Alfred Kerr

So liegt der Fall

Theaterkritiken 1919 - 1933 und im Exil
Cover: So liegt der Fall
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783100495112
Gebunden, 1061 Seiten, 65,45 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Günther Rühle. In den zwanziger Jahren, der Zeit der Weimarer Republik, erreicht Alfred Kerr die Höhe seiner Kunst, den Höhepunkt seines Wirkens als kritischer Beobachter des Theaters. Unabhängig von den zeitgenössischen Literaturmoden - Expressionismus und Neue Sachlichkeit, Zeitstück und politisches Theater -, immer wieder auch den klassischen Dramenfundus urteilssicher musternd, ist er offen für alles, was den "Ewigkeitszug" trägt oder doch schöpferische Originalität verheißt. Die "Diktatur des Hausknechts" Hitler zwingt den deutschen Juden Kerr 1933 ins Exil nach London.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.03.2002

Mit Zwittergefühlen hat Dieter Hildebrandt die beiden Bände von Alfred Kerrs Theaterkritiken gelesen: "Ich sage, was zu sagen ist" und "So liegt der Fall".
Einerseits habe es nie ehrliche, spontanere Kritiken gegeben als die von Kerr, da dieser - andererseits - seine Eitelkeit und private Gestimmtheit nie verhehlte. Man lese aber auch, schreibt Hildebrandt in seiner klugen und weiterbildenden Kritik, "gelegentlich jauchzend, voller Bewunderung für die Blitzgescheitheit. Bis einem die Dauerfrische suspekt wird, die Koketterie in Permanenz. Es ist wie Völlerei in Sushi." Die Treue allerdings, mit der Günther Rühle Kerr ediert und damit dem großen Scharfrichter ein Denkmal gesetzt hat, hält Hildebrandt selbst für beinahe denkmalswürdig.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.07.2001

Yaak Karsunke hält nicht mit seiner Meinung über Alfred Kerr als Theaterkritiker nicht er hinter dem Berg. Kerr habe den Typus des "selbstherrlichen" Kritikers mitbegründet, so der enervierte Rezensent, und er findet, dass Kerr den Blick auf die Theaterstücke eher verdeckt als öffnet und sich in seinen Kritiken vor allem selbst in Szene setzt. Auch ärgert es Karsunke, dass der Autor seine Urteile so gut wie nie begründet und sich zudem in einem exaltierten, bemühten Stil ergeht. "Zwanghafte Originalität", meint der Rezensent, steckt hinter den eigenwilligen Wortschöpfungen, die nichts zur Sache beitragen. Auch der Anmerkungsapparat des Herausgebers findet nicht sein Wohlwollen, da dieser zwar "sorgfältig" editiert sei, aber mit keinem Wort die Verstrickungen eines Gustaf Gründgens mit dem Naziregime erwähnt oder Filme wie "Jud Süß" schlicht als "Kassenschlager" aufführt, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um einen der "übelsten antisemitischen Hetzfilme" handelt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.07.2001

Von dem großen Meister der deutschen Theaterkritik Alfred Kerr sind bereits zahlreiche Bände mit Reiseberichten, Gedichten und Essays zu Theater und Film erschienen. Nun endlich liegt in zwei Bänden auf über insgesamt 2000 Seiten auch sein kritisches Werk vor: "Ich sage, was zu sagen ist. Theaterkritiken von 1893-1919" und "So liegt der Fall. Theaterkritiken von 1919-1933 und im Exil". Diese Edition, jubelt Hansres Jacobi, ist ein Ereignis, denn sie zeige die Größe und Grenzen des Kritikers in ihrem vollen Umfang. Der Herausgeber Günther Rühle hat die Auswahl der Rezensionen, etwa ein Fünftel der von ihm auf 1500 insgesamt geschätzten Kritiken, auf zwei Bände verteilt und sich dabei an die zeitliche Chronologie gehalten. Die eigentliche Bedeutung dieser Edition sieht der Rezensent in den umfang- und kenntnisreichen Anmerkungen, aber - neben der Materialfülle - vor allem auch in der Textbehandlung: Rühle habe die Texte anders als Kerr selbst bei der Erstellung von Sammelbänden, in ihrer Originalfassung belassen. Man hat es also mit "unfrisierten Texten" Kerrs zu tun und bekommt so "ein unverbogenes Bild seiner Persönlichkeit", freut sich Jacobi. Dadurch lasse sich Kerrs Entwicklung verdeutlichen, aber auch seine persönliche Haltung zu einzelnen Autoren und zu künstlerischen Bewegungen. Kerrs Bemühungen um Akzentuierung und Hervorhebung des Wesentlichen werde ebenso erkennbar wie sein Plädoyer für die Subjektivität des kritischen Urteils. Rühles Blick macht aber auch nicht Halt vor den Schwächen des Meisters, Kerrs Tendenz zur Selbststilisierung und seinem Anflug von Selbstüberschätzung, bemerkt der Rezensent. Trotz allem sei Kerr aber der legitime Nachfolger Fontanes, versichert er abschließend.
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