Andrea Maria Schenkel

Kalteis

Roman
Cover: Kalteis
Edition Nautilus, Hamburg 2007
ISBN 9783894015497
Gebunden, 154 Seiten, 12,90 EUR

Klappentext

München, Ende der dreißiger Jahre: Süß und sehnsüchtig ist der Traum vom Glück in der großen Stadt - auch Kathie träumt ihn und entflieht der Enge des dörflichen Lebens. Manch eine ist hier schon unter die Räder gekommen, aber sie wird es schon schaffen. Oder? Dunkelhaarig, kräftig und hübsch ist sie, wie die Frauen, die seit einiger Zeit in München und Umgebung spurlos verschwinden. Der Teufel scheint auf dem Fahrrad unterwegs zu sein.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.10.2007

In Grenzen hält sich Alex Rühles Begeisterung über Andrea Maria Schenkels zweiten Roman "Kalteis", der wie sein erfolgreicher Vorgänger "Tannöd" einen historischen Kriminalfall aufbereitet: die Geschichte Johann Eichhorns, der im München der dreißiger Jahre um die hundert Frauen vergewaltigte und vier von ihnen ermordete, um seine kannibalischen Gelüste zu befriedigen. Schlecht findet er das Buch aber nicht. Die Stärke des Werks sieht er in seinem Aufbau, in der geschickten Verschachtelung unterschiedlicher Ebenen und Perspektiven, der verschiedenen Morde, die mit der letzten Woche eines der Opfer und Verhören des Täters verknüpft werden. Als wohltuend empfindet er, dass die Autorin auf das historische Setting des Falls - die Nazis machen sich in München breit - verzichtet. Ihren Anspruch einzulösen, mehr als einen Krimi zu schreiben, nämlich ein "Sittengemälde" zu zeichnen, gelingt Schenkel nach Ansicht Rühles nur sehr bedingt. Die auftretenden Personen kommen ihm nur sehr selten wirklich anschaulich und lebendig vor, die meisten wirken auf ihn ähnlich, nicht zuletzt weil sie alle ziemlich gleich reden: "schlicht, parataktisch, bajuwarisch eingefärbt". Letztlich will Rühle das Buch nicht "miesmachen", aber einen Capote, Kaurismäki oder Christie wie andere Kritiker kann er hier nicht erkennen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.2007

Bevor er im zweiten Teil seiner Kritik die Schwächen von Andrea Maria Schenkels zweitem Kriminalroman offen legt, übt sich Hannes Hintermeier in Diplomatie. Schenkel habe nun ihren eigenen Stil entwickelt. Erneut handelt es sich um eine Geschichte nach historischem Vorbild, wieder wird mit verschiedenen Textsorten gearbeitet, von Verhörprotokollen über Zeugenberichte bis hin zur Ich-Erzählung der Opfer. "Es regiert die Parataxe", mit der Schenkel sich der Umgangssprache ihrer Protagonisten anpasst. So weit, so gut. Nun wird Hintermeier ungemütlich. Das München von 1938, in dem der Serienmörder und Vergewaltiger Josef Kalteis sein Unwesen treibt, werde kaum lebendig. Sprachlich regiere ein "sonderbares Kunstbairisch" a la Wolf Hass, mit dem der Rezensent überhaupt nicht warm wird. Außerdem bemerkt er einige Schnitzer im zeithistorischen Ambiente: Solch moderne Redewendungen wie "großes Hallo" habe es damals noch nicht gegeben. Und wenn das Opfer Kathie herumträumt, schliddert der Rezensent gar "die schiefe Bahn des Kitsches" hinab. Nicht ohne Schenkel aber mit in den Abgrund zu reißen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.08.2007

Michael Rutschky druckst ziemlich herum, findet aber wohl Andrea Maria Schenkels zweiten Roman nicht so gut wie den ersten. Zunächst missfällt dem Rezensenten der wilde Wechsel der Erzählperspektiven. Rutschky hätte den objektiven Erzähler ganz herausgelassen und nur auf fiktive "O-Töne" wie Verhörprotokolle oder Zeugenaussagen gesetzt. Denn die objektive Ebene passe stilistisch nicht in die Konstruktion, ja sei sogar "Schlamperei". Ein paar Zeilen weiter attestiert er Schenkel für ihre literarische Anverwandlung des Falls des tatsächlichen Münchner Lustmörders Johann Eichhorn, der 90 Frauen vergewaltigte und fünf ermordete, dann aber wiederum "saubere Arbeit". Andererseits "hapert" es mit dem Aufbau, weil sich Schenkel bei der Schilderung der Grausamkeiten zurückhält, die der Rezensent aber eigentlich "gar nicht wissen" will. Ja was denn nun?
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