Franz Kafka

Franz Kafka: Amtliche Schriften

Schriften, Tagebücher, Briefe. Kritische Ausgabe
Cover: Franz Kafka: Amtliche Schriften
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783100381835
Gebunden, 1024 Seiten, 178,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Klaus Hermsdorf und Benno Wagnber. Die Texte, die Franz Kafka in seinem Beruf als Beamter der Prager Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Gesellschaft verfasst hat, sind weit mehr als nur biographischer Hintergrund. Denn immer wieder hat er Motive, Konflikte und Sprachformen, die ihm aus dem Büroalltag vertraut waren, für seine literarischen Schöpfungen fruchtbar gemacht. Die Kritische Ausgabe versammelt und erläutert sämtliche Schriften, die Kafka zwischen 1908 und 1922 im Dienst seiner Behörde verfasst oder unterschriftlich verantwortet hat: darunter Publikationen aus Fach- und Tagespresse, Texte für öffentliche Vorträge sowie zahlreiche bisher unveröffentlichte Schriftstücke des internen Behördenverkehrs, die erst in den neunziger Jahren wiederentdeckt wurden. Ein ausführlicher Essay von Klaus Hermsdorf zeichnet Kafkas beruflichen Werdegang nach. Schließlich liefert der separate Materialienband eine Vielzahl von Texten, die ein umfassenderes, sozialgeschichtliches Verständnis von Kafkas beruflichen Aufgaben ermöglichen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.02.2006

Auch wenn sich Klaus Hermsdorfs und Benno Wagners Unternehmen einer Kritischen Ausgabe der "Amtlichen Schriften" Franz Kafkas zunächst nach einer trockenen Lektüre anhört, kann sie Andreas Maier uneingeschränkt empfehlen, auch und gerade Kafka-Amateuren. Denn mit den Stücken, die Kafka als "Concipist" für die Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt des Königreichs Böhmen in Prag erstellte, werde eine bisher eher unbekannte, aber sehr prominente Seite von Kafkas Existenz gegenwärtig, der einen Großteil seines Tages in der riesigen Behörde verbrachte. Irgendwann könne sich der Leser diesen "Monsterapparat" sehr anschaulich vorstellen. Der Rezensent kann sich nun auch vorstellen, wie Kafka "Der Prozess" schreiben konnte, wo der Held schließlich in der Bürokratie untergeht. Zudem verstecken sich in den 1024 Seiten viele "Trouvaillen", etwa die "Unfallverhütungsmaßregel bei Holzhobelmaschinen", in der Maier sogar die "herrlich luziden Kafka-Satzperioden" erkannt haben will.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.06.2005

In seiner kritischen Prüfung der neueren Kafka-Forschung nennt Hartmut Binder diesen von Klaus Hermsdorf und Benno Wagner herausgegebenen Band der "Amtlichen Schriften" einen "Meilenstein" in der Erforschung von Franz Kafkas Tätigkeit als Versicherungsjurist. Erfreut zeigt sich Binder über verbesserte Zuschreibungen und die "erstmals vollständige Wiedergabe aller beigegeben Zeichnungen und Fotografien". Doch geradezu "bewunderswert" findet er, wie sich die beiden Herausgeber in die damalige Gesetzgebung und juristische Begrifflichkeit eingearbeitet haben, und dieses Wissen derart elegant verwendet haben, dass ihre Kommentierung "die Texte zum Leben bringt".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.11.2004

Ironisch dankt Manfred Schneider den Herausgebern von Kafkas "Amtlichen Schriften", die dieser in den Jahren 1908 bis 1922 im Rahmen seiner Tätigkeit für die böhmische "Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt" verfasst hat: sie hätten der Kafka-Kirche zu einem sicheren Textfundament verholfen. Soviel Klarheit und Reinheit gebe es einmal nur in der Versicherungsprosa, spottet der Rezensent leise weiter und berichtet vom beinahe kriminalistischen Spürsinn der Herausgeber, die nämlich die von Kafka maschinegeschriebenen und nicht namentlich gekennzeichneten Schriftsätze mühsam aus Bergen von Versicherungsakten herausklamüsern mussten. Die Herausgeber beschäftigte die Frage, berichtet der Rezensent, welche versicherungsrechtlichen Fragen und Textbausteine eventuell in Kafkas literarische Arbeiten eingeflossen sein könnten und umgekehrt. Allerdings findet Schneider den von den Herausgebern bemühten Begriff des "Intertexts" etwas überholt. Für ihn ist die vorliegende Edition mit CD-Rom, auf der sich viele Kommentare und Querverweise befinden, ein Beleg dafür, dass Kafkas Schriften endgültig zu "protoheiligen Dokumenten" erklärt worden sind.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.07.2004

In Zukunft möge die Deutsche Forschungsgemeinschaft keine Literaturwissenschaftler, Psychologen oder Theologen mehr bezahlen, sondern Verwaltungswissenschaftler und Versicherungsmathematiker, wünscht Andreas Dorschel spöttelnd. Das Aufarbeiten von Kafkas "Amtlichen Schriften", die der promovierte Jurist für die Prager Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt verfasst hatte, erhellt seiner Meinung nach nicht im geringsten die Person Franz Kafkas über das bereits bekannte Persönlichkeitsbild hinaus, trägt aber entscheidend zur Erkenntnis des literarischen Werkes Kafkas bei. Kafkas Texte seien durchwirkt, behauptet Dorschel, von "Denkfiguren der Unfallversicherung", die bürokratische Logik habe sich in seinen Texten zu einer "wahren Metaphysik der Verwaltung" ausgewachsen, die sich wie eine zweite Wirklichkeit über alles legte. Das Editionsverfahren solcher amtlichen Verlautbarungen und Texte, erläutert Dorschel, sei ungleich schwieriger als die normale literarische Edition, sie gleiche mehr einem Indizienprozess, da die Herausgeber zu recherchieren hätten, was Kafka selbst oder womöglich im Namen seiner Vorgesetzten geschrieben und was er bloß abgezeichnet hätte. Bürokratische Hierarchien arbeiteten halt anders, seufzt Dorschel, und lobt die wohlkommentierte Edition, die trotz widriger Aktenlage Rückschlüsse auf Kafkas Schreiben zulässt.
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