Lothar Gall

Der Bankier

Hermann Josef Abs. Eine Biografie
Cover: Der Bankier
C.H. Beck Verlag, München 2004
ISBN 9783406521959
Gebunden, 526 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Hermann Josef Abs, noch ein Jahr vor seinem Tod als "mit Abstand mächtigster Mann in Deutschland" apostrophiert, verkörpert wie niemand sonst die Macht des Geldes im 20. Jahrhundert. Der legendäre Chef der Deutschen Bank war kein Bankier unter anderen, er war der Bankier schlechthin, die Verkörperung all dessen, was - positiv wie negativ - mit dem Geflecht der Beziehungen zwischen Staat, Wirtschaft und Politik assoziiert wird. Auf der Grundlage akribischer Quellenforschung erzählt Lothar Gall nicht nur vom steilen Aufstieg Abs' zum einflussreichsten Bankier Deutschlands, sondern er begreift ihn stets als charakteristischen Repräsentanten der jeweiligen Epoche, als Symbolfigur der übergreifenden Tendenzen und Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Das gilt für die Weimarer Republik wie für die Jahre des "Dritten Reiches", denen Gall besondere Aufmerksamkeit widmet. Es gilt aber vor allem auch für die Geschichte der Bundesrepublik, die Abs maßgeblich mitgestaltet hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.03.2005

Lothar Galls Portrait des bekannten Bankiers Hermann Abs ist eine Veröffentlichung des Historischen Archivs der Deutschen Bank, auf dessen Archiv beziehungsweise den dort lagernden Abs-Nachlass der Autor als erster Zugriff hatte. Obwohl "Der Bankier" (als hätte es nie einen anderen gegeben, spottet Rezensent Malte Oberschelp) also eigentlich eine Auftragsarbeit ist, sei sie es im Ergebnis trotzdem nicht, betont Oberschelp, immerhin habe die Deutsche Bank mit Lothar Gall einen der bekanntesten Historiker beauftragt. Für seinen Geschmack geht Gall allerdings ein bisschen zu konservativ - oder schonend - an die Biografie Abs' heran. Das betrifft vor allem dessen Aktivitäten im Nationalsozialismus, aber auch als wichtigster Finanzmann und Regierungsberater im Nachkriegs-Deutschland, der quasi in jedem Aufsichtsrat aller wichtigen deutschen Firmen saß. Es gibt keine Dokumente, die Abs in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrat der Deutschen Bank in der NS-Zeit belasten, soviel lässt sich nach Galls Recherchen festhalten, meint auch Rezensent Oberschelp. Ihm missfällt denn auch mehr, wie Gall Abs' fragwürdige Engagements auf dem internationalen Parkett für die Bundesrepublik herunterspielt: sei es in Südafrika, Indonesien oder Argentinien zur Zeit der Militärdiktatur. Da wirkt Galls Buch "wie ein Nachruf", schreibt Oberschelp, in dem harte Worte halt vermieden werden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.11.2004

Angetan zeigt sich Rezensent Christoph Buchheim von Lothar Galls Biografie des Bankiers Hermann Josef Abs. Ausführlich schildere er die steile Karriere des 1901 geborenen, katholisch erzogenen Sohn eines Rechtsanwalts, die ihn 1938 an die Spitze der Deutschen Bank führte, der er als Vorstandmitglied, Vorstandssprecher und Aufsitzratsvorsitzender verbunden war. Wie Buchheim berichtet, sicherte Abs während der Phase der deutschen Expansion unter dem NS-Regime der Deutschen Bank eine dominierende Stellung in den besetzten Ländern durch die Übernahme ausländischer Banken. Kein Hinderungsgrund für eine weitere Karriere nach 1945. So trat Abs 1952 an die Spitze der Süddeutschen Bank und wurde 1957 Vorstandsprecher der wiedererstandenen Deutschen Bank. Buchheim stimmt Gall zu, wenn er in Abs ein Musterbeispiel für ungebrochene Kontinuitäten deutscher Wirtschaftseliten über die Zäsur von 1945 hinweg sieht. Insgesamt zeichnet Gall ein "gelungenes Bild dieser interessanten und komplexen Persönlichkeit", resümiert Buchheim.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.10.2004

