Irina Scherbakowa

Nur ein Wunder konnte uns retten

Leben und Überleben unter Stalins Terror
Cover: Nur ein Wunder konnte uns retten
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783593365237
Gebunden, 268 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Susanne Scholl. In den dreißiger Jahren begann Stalin seinen Krieg gegen das eigene Volk. Unter absurden Anschuldigungen wurden Menschen verhaftet und verschwanden auf Jahre im berüchtigten GULAG. Wenn sie zurückkehrten, mussten sie weiterleben, als sei nichts geschehen. Irina Scherbakowa begann vor über zwanzig Jahren - zunächst heimlich - die verlorenen Geschichten der Überlebenden zu sammeln. In ihrem Buch begegnen wir Menschen, die alles verloren hatten und doch einen unerschütterlichen Lebenswillen aufbrachten. In ihren Erinnerngen wird greifbar, wie die Menschen diese Jahre der Willkür, Angst und Schutzlosigkeit erlebten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.05.2001

Zwei Bücher kann Ulrich M. Schmid vermelden, die sich auf sehr unterschiedliche Weise mit Russlands stalinistischer Vergangenheit und den Aufarbeitungsversuchen der Gruppe "Memorial" befassen.
1.) Irina Scherbakowa: "Nur ein Wunder konnte uns retten. Leben und Überleben unter Stalins Terror"
In Russland besteht anders als in den anderen jungen osteuropäischen Demokratien kein Interesse daran, kritisch die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten, behauptet Schmid einleitend. Eine Ausnahme bildet für ihn die Vereinigung "Memorial", der die Historikerin Irina Scherbakowa angehört. Da sich der Stalin-Terror nicht in abstrakten Zahlen ausdrücken lasse, so Schmid, habe sie die vermutlich einzig richtige Darstellungsweise gewählt: Scherbakowa schildert fünf Lebensschicksale, angefangen mit der Geschichte ihres eigenen Großvaters, die sich alle - ob politikgläubig oder -ungläubig - im repressiven Staatsapparat verfangen hatten. In Bezug auf ihre eigene Familie komme die Publizistin zu dem bitteren Schluss, dass die eigenen Vorfahren am Aufbau der Repressionsmaschinerie beteiligt waren, deren Willkür die Nachfahren dann zum Opfer fielen.
2.) Elke Fein: "Geschichtspolitik in Russland"
"Sorgfältig" nennt Schmid die Arbeit der Historikerin Fein, die offizielle wie dissidente Interpretationen der russischen Geschichte des 20. Jahrhunderts analysiert hat. Im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen steht die Gruppierung "Memorial", die sich 1987 während der Ära Gorbatschow gebildet hatte. Man habe, berichtet Schmid, auf eine Art "Nürnberger Prozess" gewartet - vergebens. Immerhin kam es 1992 zu einem Prozess gegen die KPDSU, in der die Unrechtmäßigkeit ihrer Herrschaft festgestellt wurde. Heute interessiere das kaum noch jemanden, meint Schmid, was sich auch daran zeige, dass die Mitglieder von "Memorial" zumeist schon recht betagt sind. Bedenklich findet Schmid ebenso wie die Autorin die Tatsache, dass die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer systematisch verzögert wird bzw. teilweise einfach nicht stattfindet.