Margret Nissen

Sind Sie die Tochter Speer?

Cover: Sind Sie die Tochter Speer?
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2004
ISBN 9783421058447
Gebunden, 228 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Margret Nissen ist das vierte von sechs Kindern Albert Speers, Hitlers Baumeister und Rüstungsminister. Lange vermied sie es, sich über ihren Vater zu äußern, und lange ging sie der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit aus dem Weg. Erstmals erzählt sie ihre Lebensgeschichte. Wie ist es, wenn der bewunderte Vater plötzlich zu einem verurteilten Kriegsverbrecher wird, wenn Begegnungen ein Leben lang stets von der Furcht geprägt sind, auf ihn angesprochen zu werden? Wie geht man um mit der Schuld des Vaters?

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.04.2005

Sebastian Fischer zeigt in seiner Kritik der Lebenserinnerungen der Tochter von Albert Speer viel Verständnis für diese Annäherung an den Vater, aber dennoch stellt das Buch für ihn eine "verpasste Chance" dar. Erhellend seien die Memoiren von Margret Nissen dann, wenn sie "reflexiv analysierend" über ihren Vater schreibt, das finde aber erst auf den letzten 20 Seiten statt, so der Rezensent bedauernd. Hier gelangt die Autorin endlich zu der "lang erwarteten Auseinandersetzung" mit Speer als Vater und Nazi-Verbrecher, den man im Rest des Buches vermisst, so Fischer unzufrieden. Insgesamt wird Speer, wie so oft, als "Gentleman unter den Nazis" und als "bedeutender Architekt" dargestellt; der Planer der "megalomanischen" Bauten für Berlin, der Mann, der den Ausbau von Auschwitz genehmigte und Tausende von Zwangsarbeitern für die Rüstungsindustrie bestimmte, tritt aus diesen Erinnerungen nicht hervor, konstatiert Fischer enttäuscht.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.03.2005

Auch wenn sein Image als "anständiger Nazi" längst als irrige Verklärung enttarnt ist, Albert Speer bleibt ein "Faszinosum", erklärt Rezensent Christoph Jahr. Nun habe seine Tochter Margret Nissen einen Band veröffentlicht, in dem sie ihr Verhältnis zu ihrem "eigentlich unerreichbaren" Vater bearbeitet. Nach der im Rahmen der Nürnberger Prozesse erfolgten Verurteilung Speers zu zwanzig Jahren Haft, so der Rezensent, habe Nissen erlebt, was es heiße, ein "Täter-Kind" zu sein. Zu dieser Zeit habe es in der Familie Speer kaum Gespräche über die NS-Vergangenheit gegeben. Dankbar angenommen wurden jedoch die Zuwendungen ehemaliger Weggefährten des Vaters, ohne darüber nachzudenken, "welche verschlungenen Wege Geld und Schuldgefühle nehmen konnten". Besonders interessant findet der Rezensent, wie sich Nissen beruflich, als Architekturfotografin nämlich, in die Konfrontation mit ihrem Vater begeben hat, zumal als Mitwirkende an der Berliner Ausstellung "Topografie des Terrors". Insgesamt jedoch erklärt er ihr Bemühen für gescheitert, dem als "Belastung" empfundenen Vater die "Loyalität" zu halten, indem sie "zwischen dem 'historischen' und dem 'privaten Vater' trenne". Denn das, so der Rezensent, sei eine psychologische Utopie.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.02.2005

Aufschlussreich findet Rezensent Heinrich Schendenmann dieses unter Mitarbeit von Margit Knapp und der Journalistin Sabine Seifert entstandene Buch von Margret Nissen über ihren Vater, Hitlers Architekt und Rüstungsminister Albert Speer. Durchaus überrascht hat ihn der Befund, dass der Nationalsozialismus und Speers Rolle in der Familie tabu gewesen seien. Die Fragen der Kinder, so erzählt es Margret Nissen, wurden von der Mutter mit einem nachdrücklichen "Hör auf mit dem Quatsch" abgefertigt". Interesse haben beim Rezensenten auch erstmals veröffentlichte Briefe entfacht, in denen Speer seine Verteidigungsstrategie gegenüber dem Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal kalkulierte. Auch dass die Familie Speer lange von Zuwendungen seiner ehemaligen Kompagnons lebte, ist ihm nicht entgangen. Bedauernd stellt Schwendemann allerdings fest, dass es Nissen bei aller kritischen Distanz nicht gelungen sei "aus dem Schatten ihres Vaters zu treten", und betont (offenbar mit Bezug auf eine nicht näher erklärte Passage), dass Speer nicht zu jenen Deutschen gehörte, die nicht hatten wissen wollen, sondern zu den Tätern.