie, welche Strapazen Frauen auf sich nehmen müssen, die abtreiben wollen. Zwanzig Jahre Kopftuchverbot in Frankreich haben der Islamophobie die Türen geöffnet, glaubt der Guardian. Auf dem inzwischen aufgelösten Palästina-Kongress in Berlin wäre die Vernichtung des Staates Israels geplant worden, meint die FAZ.

Der Hase bei einem Hunderennen

12.04.2024. Die Hamas hat überhaupt kein Interesse daran, den Krieg zu beenden, denn "jeder tote Palästinenser, der blutend in die Kamera gehalten wird, bringt ordentlich Cash, das fröhlich in Katar ausgeben werden kann", erklärt Mirna Funk in der Welt. In der SZ streiten Gesine Schwan und Martin Schulze Wessel über die Russlandpolitik der SPD. Deutschland "ist ein manisch-depressiver Musterschüler, der es allen recht machen möchte", ruft der Spiegel jenen entgegen, die die deutsche Haltung gegenüber Israel kritisieren. Und im Tagesspiegel weiß Bénédicte Savoy, wie viel Raubkunst noch in deutschen Museen lagert.

Die komplexe Realität

11.04.2024. All unsere munteren kleinen Kulturkriege werden zu immer neuen Peripetien getrieben. Nancy Fraser ist jedenfalls immer noch stinksauer, dass das mit der Ehrenprofessur in Köln nicht klappt - das sei ein Verstoß gegen die Verfassung, sagt sie in der Zeit. Sie hat noch weitere Aufrufe unterschrieben, informiert die FAZ, darunter einen, der Israel vorwirft, die Sexualmorde der Hamas für sich auszubeuten. Claudia Roth kriegt es auch ganz schön ab: Der Protestbrief von Gedenkstättenleitern gegen ihr Konzept von Erinnerungskultur zieht immer weitere Kreise.

Wie bewahren wir in so einer Zeit Menschlichkeit?

10.04.2024. Antisemitismus ist ihnen nicht neu, aber die Erfahrung, von der universellen Gültigkeit der Menschenrechte ausgeschlossen zu werden, machen sie erst seit dem 7. Oktober, sagen Ofer Waldman und Sasha Marianna Salzmann im Tagesspiegel. Schon die junge Bundesrepublik machte Geschäfte mit Diktaturen, erinnert der Historiker Frank Bösch in der FR. Im taz-Gespräch wirft Nancy Fraser der Uni Köln Verleumdung vor. Nach einem 600-seitigen Expertenbericht hofft die taz auf Streichung von Paragraf 218. Und die FAZ weiß, was unter der neuen rechten slowakischen Kulturministerin Martina Šimkovičová blüht.

Grad der Verklärung

09.04.2024. Zornig reagiert Nancy Fraser in der FR auf die Absage der Kölner Uni: Statt zu canceln, sollten sich die Deutschen mit der Breite des Judentums auseinandersetzen, schimpft sie und spricht von "philosemitischem McCarthyismus". So ein Irrsinn, entgegnet Claus Leggewie im Kölner Stadt-Anzeiger, aber die Ausladung findet er trotzdem falsch. Die FAZ wirft Claudia Roths "Rahmenkonzept Erinnerungskultur" Revisionismus vor. Ein von rechten Spendern finanziertes Schloss ist nicht automatisch rechts, meint der Architektursoziologe Harald Bodenschatz ebenfalls in der FAZ. In der SZ berichtet der Kirchenhistoriker Reinhard Flogaus, wie die Russische Orthodoxe Kirche zum "heiligen Krieg" aufrüstet.