Christina Griebel

Wenn es regnet, dann regnet es immer gleich auf den Kopf

Erzählungen
Cover: Wenn es regnet, dann regnet es immer gleich auf den Kopf
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783596156542
Taschenbuch, 160 Seiten, 10,00 EUR

Klappentext

Wenn man genau hinsieht, werden die Dinge oft nicht schöner. Aber sie beginnen, Geschichten zu erzählen. Das ist auf der ganzen Welt so. Vor der Geräuschkulisse Schnecken vernichtender Nachbarn im Württenbergischen wird mit Hilfe eines Teebeutels im Glas ein Geflecht aus Erinnerungen gewoben, in welchem die Brutalität provinzieller Kleingärtnerei ebenso Platz findet wie kindliche Sexualität und der Umstand, dass das älteste Haus am Ort durch einen Schneeballwurf zum Einwurf gebracht wurde. Die schönsten Beziehungen sind vielleicht die, die nicht zustande kommen. Deshalb erfahren wir die isländische Geschichte von Gylfi, dem Harleyfahrer, und Björk, der Malerin. Die schönsten Geschichten sind vielleicht aber doch die, die vom Verlust des Geliebten erzählen. Also erfahren wir etwas von der grauen großen Stadt Moskau, in der die Vergangenheit sich in jedem Schnipsel zu erkennen gibt. Christina Griebels Geschichten locken von Rom in die Nähe von Dresden, aufs Land, wo der Boden unter den Füßen nachgibt, wegen der alten Bergwerkschächte darunter.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.08.2003

Begeistert ist Rezensent Hans-Peter Kunisch von Christina Griebels Erzählungen. "Dramaturgisch überzeugend" findet er den größten Teil der geschriebenen Texte der Debütantin. Der "erste Eindruck" sei der "der präzisen, sinnlichen Wahrnehmung" der Autorin. "Das Erzählprinzip von Detail und Lücke" und die daraus folgende "beabsichtigte Irritation des Lesers" beherrsche sie auf bewundernswerte Weise, schwärmt der Rezensent. Für ihn ist sie jetzt schon eine "Meistererzählerin", ganz nah bei Tschechow und Poe. Denn auch Griebel würde meisterlich vom "alten Trick" des "induktiven, spannungsfördernden Erzählens" Gebrauch machen. Und da die Debütantin diesen schon jetzt so gut einzusetzen verstehe, "könne ihr" wohl auch "ein guter Roman gelingen", meint der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2003

Zumindest eine Geschichte aus Christina Griebels Erzählband hat Rezensentin Gisa Funck wirklich gefallen, und das ist "Harte Sache". Hier entwerfe Griebel mit erstaunlichen Bilder und überraschenden Pointen eine Schmelzkäsefabrik, die Meister Leder mit strengem Regiment und nach ästhetischen Kriterien führt. Ansonsten kehren die unglücklichen Heldinnen für Funcks Geschmack doch ihre unverdauten Kränkungen, ihre Marotten und leidende Besonderheiten zu sehr hervor, die sich dabei oft auf exotische Orte, unglaubwürdige Macken oder den verbalen Rückzug aufs Klo beschränken. Was die Rezensentin bedauerlich findet, denn so ganz uninteressant sind Griebels Protagonistinnen ihrer Meinung nach eigentlich nicht: Es sind allesamt junge Frauen, in deren Erinnerungen gehetzte Beobachtungen, vorbeirauschende Details meist eine ungeahnte Wirkung entfalten, so Funck.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.08.2003

Obwohl die Collection Fischer neuerdings - "die Verlage müssen sparen", meint Martin Krumbholz - auf "fühlbar billigem Papier gedruckt" werde, habe diese Reihe für Nachwuchsautoren doch nichts an literarischer Qualität eingebüßt. Nachdem der Rezensent seine lobende Besprechung von Christina Griebels Erzählungen so eingeleitet hat, geht es weiter mit einem Lob für Griebels Sprache: Diese sei "robust, ungekünstelt und dialogreich", ihr Beobachtungstalent "scharf ausgeprägt". Wie in dieser Reihe üblich, gehe es auch bei Griebel vorwiegend um "Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht". Wenn auch Krumbholz' abschließendes Urteil, in Griebels Texten geschehe wenig, das einen "für länger als eine Schrecksekunde aus der Fassung bringen könnte", etwas zwiespältig klingt, so zeigt ein von ihm zitiertes Beispiel aus dem Band immerhin, dass diese Schrecksekunden wohl, obwohl recht harmlos und trocken daherkommend, mitunter einer gewissen Abgründigkeit und Boshaftigkeit nicht entbehren: "Wirst Du mich vergessen", fragt da ein Claude die Erzählerin, die gerade als Austauschschülerin in Frankreich weilt. "Ich werde Dich nie vergessen", sagt diese darauf, "denn diesen Satz konnte ich sprachlich ganz gut bewältigen."

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 06.05.2003

Rezensent Detlef Kuhlbrodt ist nicht gerade gnädig gestimmt. Für ihn sind Christina Griebels Erzählungen nicht nur "handlungsarm", woran er im Prinzip nichts auszusetzen hätte, sondern sie wirken auch noch "recht artig, nett und fleißig". Seine Lektüre hat ihn an einen "Besuch in einer wohl geordneten und etwas langweiligen Mittelklassefamilie" erinnert, bei dem irgendetwas "fehlt". Dies ist seiner Meinung nach dann auch nicht das "sprachliche Ausdrucksvermögen", denn "schreiben kann ja jeder". Demzufolge hat der Rezensent auch Schwierigkeiten, Griebels Erzählungen zu benennen, und entscheidet sich letztendlich für "artig verkunsteten Alltag", ohne "innere Unruhe" oder irgendein "Mitteilungsbedürfnis". Von den Erzählungen selbst erfahren wir wenig, viel mehr hingegen von Griebels faktischer und spekulierter Biografie, die für Kuhlbrodt anscheinend soziologisch auf ihre Ungeeignetheit als Schriftstellerin schließen lassen soll.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.05.2003

Die zehn Erzählungen aus Christina Griebels Debütband belegen nach Ansicht von Rezensent Steffen Richter eindrucksvoll, dass sie das klassische Thema der Fremdheit "mit Bravour" gemeistert hat. Wo andere die Partys ihrer Generation ablichten, so Richter, erzähle Christina Griebel von der Erfahrung des Fremdseins - sei es bei der Betrachtung eines Gemäldes von Matisse im Moskauer Puschkin-Museum, beim Kühemelken und Traktor fahren in Island, beim Warten auf die Fähre in Finnland oder bei der Arbeit an der Schmelzkäseverpackungsanlage. Richter hebt hervor, dass Griebel immer aus der Perspektive eines weiblichen Ich erzählt. Von narrativem Exhibitionismus könne aber keine Rede sein, versichert Richter. "Vielmehr sind dieses Ich und seine Umstände derart verschleiert", erklärt er, "dass sein Dasein in der Welt wie eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten erscheint - unmöglich, hier irgendetwas zu lösen oder auch nur zu klären." In der Präzision von Griebels Benennungen erkennt Richter einen Versuch, "der Welt trotz allem habhaft zu werden." Auch wenn Griebels Schreiben nichts bewältige, bezeuge es, so Richter resümierend, "dass Literatur ein unerlässliches Mittel sein kann, der Unverhältnismäßigkeit von Ich und Welt beizukommen - und sei es auch nur für Momente eines äußerst prekären Glücks."