Ferdinand Seibt

Die Begründung Europas

Ein Zwischenbericht über die letzten tausend Jahre
Cover: Die Begründung Europas
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783100744210
Gebunden, 416 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Eine kurze Geschichte Europas in den letzten tausend Jahre. Ferdinand Seibt gelingt es, die Gemeinsamkeiten Europas anhand ungewohnter Perspektiven zu illustrieren: Es geht ihm weniger um eine Geschichte der Personen und Ereignisse. Vielmehr interessieren ihn der Raum und die Zeit, die wir miteinander teilen, die Gemeinsamkeiten, die uns einen: die Geschichte der Handels- und Pilgerwege, unserer Behausungen und Wohnformen, unserer Kleider, Waffen und Werkzeuge ebenso wie Kontinuität und Wandel der Reiche, der Kirchen und der Gesellschaftsordnungen von damals bis heute. Seibts Augenmerk gilt dabei den Veränderungsschüben, den Routen und Umwegen des kulturellen Transfers auf unserem Kontinent, den ideellen Aufbrüchen und Gegenströmungen, den politischen und künstlerischen Revolutionen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.12.2002

Nicht weniger als ein Gesamtporträt Europas unternimmt der Historiker Ferdinand Seibt mit diesem Band. Das Hauptaugenmerk liegt dabei nicht auf der politischen, sondern auf der Alltags- und Sozialgeschichte. Der "Zugriff" bleibt nichtsdestotrotz, so der Rezensent Hans-Christof Kraus, "universalhistorisch". Auf großartige Weise verstehe es Seibt, die Fülle des Stoffs zu gliedern, Akzente zu setzen und im selben Atemzug sich innerhalb der Forschung zu positionieren. Den neueren Versuchen, die Zeit zwischen 1200 und 1800 zur Epoche "Alteuropa" zusammenzufassen, widersetzt er sich dabei mit entschiedenen Argumenten. Heraus kommt bei ihm eine Geschichte, resümiert Kraus, die in jeder Krise nicht nur den Niedergang, sondern auch den Neuanfang zu sehen versteht. Und wenngleich der Rezensent nicht alle Auffassungen Seibts teilt - insbesondere nicht seine These von der Entstehung der Demokratie aus dem Geist der Utopie -, hält er diese Einführung, die sowohl "leicht zugänglich" wie "glänzend geschrieben" ist, für eine "imposante" Leistung.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.11.2002

Friedrich Prinz, offenbar selbst sehr kundig in der europäischen Geschichte, lässt es sich nicht nehmen, über Ferdinand Seibts Untersuchung über die Ursprünge Europas einen langen und detailliert begründeten Verriss zu präsentieren. Titel, Untertitel und Zwischentitel haben zunächst das Herz des Rezensenten höher schlagen lassen, doch bei näherer Betrachtung ist von dieser Neugierde und Freude über diesen Band nichts übrig geblieben. So beklagt Prinz, dass der Autor die Zeit vor 1000 nicht berücksichtigt hat und die Gründung Europas entsprechend später ansetzt, als es die Geschichtsforschung längst festgelegt habe. Auch enthalte das Buch viel zu viele Sprünge zwischen Hoch- und Spätmittelalter und bevorzuge den Osten vor dem Westen. Vieles werde von Seibt falsch, ungenau oder unvollständig ausgelegt und hier und da scheint es eindeutig, schimpft der Rezensent, dass der Autor die Quellenlage nicht kenne. Einzig die Betrachtungen über das Spätmittelalter und die "Papstgeschichte" erkennt Prinz an, ansonsten sei das Buch zwar "eloquent" geschrieben, aber letztlich eine Mogelpackung, denn zur "historischen Erkenntnis" trage es fast nichts bei.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.10.2002

