David Cesarani

Adolf Eichmann

Bürokrat und Massenmörder
Cover: Adolf Eichmann
Propyläen Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783549071861
Gebunden, 420 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt. Adolf Eichmann (1906-1962) stand im Zentrum des nationalsozialistischen Genozids an den europäischen Juden. Er war direkt verantwortlich für die Deportation von mehr als zwei Millionen Juden nach Auschwitz und in andere Todeslager. Doch bis zu seiner spektakulären Festnahme durch den israelischen Geheimdienst 1960 in Argentinien, seiner Entführung nach Israel und dem dortigen Gerichtsverfahren blieb er weitgehend ein Unbekannter. Mit dem Prozess, der 1961 in Jerusalem stattfand und mit dem Todesurteil endete, gelang es Israel, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf den Holocaust zu lenken. So wurde Eichmann zur Symbolfigur dieses Menschheitsverbrechens. Bis heute gibt es keine große, wissenschaftlich fundierte Eichmann-Biografie. Diese Lücke schließt nun der britische Historiker David Cesarani, der in jahrelanger Forschungsarbeit wichtige neue Quellen erschlossen hat und dem es gelingt, das vorherrschende Eichmann-Bild entscheidend zu korrigieren. Den verbreiteten Klischees vom emotionslosen, kalt planenden Schreibtischtäter oder vom ideologisch verblendeten Judenhasser stellt Cesarani einen Eichmann entgegen, der, aus bürgerlichen Verhältnissen stammend, eher zufällig mit der "Judenfrage" befasst war und keineswegs eine Disposition zum Massenmörder besaß.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.01.2005

Wahrscheinlich liegt es an der enormen Wirkung von Hannah Arendts Buch über Adolf Eichmann und die "Banalität des Bösen", die Historiker lange Zeit daran hinderte, sich an eine Biografie des NS-Verbrechers zu wagen, mutmaßt Michael Wildt. Deshalb begrüßt er nachdrücklich, dass sich nach einem "historischen Essay" von Irmgard Wojak der britische Historiker David Cesarani an diese Aufgabe gemacht hat. Dem Autor geht es vor allem darum, Eichmann zu "entdämonisieren" und zunächst einmal klarzustellen, dass dessen Antisemitismus durchaus mit dem seiner Zeitgenossen vergleichbar war, stellt der Rezensent zustimmend fest. Eichmann wird deswegen auch nicht als "Initiator des Holocaust" sondern vielmehr als "Manager des Völkermords" beschrieben, der sein "Amt" mit großem beruflichen Ehrgeiz versah, so Wildt weiter. Der Gefahr, dass eine Biografie Eichmanns sich in die Beschreibung der Organisation der "Endlösung" wandelt und damit die Person Eichmann aus dem Fokus gerät, ist der Autor nicht erlegen, räumt der Rezensent ein. Dafür aber hat Cesarani zu Wildts Bedauern die Zusammenhänge von Vernichtungspolitik, Befehlsabhängigkeit und der Diskrepanz zwischen "organisatorischer Wichtigkeit und konzeptioneller Bedeutungslosigkeit" nicht genau genug erfasst. Trotzdem ist es dieser Biografie gelungen, mit "alten Stereotypen" aufzuräumen und die Person Eichmann im Spiegel der "neueren Forschung" zu betrachten, betont Wildt eingenommen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.12.2004

Eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Biografie Adolf Eichmanns habe es bislang trotz zahlreicher Veröffentlichungen nicht gegeben, informiert uns Bettina Stangneth. Diese Lücke hat nun der britische Historiker David Cesarani geschlossen, und gerade weil es durchaus ein öffentliches Bild Eichmanns als NS-Mann und Massenmörder gebe, beschäftige sich der Historiker im zweiten Teil seines Buches auch mit diesem Aspekt, berichtet Stangneth. Der erste Teil widmet sich Eichmanns persönlichem Werdegang, wobei Cesarani dem Bild einer "gestörten Kindheit" keineswegs entsprechen mag, so die Rezensentin, sein NSDAP-Beitritt wäre kein Akt der Rebellion gewesen. Auch mit dem Eichmann-Bild als reinem Schreibtischtäter räume Cesarini auf, denn dessen Arbeit hätte keineswegs aus geordnetem Schreibtischdienst bestanden, sondern vor allem geschicktes Taktieren in einem Wirrwarr von Interessen und Institutionen bedeutet. Etwas enttäuscht äußert sich Stangneth über den zweiten Teil des Buches, der ihres Erachtens den Blick auf den Menschen Eichmann scheut. Sie widerspricht dem Verfasser in seiner Ansicht, nicht in der Person Eichmanns, sondern in den Ideen, von denen er besessen gewesen sei, läge der Schlüssel zum Verständnis von Eichmanns Tun. Wer eine Eichmann-Biografie schreibt und dabei zeigen will, dass er sich nicht etwa "durch einen psychischen Defekt von uns unterscheidet", der kann sich ein Wegsehen nicht leisten, schließt sie.