Martin Heidegger

Mein liebes Seelchen!

Briefe Martin Heideggers an seine Frau Elfride, 1915-1970
Cover: Mein liebes Seelchen!
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2005
ISBN 9783421058492
Gebunden, 416 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Gertrud Heidegger. Mit 38 schwarz-weiß Fotos. "Mein liebes Seelchen" war über fünfzig Jahre lang die Anrede Martin Heideggers für seine Braut und spätere Ehefrau Elfride. Die Briefe sind Momentaufnahmen, die den Anfang, die Höhe- und Wendepunkte, die Krisen und Alltäglichkeiten dieses Philosophenlebens sichtbar machen - der Bau der berühmten Hütte in Todtnauberg, die Schwierigkeiten der Marburger Berufungsverhandlungen, wirtschaftliche Probleme und sein Frauenbild. Die Auswahl aus der umfangreichen Briefsammlung hat die Enkelin und Herausgeberin Gertrud Heidegger, der die Briefe und Karten von ihrer Großmutter übergeben worden waren, getroffen; sie stellt fehlende Bezüge her und lässt die Persönlichkeit ihrer Großmutter aufscheinen. Ergänzt wird der Band unter anderem durch die Lebensläufe von Elfride und Martin Heidegger und ein kommentiertes Personenregister.

Im Perlentaucher: Rezension Perlentaucher

Viele der frühen Briefe sind peinlichster Jugendstil. Heidegger wirft die grässliche Kitschmaschine an, die wir von den Feldpostkarten jener Jahre kennen. Im Dezember 1915 schreibt er: "sind meine Hände heilig genug um die Deinen bebend zu umfassen, ist meine durch alle Schauer des Zweifels hindurchgepeitschte Seele der würdige Schrein, um Deine Liebe in Ewigkeit drin wohnen zu lassen." Wie sehr das Zitat von Gefühl spricht und wie wenig es gefühlt ist, sieht man schon daran, dass er im Glück, so schön formuliert zu haben, das doch unbedingt nötige Fragezeichen am Ende vergisst. Heidegger ist ein Literat, ein schlechter, einer, der keine eigenen Worte findet, sondern stolz auf die bereit liegenden effektvollen zugreift. Elfride war damals dreiundzwanzig Jahre alt, Heidegger siebenundzwanzig. Das sind nur vier Jahre Unterschied, dennoch doziert er in fast jedem Brief. Aber er tut es voller Enthusiasmus...
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.10.2005

Martin Heideggers nun von der Enkelin Gertrud in einer Auswahl herausgegebene Briefe an seine Frau Elfride fügen dem Bild des Philosophen nicht nur einige neue Facetten hinzu, sondern versehen das "Idol" Heidegger mit Leben und einigen hässlichen Kratzern, meint Hannelore Schlaffer. Durch die hier vorgestellte Korrespondenz - etwa ein Siebtel des gesamten Nachlasses von tausend Briefen - erscheine Heidegger nicht mehr nur als zurückgezogener Gelehrter, großer Liebender und "reuiger Gatte", sondern mehr und mehr als "unberechenbarer Ehemann", "Schürzenjäger" und "unverbesserlicher Sünder". Obwohl alle Stücke aus der Zeit von 1933 bis 1945 abgedruckt sind, seien keine "ideologischen Auflösungen" zu vermelden, berichtet die Rezensentin. Man könne den Heideggers eher eine prekäre "Unschuld" attestieren, mit der sie sich den Nationalsozialisten anschlossen. Die ersten antisemitischen Töne erklingen schon 1916, Martin Heidegger lasse im Gegensatz zu seiner Frau nach 1934 aber relativ schnell wieder davon ab. Das eigentliche Unternehmen der Herausgeberin, ihre Großmutter Elfride als emanzipierte und intelligente Frau zu porträtieren, bleibt nach Ansicht Schlaffers aber vage, "ohne Farbe", da von ihr "merkwürdigerweise" nur ein einziger Brief erhalten sei.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.10.2005

