Hanno Birken-Bertsch, Reinhard Markner

Rechtschreibreform und Nationalsozialismus

Cover: Rechtschreibreform und Nationalsozialismus
Wallstein Verlag, Göttingen 2000
ISBN 9783892444503
Gebunden, 212 Seiten, 14,83 EUR

Klappentext

Die Kultusminister und die von ihnen mit der Ausarbeitung der Rechtschreibreform beauftragten Wissenschaftler sind der Frage beharrlich ausgewichen, inwieweit ihr Projekt eine politische Geschichte hat. Sie hatten dafür Gründe. Die Untersuchung von Birken-Bertsch und Markner zeichnet ein genaues Bild der nach 1933 intensiv geführten Auseinandersetzungen um die deutsche Rechtschreibung. Die Frage, in welcher Weise sie zu "vereinfachen" sei, beschäftigte in den Jahren des Nationalsozialismus -- anders als vor 1933 und nach 1945 -- höchste politische Kreise, zuletzt Hitler selbst. Die Bemühungen um eine Rechtschreibreform wurden sofort nach Kriegsende wiederaufgenommen. Die 1996 beschlossene Neuregelung der deutschen Orthographie verdankt sich nicht zuletzt dieser ungebrochenen Kontinuität.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.06.2001

Was denn nun? In seinem Urteil über dieses Buch ist Joachim Güntner etwas doppelzüngig. Einerseits ist "das Provokanteste an diesem Buch ... sein Titel", andererseits aber scheint die These der Autoren doch provokant genug, den Rezensenten einmal die Dinge rekapitulieren zu lassen: Wie war das noch gleich mit der Rechtschreibreform der Nazis? Provokant genug auch, um schließlich zu fragen, was an "einer lautgerechten, am Sprechen orientierten Schreibung" - und damit wird die Parallele zwischen den Reformen von 1941/44 und 1996 begründet - bitteschön nazistisch sei. Wenig bis nichts, findet Güntner. Dennoch nennt er das Buch "eine vorzügliche Studie, detailreich, akribisch recherchiert und gut geschrieben", und rät zur Lektüre.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.12.2000

Mit einer gehörigen Portion an Skepsis und kritischer Distanz betrachtet der Rezensent Gerd Simon diese Studie, mit der die Autoren der Frage nachgehen, ob und inwiefern die jüngste Rechtschreibreform "auf der Linie einer nationalsozialistischen Leitkultur" liegt. Was Simon an dieser Studie und überhaupt an den meisten Veröffentlichungen zum Thema stört, ist ihr "Marginalienfetischismus". Den einzige Vorteil dieser Endlos-Auseinandersetzung sieht er darin, dass sie auf lange Sicht hin "jegliche Normierung fragwürdig" macht und irgendwann jeder nach eigenem Gusto schreiben kann. Darüber hinaus missfällt ihm aber einiges an der Herangehensweise dieser konkreten Studie, z.B. dass nicht darauf eingegangen wird, dass die "historischen Kontinuitäten" bis weit vor die Zeit des Dritten Reiches zurückgehen und somit kein originäres Produkt der Nazizeit sind. Auch werde nicht darauf eingegangen, dass die Rechtschreibreform schon eine Kompromissformel zwischen Traditionalisten und Phonetikern ist. Trotzdem erkennt er grundsätzlich die Wissenschaftlichkeit der Studie an.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.10.2000

Kurt Reumann sieht mit diesem Buch eine Lücke geschlossen. In der jetzigen Rechtschreibdebatte werden die Versuche zur Rechtschreibreform zwischen 1933 und 1945 gerne "schamhaft" übergangen, meint der Rezensent. Dagegen konzentrieren sich die Autoren auf diese Zeitspanne und weisen nicht nur inhaltliche Parallelen, sondern auch eine "erstaunliche personelle Kontinuität" zur jetzigen Reform nach, wie er anerkennend hervorhebt. Allerdings bemängelt Reumann, die Studie mache nicht deutlich, dass die Reformen im Nationalsozialismus ihrerseits auf älteren Plänen zur Rechtschreibreform fußten. Er lobt jedoch nicht nur die überzeugende Darstellung der "praktischen und ideologischen" Überlegungen, von denen sich die Nationalsozialisten leiten ließen, sondern findet es auch richtig, dass die Autoren die kontinuierliche Rolle der "Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und zur Pflege des Deutschtums" nachvollziehen. Die Autoren könnten nämlich nachweisen, wie sich deren Generalsekretär auch fünfzehn Jahre nach dem Krieg noch aktiv um eine Rechtschreibreform bemüht habe, lobt der Rezensent.
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