Antonio Munoz Molina

Sepharad

Ein Roman voller Romane
Cover: Sepharad
Rowohlt Verlag, Reinbek 2004
ISBN 9783498044831
Gebunden, 544 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen. "Sepharad" ist der hebräische Name für Spanien, das westliche Ende der bekannten alttestamentarischen Welt, Fluchtpunkt für zahlreiche Juden nach der Vertreibung aus dem Heiligen Land. 1492 wurden die Sephardim durch den katholischen Traditionalismus wiederum aus Spanien vertrieben; erst im vergangenen Jahrhundert kehrten viele aus allen Teilen Europas zurück, auf der Flucht vor Hitler oder Stalin. Nach dem Motto, "Wo immer ein Mensch hingeht, trägt er seinen Roman mit sich", spinnt Munoz Molina in "Sepharad" solche Lebenslinien aus.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.03.2005

Walter Haubrich ist enttäuscht von diesem Roman des andalusischen Schriftstellers Antonio Munoz Molina, der zwar immer noch die gleiche sprachliche Brillanz wie in seinen frühen Romanen besitze, aber leider "nicht mehr viel zu sagen" hat. "Sepharad" heißen die Juden, die am Ende des 15. Jahrhunderts aus Spanien vertrieben wurden. Von ihnen handelt dieses Buch aber nur unter ferner liefen, so Haubrich, Molina berichte und montiere allgemein Lebensgeschichten von Verfolgten, egal ob Juden, Kommunisten, Republikanern und so weiter. Willi Münzenberg ist dabei und Walter Benjamin auch, so der Rezensent, daneben stünden aber fiktive Biografien, die sich neben dem realen Leid der historischen Personen seltsam und irgendwie unverhältnismäßig lesen lassen würden. Der Untertitel des Buchs lautet "Ein Roman voller Romane", was man nach Haubrich so nicht stehen lassen kann, da es sich höchstens um einen "Roman voller Geschichten" handele, viele davon glänzend erzählt, aber als Gesamtes auseinanderfallend und enttäuschend. Ärgerlich findet der Rezensent außerdem die Klischees über Deutsche und Deutschland, die Molina ausgerechnet in Göttingen überfallen haben.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.02.2005

"Warum hat Munoz Molina, der schon ausgezeichnete Bücher geschrieben hat, ein derartig drittrangiges Werk nötig?" fragt Hans-Peter Kunisch mit einiger Dringlichkeit, denn es geht nicht um irgendein Sujet, sondern um die Shoah und ihre literarische Verarbeitung. In Spanien, erläutert er den Hintergrund des Buches, sind die Werke von Ruth Klüger, Victor Klemperer, Imre Kertesz, Jean Amery und anderen Überlebenden, die literarisch Zeugnis abgelegt haben, weitgehend unbekannt und zumeist nicht einmal übersetzt. Antonio Munoz Molina hat nun verschiedenste authentische, halbauthentische, zusammengestückelte und erfundene Schicksale in einen Topf geworfen und daraus einen "Roman voller Romane" komponiert, oder auch, wie Kunisch es nennt, ein "Buch in Readers- Digest-Manier", das die Verbrechen an den europäischen Juden nicht nur im Nationalsozialismus, sondern auch im Stalinismus zeigen soll. Problematisch findet Kunisch auch, Dass der Autor dabei auch in die Zeugnisse von Überlebenden dichterisch eingreift und die Grenze zum Kitsch - fast zwangsläufig - überschreitet. Kurz, Munoz Molina hat sich von seiner Begeisterung für das Thema dazu verleiten lassen, "entsetzliche Fakten mittels schwülstiger Rhetorik zu überhöhen und in eine Historienschnulze zu verwandeln". Und das Rowohlt die berechtigte Debatte, die das Buch in Spanien auslöste, einfach ignoriert, wertet der Rezensent als Armutszeugnis.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.10.2004

Jennifer Wilton steht diesem Roman Molinas relativ skeptisch gegenüber, ohne dabei jedoch in ihrer Rezension die positiven Aspekte unter den Tisch fallen zu lassen. Zweifelsohne sei Molina "einer der herausragendsten spanischen Autoren" und verstehe es, dichte Beschreibungen, virtuose Perspektivwechsel sowie einen anspruchsvollen Satzbau zu vereinen. Was jedoch die Mischung von Schicksalen in diesem Roman über das Reisen, das Exil, die Fremdheit angeht, ist Molina über das Ziel hinausgeschossen, meint die Rezensentin. Zum einen nämlich setze er vollkommen unterschiedliche Schicksale und Schicksalsschläge gleich, ohne dass dies angemessen sei, und zum anderen mische er die Geschichten realer mit denen fiktiver Personen, wobei ihm bei den realen Biografien stellenweise sogar Fehler unterliefen. Dies führt trotz aller Qualitäten des Romans dazu, dass Wilton bei der Lektüre "gelegentlich ein Unbehagen" überfiel.