Volker Ulrich geht ausführlich auf Lothar Galls Biografie des Bankiers Hermann Josef Abs ein und zeigt sich überwiegend sehr angetan. Diese Biografie des früheren Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank wurde von der Deutschen Bank selbst unterstützt, die auch dafür sorgte, dass der Autor Zugang zum "Privatnachlass" Abs erhielt, weiß der Rezensent. Er unterstreicht, dass dies in Hinblick auf die Unabhängigkeit und den "kritischen Impuls" nicht unproblematisch ist, beeilt sich aber zu versichern, dass Gall der "Gefahr nicht erlegen" ist, auch wenn er seine "Sympathien" für Abs nicht verhehle. Insbesondere das Kapitel, das sich mit Abs Haltung während der Nazizeit auseinandersetzt, hat Ulrich besonders interessiert. Er betont, dass hier die Historiker-Urteile stark voneinander abweichen und beschreibt die Position des Autors als gleichermaßen weit von "Dämonisierung wie von Apologie" entfernt. Dem Rezensenten imponiert es sehr, wie "behutsam abwägend, frei von vorschnellen Schlüssen oder pauschalen Verdächtigungen" sich Gall mit Abs Vergangenheit auseinandersetzt, ohne zu verhehlen, dass dieser sich durch sein Tun mitunter durchaus "zum Handlanger" des NS-Regimes" gemacht hat. Allerdings findet Ulrich die Methode des Autors, nur das zu konstatieren, was sich auch aus Quellen belegen lässt, mitunter etwas fragwürdig: immerhin habe Abs selbst dafür gesorgt, dass Problematisches über seine Karriere möglichst nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Als das ausführlichste, "interessanteste Kapitel" dieser Lebensbeschreibung preist der Rezensent die Ausführungen zum Londoner Schuldenabkommen 1953, wo Abs "außerordentliches Verhandlungsgeschick" bewies, wie der Rezensent erklärt. Bei aller "Bewunderung" für den Bankier lässt es sein Biograf aber nicht an kritischen Tönen fehlen und wahrt stets die Distanz, stellt Ulrich anerkennend fest. Alles in allem hat Gall eine "bemerkenswert faire Biografie" vorgelegt, die stilistisch wie inhaltlich dem "legendären Bankier" gerecht wird und zudem schwierige wirtschaftliche Zusammenhänge auch für den Laien verständlich darzulegen weiß, schreibt der rundum beeindruckte Rezensent, für den die Lektüre nicht nur außerordentlich interessant, sondern ein echter "Lesegenuss" war.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.10.2004

Christoph Jahr bescheinigt Lothar Gall, den Lebensweg des "regierenden Bankiers" der frühen Bundesrepublik, Hermann Josef Abs, "souverän" nachgezeichnet zu haben. Der "interpretatorische Dreh- und Angelpunkt" sei für Gall dabei das Verhältnis von Finanzwelt und Politik über die zahlreichen Systemwechsel hinweg, die Abs miterlebte. Für die nationalsozialistische Zeit kommt Gall zu einem "relativ milden Urteil", meint der Rezensent. Gall beschreibe den Bankier als einen Menschen, für den immer das "Primat des Wirtschaftlichen über das Menschliche" gegolten habe. Gall forscht an dieser Stelle nicht mehr nach, der Rezensent hätte gerne mehr über die Folgen und "Kosten" dieses Denkens erfahren. Insgesamt sei es Gall, auch durch den bisher exklusiven Zugriff auf den Nachlass, "hervorragend gelungen", das Leben von Herrmann Josef Abs darzustellen; mit der richtigen Dosis an Einzelheiten, ohne dabei das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren.