Marcia Pally

Lob der Kritik

Warum die Demokratie nicht auf ihren Kern verzichten darf
Cover: Lob der Kritik
Berlin Verlag, Berlin 2003
ISBN 9783827004628
Gebunden, 406 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff, Ulrike Bischoff, Gennaro Ghirardelli und Thorsten Schmidt. Nach dem 11. September ist die Entschlossenheit zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus weltweit groß. Die Maßnahmen der USA unter Bush, aber auch anderer westlicher Demokratien tragen allerdings auch Züge einer fatalen politischen Rückwärtsbewegung. Konservativ-chauvinistische oder gar fundamentalistische Deutungsmuster gewinnen an Einfluss und nutzen die allgemeine Verunsicherung zu ihren Gunsten. Für die amerikanische Kulturkritikerin Marcia Pally ist eine solche Reaktionsweise nichts grundsätzlich Neues: Angesichts komplexer Probleme und Herausforderungen haben Menschen immer schon ihr Heil in einfachen Antworten gesucht. Sie ist jedoch alarmiert von dem Ausmaß, in dem die Bürger aller demokratischen Länder selbst heute in beruhigende, aber naiv-archaische Denkmuster zurückfallen. Im Umgang mit den Krisen der Gegenwart findet Pally überall Beispiele für eine Flucht vor kritischem Denken.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.06.2003

Rezensentin Sieglinde Geisel klingt recht verärgert. Denn eigentlich fände sie ein Buch über den Verlust des kritischen Denkens in den aufgeklärten Gesellschaften des Westens aktueller denn je. Nur hat Marcia Pally augenscheinlich ein solches Buch nicht geschrieben. Und angesichts platter Gedanken und Formulierung findet sich die Rezensentin eigenem Bekunden zufolge genötigt, rasch in Deckung zu gehen. Auf gut hundert Seiten sieht sie dann die Philosophie der Neuzeit im Schnelldurchlauf an sich vorüberziehen. Dabei scheint ihr schwer feststellbar, worum es der Autorin überhaupt geht, denn Pally, schreibt sie, lässt kein Thema aus, das in den letzten Jahren die Medien bewegt hat: von der Stammzellenforschung bis hin zu Mohammed Attas Kurzbiografie. "Aufzählen und referieren, was andere gesagt und geschrieben haben", beschreibt Geisel entnervt die Methode der Autorin. Am Ende bleiben für sie die wesentlichen Fragen offen. Vor allem diese: "Wenn man lesen muss, was man schon weiß, fragt man sich natürlich, was einem damit gezeigt werden soll?"

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.04.2003

Ein kluges Buch, lobt Matthias Penzel. Eines, das seinen sehr hohen Ansprüchen - Pally scheut bei ihrem "Lob der Kritik" nicht vor Hobbes und Popper zurück - gerecht werde und seine Autorin in die höchsten Ränge der New Yorker Intelligenzija rücke. Kein provokanter Gestus finde sich bei ihr, dafür viel "kühle Rationalität" und scharfsinnige Argumentationen. So zerlege sie kurzsichtige Vorbehalte und schlichte Kausalitäten, die sich etwa wider Neue Technologien oder Globalisierung per se richten und stelle dem kritische Analysen entgegen. "Sehr trocken, sehr wisssenschaftlich" sei das, findet Penzel, "und manchmal weise".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.04.2003

Gustav Falke geht recht kritisch mit diesem Buch um. Auf "kaum zehn Seiten" würden "die Theorien von Durkheim, Mauss, Levi-Strauss, Vygotskij, Bachtin und Fleck" dargestellt, stöhnt der Rezensent, im Hauptkapitel "vierhundert Jahre neuzeitliche Geschichte" referiert, in einer Fußnote Hegels Fichterezeption zusammengefasst, Zahlen über Zahlen ausgebreitet zu Zusammenhängen zwischen "Globalisierung, Arbeitslosigkeit, Maispreisen, Selbstmordraten, Religiosität" : Da möchte man sich "zur Mahnung gedrängt fühlen, welcher Leser denn das alles sachkundig mit kritischem Urteil begleiten können soll", schreibt Falke. Und dann diene der ganze Aufwand auch noch einer sehr einfachen These - die Falke so zusammenfasst: "Der Mensch flieht vor dem kritischen Denken in vermeintliche Sicherheiten." Und da möchte Pally gegensteuern. Falke referiert einen Gedanken aus dem Buch, der bei ihm erhebliche Zweifel daran aufkommen lasse, dass ihr dies auch gelingen wird: Gegen die Kritik an der Gentechnologie biete Pally das Argument auf, "dass die Menschen sich schließlich auch an Telefon, Glühbirne und Eisenbahn gewöhnt haben".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 03.04.2003

Hans-Martin Lohmann hat mit Zustimmung zwei Bücher mit dem Aufruf zur kritischen Vernunft gelesen, die er besonders in der heutigen Zeit für wichtig hält, auch wenn er befürchtet, dass sie gerade jetzt wenig Beachtung finden werden. Das Buch von Marcia Pally, das, wie der Rezensent Informiert, "400 Jahre Ideen- und Geistesgeschichte" auf den Prüfstand stellt, lobt er für seinen Appell an den Bürger, sein "Wissen in Frage" zu stellen und sich nicht mit zu einfachen Antworten zufrieden zu geben. "Überzeugungskraft", so der Rezensent angetan, haben die Ausführungen der amerikanischen Autorin besonders dort, wo sie anhand aktueller Debatten wie der Genforschung oder der Auswirkungen der Massenmedien demonstriert, wie schnell das "Denken bereit ist", sich mit "einfachen, aber falschen" Antworten zufrieden zu geben und auf seine "kritische Funktion zu verzichten".