Gerhart Hauptmann, Erhart Kästner

Perseus-Auge Hellblau

Erhart Kästner und Gerhart Hauptmann. Briefe, Texte, Notizen
Cover: Perseus-Auge Hellblau
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2004
ISBN 9783895284267
Gebunden, 432 Seiten, 48,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Julia Freifrau Hiller von Gaertringen. Mit 24 Abbildungen auf Tafeln und mit einem Vorwort von Albert von Schirnding.
Sommer 1936: Gerhart Hauptmann diktiert seinem Sekretär Erhart Kästner im Park des Hauses Wiesenstein im Riesengebirge einen dramatischen Text. "Er geht langsam, steht oftmals still. Die Hunde laufen hin und zurück. Sein Blick geht fernhin. Dies Auge ist für die Ferne gemacht. Ein gefältelter Blick. Blick kleinster Pupillen in hellblauem Aug. Dennoch ist etwas von Wegschaun darin. Auge, das ein Leben lang den Blick der Medusa auffing. Perseus-Auge. Hellblau." Der da spricht, ist ein tragischer Dichter, einer, der das Verhängnis kommen sieht und weiß, dass es unentrinnbar ist. Im Bild des Perseus, der sich dem Grauen zu nähern und es im Spiegel anzublicken wagt, erschließt sich Kästner die mythische Substanz des hauptmannschen Spätwerks, dessen Entstehung er als Sekretär und Freund des Dichters kritisch begleitet hat.
Die in diesem Band veröffentlichten 175 Briefe und Texte zeigen weit über solche Deutungsversuche hinaus Kästners vielschichtiges und sich wandelndes Verhältnis zu Gerhart Hauptmann: von den ehrfürchtigen Anfängen der Bekanntschaft im Herbst 1934 über die persönliche - und manchmal allzu große - Nähe in der Zeit als Hauptmanns Sekretär 1936/37 hin zu enger menschlicher Bindung in den Jahren des Zweiten Weltkriegs. Sie reichen über Hauptmanns Tod hinaus bis zu Kästners großer Retrospektive 1964 und geben mancherlei Aufschluss über den alten Hauptmann wie über wesentliche Prägungen des jungen Kästner.
Da eine Edition des Briefwechsels Kästner-Hauptmann allein die zahlreichen Facetten dieser Beziehung nicht zeigen könnte, sind Texte und Aufzeichnungen Kästners sowie Korrespondenzen mit Freunden und Familienangehörigen in die Dokumentation einbezogen. Ein Vorwort von Albert von Schirnding führt in das Buch ein, Übersichtstexte, eine Zeittafel und ein Personenverzeichnis erleichtern seine Lektüre.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.10.2005

"Ein Drama des Dienens, vielstimmig, spannend und dazu wohl inszeniert" - nicht weniger als das verbirgt sich Rolf-Bernhard Essig zufolge in diesen Briefen, Artikeln und anderen Texten, die Erhart Kästner hauptsächlich in den Jahren 1936 und 1937 an und über Gerhart Hauptmann schrieb, dessen Privatsekretär er damals war. Natürlich war Hauptmann tyrannischer Herrscher - Kästner brauchte "Schafsgeduld, Frustrationstoleranz und liebende Hingabe" in großem Maße - und Inspiration zugleich, später wurde er auch zum väterlichen Freund. Man erfährt also "Intimstes und Kuriosestes", auch die unrühmlichen Seiten des Arrangements beider Seiten mit dem Hitler-Regime werden nicht verschwiegen, und zudem ist das Material von der Herausgeberin "sparsam" und "exzellent" kommentiert worden. Fazit: ein "überaus spannendes" Buch und die exemplarische Illustration einer "Form von Liebe" zwischen Jünger und Meister.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.12.2004

Recht angetan zeigt sich der "Hg." zeichnende Rezensent von diesem Band, der Gerhart Hauptmann "aus Nähe und Distanz" bietet. Anhand von Briefen und anderen Dokumenten werde das Verhältnis von Hauptmann und Erhart Kästner, der eine Zeit lang als Sekretär im Hause des Dramatikers tätig war, beleuchtet. Die Rolle, die Kästner in nächster Nähe Hauptmanns zufiel, war schwierig, berichtet der Rezensent. Kästners Briefe über Hauptmann klingen anders als die an ihn gerichteten, so anders, dass der treue Diener manchmal etwas doppelzüngig wirkt, findet der Rezensent. "Doch da sich die räumliche Distanz wieder herstellt", so "Hg.", "versiegt die Medisance, und die Anhänglichkeit kommt rein zum Ausdruck." Als Hauptinhalt ihres Austauschs nennt er die griechische Landschaft und die antike Kultur Griechenlands.