Von vornherein ist der Rezensentin Ursula Pia Jauch bei der Lektüre dieser von Martin Heidegger an seine Ehefrau Elfride gerichteten Liebesbriefe einigermaßen unbehaglich. Schließlich seien sie sehr intim und ursprünglich für keine fremden Augen bestimmt. Elfride sei zwar als eine Art eifersüchtige, antisemitische Xanthippe in die Geschichte eingegangen, dennoch kann sich die Rezensentin einer gewissen Solidarität mit der jahrzehntelang von ihrem ruhmreichen Ehemann betrogenen Ehefrau nicht entziehen. Denn die allseits bekannte Liebschaft mit der damaligen Studentin Hannah Arendt sei nur eine unter vielen Affären gewesen, die der Ehefrau durchaus nicht verheimlicht wurden. Und so, findet die Rezensentin, lesen sich die Briefe wie ein "konjugales Kammerdrama". Heidegger erweise sich als ein immer wieder vor Elfride zu Kreuze kriechender "Schürzenjägermeister", der sich jedoch im Laufe der Zeit immer dreister herausrede, wie die Rezensentin mit einigem Ekel berichtet. Kein Wunder, dass Elfride auf Martins "Ehebriefe" zunehmend mit Schweigen reagiert habe. Man könne die Briefe natürlich auch unter anderen Aspekten lesen, bemerkt die Rezensentin abschließend, doch wie sie findet, macht keiner den Leser dem eitlen Philosophen gewogener.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.09.2005

Nicht nur ein irritierendes, sondern ein "schlicht beschämendes Licht" werfe dieser von Martin Heideggers Enkelin herausgegeben Briefwechsel, konstatiert Rezensent Martin Bauer. Der neben Wittgenstein wohl berühmteste deutsche Philosoph des 20 Jahrhundert hat nicht nur als akademischer Lehrer und politischer Bürger versagt , sondern auch als Privatmann. Nicht nur, dass Heidegger sich bereits im Jahr 1918 über eine angeblich "Verjudung unserer Kultur" auslässt, sind dem Rezensenten zutiefst unangenehm, auch die Herablassung, mit der Heidegger seine Frau Elfride, Seelchen genannt, behandelt, stoßen ihm unangenehm auf. "Dass Du dienst, indem Du Dir Schweigen auferlegst" zitiert er Heideggers Anspruch an sie. Deutlich wurde ihm aber auch die Egomanie eines Mannes, für den Amouren vor allem eines waren: Stimulantien seines eigenen Genies.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.09.2005

Es kann nicht leicht gewesen sein für seine wieder und wieder betrogene Frau, mit Martin Heidegger zu leben, - um das mindeste zu sagen. Dies der erste Eindruck, den Jürgen Kaube mitteilt, nachdem er diese Auswahl aus dem Briefwechsel des Paares gelesen hat. Elfride Heidegger war durchaus eine "moderne Frau", Studentin der Nationalökonomie, aber jede Ambition auf eine eigene Karriere verbat sich der Ehemann, der ihr eine "frauliche Ganzheit" empfiehlt, die nur mit Mann und Kind zu gewinnen sei. Nahe kommt der Philosoph der Ehefrau gelegentlich im Antisemitismus und nennt die "Verjudung unserer Kultur und Universitäten", ihr zustimmend, "abstoßend". Alles in allem liest sich das jedoch, findet der Rezensent, wie ein "Stück von Ibsen ohne tödlichen Ausgang." Aufschlussreich ist der Band, fügt Kaube hinzu, aber auch wegen der vielen Einblicke ins Hochschulwesen seiner Zeit. Man erfährt zum Beispiel, dass Heidegger viel Energie aufwendet, ein Pflichtprogramm in "Leibesübungen" für Philosophen zu verhindern.
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