Mit großer Mühe hat sich Volker Reinhardt doch entschlossen, dieses "Mut machende" und "moralisch stärkende Stück historischer Erbauungsliteratur" des 1927 geborenen Mediävisten Ferdinand Seibt zu kritisieren. Denn eigentlich hat der Rezensent vor dessen "Words of Wisdom" großen Respekt, präsentiere der altersweise Seibt doch ein "äußerst anziehendes Panoptikum" der europäischen Geschichte, das auf den Leser wirke wie ein "Geschichtsfilm in Worten". Doch aller Pietät zum Trotz führt Reinhardt eine ganze Reihe von Mängeln auf. So seien leider viele Fakten schlicht "falsch" und sogar in sich "unstimmig". Es ist schade, bedauert der Rezensent, dass dieses Alterswerk Seibts durch derlei Fehler in seinem Wert "irreparabel" geschmälert werde, ärgert sich aber mehr über das schlechte Lektorat, das diese Fehler hätte erkennen müssen, als über den Autor.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2002

Ziemlich unmöglich findet H.D. Kittsteiner dieses Buch, das durch Schutzumschlag und Titel eine Erwartung in ihm weckt, die enttäuscht wird. Die Definition Europas beispielsweise als "Raum für die Entfaltung eines in der Weltgeschichte einmalig dynamischen Prozesses" gefällt ihm, und darüber hätte er "gern gelesen". Stattdessen, so der Rezensent, führt Seibt immer wieder nur Mittelalterliches vor und "stellt dann Reflexionen zur Gegenwart an". Das reicht Kittsteiner aber vorne und hinten nicht. Seine Rezension ist überhaupt ein einziges großer "Aber". Er führt vor, was Seibt beschreibt, und setzt immer wieder hinzu: "es erklärt aber nicht", oder "wenn wir dann aber lesen...". Kittsteiner ist auch entnervt von der Bedeutung, die Seibt der Kirche einräumt. Zwar ist der "Vergleich der Ost- und Westkirche" sicher "informativ", aber dass Pius XII in der Aufzählung der Päpste fehlt, hat ihn dann wieder geärgert. Und dann erwähnt Seibt die Geschichte der Juden in Europa zwar, ist aber ungenau in seiner Darstellung der paulinischen Apologetik, usw. Am Ende fehlt Kittsteiner auch noch ein richtiger Schluss. Er empfindet den kurzen Hinweis bei Seibt, dass die Neuzeit natürlich "nicht verständlich" sei ohne die Unterscheidung von "religiöser Rechtfertigung" der früheren und "naturrechtlicher Begründung der späteren Revolutionen" als schlichten Abbruch.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Michael Salewski beginnt seine Rezension mit einer Infragestellung der Seibtschen These, Europa sei nicht der Kontinent "der Griechen und Römer", sondern vielmehr der Kirche oder des Christentums gewesen und habe dadurch zu Identität und Macht gefunden. Aber dann lässt sich der Rezensent auf das "Erzählen" von Seibt ein und ist entzückt über die "manchmal fast naiv und trivial wirkenden Beobachtungen", von denen der Autor ausgeht und "von Holz und Stein, Gold und Eisen" her die Geschichte sich entfalten lässt. "Große Männer" kommen nur selten vor, sie tauchen nur, so Salewski, als "Randfiguren des historischen Prozesses" auf. Auch Ideologien sind bei Seibt kaum vertreten, und so erscheint seine Geschichte Europas "so optimistisch angehaucht wie keine aus den letzten Jahrzehnten". Obwohl es "nirgendwo expressis verbis" stünde, schreibt Salewski, sei überdeutlich: Für Seibt ist Europa "der bedeutendste Kontinent von allen". Salewski findet viel, was ihn verdutzt, so "die wunderliche Fehldeutung des intellektuellen Bürgertums des 19. Jahrhunderts", der Seibt keinen politischen Einfluss zugesteht, oder die Idee, die "Französische Revolution habe Europa 'zerstört'". Dennoch urteilt Salewski am Schluss überraschend: "In der Kraft seiner Bilder, der Schärfe seiner Beobachtungen, der Freude am Vergangenen ist dies ein kühner großer Wurf."
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