Oliver Hilmes

Witwe im Wahn

Das Leben der Alma Mahler-Werfel
Cover: Witwe im Wahn
Siedler Verlag, München 2004
ISBN 9783886807970
Gebunden, 480 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Alma Maria Schindler, verwitwete Mahler, geschiedene Gropius, verwitwete Werfel (1879-1964) war zweifelsohne eine außergewöhnliche Frau, zugleich eine äußerst umstrittene. Noch heute scheiden sich die Geister an ihr. Für die einen ist sie Muse der vier Künste, für die anderen schlichtweg eine herrsch- und sexsüchtige Frau, die ihre prominenten Ehemänner nur benutzte. Dies ist die erste Biografie über Alma Mahler-Werfel jenseits der Retuschen ihrer Selbststilisierung und der Mythisierung durch andere. Der Historiker Oliver Hilmes hat Quellen erschlossen, die einen ganz neuen Blick auf Alma Mahler-Werfel erlauben: Am aufsehenerregendsten ist dabei der Fund ihres lange verschollen geglaubten Nachlasses - Tausende Briefe, Postkarten, Fotos und ihre Tagebücher bis zu Franz Werfels Tod 1945.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.2005

Christoph König liest und würdigt diese Biografie von Alma Mahler-Werfel als unübertreffbare Materialsammlung. Oliver Hilmes, informiert er, hat bislang unzugängliche Quellen erschlossen (beispielsweise ein Typoskript von Mahler-Werfels "fliegenden Zetteln von 1902 bis 1944"), einen unbekannten autobiografischen Roman entdeckt und erstmals die in der Van-Pelt-Library in Philadelphia lagernden 5000 an sie gerichteten Briefe einer systematischen Lektüre unterzogen und insbesondere ihren Antisemitismus herausgearbeitet. Nun solle man diese minutiöse Schilderung ihres Lebens benutzen, um die entscheidenden Fragen zu verfolgen: "Welche Ästhetik sieht vor, ein Leben unter die Gesetze der Kunst zu stellen und den Dichtern, Malern und Musikern diese Kunst abzusprechen, und zwar so, dass sie sich ihr unterwerfen?" Und warum waren es vor allem jüdische Männer - Mahler, Werfel - die sie sich dafür aussuchte? König beginnt schon mal und deutet Alma Mahler-Werfels Leben als biografische Umsetzung der Ästhetik der Moderne - das, was ihre wechselnden Männer in der Kunst taten, setzte sie in ihrer gesamten Existenz um, und erhob sich so über die anderen. Und die "Erniedrigung der jüdischen Männer" war der Austragungsmodus ihres Spiels, bei dem sie sich zur "fleischlichen Heroine, zum Medium dessen, was um sie lebte", inszenierte.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.01.2005

Fünf Biografien über Alma Mahler-Werfel gab es bislang, zählt Paul Jandl auf, die Faszination für das schillernde Leben dieser Frau, die mit Gustav Mahler, Hans Gropius und Franz Werfel verheiratet war, sei ungebrochen. Vor allem aber ihre eigenen zwei Autobiografien hätten viel zur Legendenbildung beigetragen. Mit diesen Legenden und sonstigem "Epochenkitsch" räumt die neue (und damit sechste) Biografie des deutschen Historikers Oliver Hilmes gründlich auf, meint Jandl, zumal Hilmes erstmals die Möglichkeit erhielt, neue und bisher unausgewertete Quellen hinzuziehen: die Tagebücher Mahler-Werfels. Ihre persönlichen Aufzeichnungen strotzten vor pathetischer Selbstinszenierung, Hilmes gelinge es vorzüglich, den Spannungsbogen zwischen Realität und Selbststilisierung auszudeuten. Das Bild, das Hilmes von Mahler-Werfel zeichne, sei wenig schmeichelhaft, fasst Jandl zusammen; die geheimnisvolle Muse sei eher eine "femme banale" gewesen, die ihren Antisemitismus über ihre jüdischen Ehemänner ausagiert habe. Gut gefallen hat Jandl der "herzhaft unterkühlte Ton" des Biografen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.11.2004

Eine Frage bleibt für Rezensent Jens Malte Fischer bei Oliver Hilmes' Biografie der Alma Mahler-Werfel offen: Was eigentlich war es, das Männer wie Klimt, Zemlinsky, Mahler, Gropius, Kokoschka und Werfel an dieser Hysterikerin, Antisemitin und Faschistin so anzog? Ansonsten weiß er jedoch über diese Biografie hauptsächlich Positives zu berichten. Er würdigt sie als die "ausführlichste" und "sicherlich definitive Biografie", die ihre Vorläufer insbesondere in Qualität der Recherche deutlich übertreffe. Vor allem dem Bild der Mahler-Witwe füge Hilmes zahlreiche neue Facetten hinzu. Das prekäre Dreieck Alma-Kokoschka-Gropius beispielsweise sei noch nie so präzise konturiert worden. Besonders beeindruckend findet Fischer die Biografie immer dann, wenn der Autor sein "überreiches" Material mit vielen Entdeckungen präsentieren kann. So gelinge es ihm, das Schicksal von Almas Halbschwester zu klären, deren Spur sich bisher in psychiatrischen Anstalten zu verlieren schien. Daneben decke er viele Details oft "unappetitlicher Art" auf. Für problematisch hält Fischer die psychopathologische Grundthese des Buches, wonach Alma schon früh hysterische Züge aufwies, die sich zu einem wahnhaften Verhaltenssyndrom entwickelt hätten. Insgesamt falle Hilmes' Porträt von Mahler-Werfel "desillusionierend" und "schonungslos" aus, was Fischer in Anbetracht der feministisch-beschönigenden Alma-Biografie von Francoise Giroud als "wohltuend" und "notwendig" empfindet. Fazit des Rezensenten: Hilmes' "faktengesättigte Darstellung" werde als solche nicht mehr zu übertreffen sein.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.08.2004

Katharina Rutschky lobt eine verdienstvolle Leistung: Oliver Hilmes hat in seiner Biografie von Alma Mahler-Werfel alles genau so gemacht, "wie es sich für einen Biografen gehört". So sei das Buch "sorgfältig" recherchiert, der Nachlass berücksichtigt, die Schilderung frei von "Beschönigungen" und "Besserwisserei", der Tonfall des Buchs angenehm "präzise und aufgeklärt, undogmatisch und intelligent". Damit sind auch, wie Rezensentin Rutschky erleichtert bemerkt, die 1960 erschienen und vom Ghostwriter Willy Haas aufgepeppten Erinnerungen Alma Mahler-Werfels als Hauptquelle abgelöst. Denn diese seien laut Rutschky voller "Klatsch und Tratsch" gewesen und dank pikanter Details aus dem "wilden Liebesleben" Mahler-Werfels - verheiratet mit Gropius, Mahler und Werfel, ferner Geliebte von Kokoschka und Alexander Zemlinsky - ein "Fressen fürs Publikum". Mit Hilmers "verbindlicher" Biografie sei aber nun ein objektiveres Bild möglich. Besonders hat Rutschky dabei der Aspekt von Mahler-Werfels hysterischem Aufmerksamkeitsbedürfnis interessiert: Daraus werde erklärbar, warum Mahler-Werfel eine "miserable Mutter" war oder auch warum sie sich antisemitischen Ausfällen erging. Ebenso ihr ausschweifendes Sexualleben, häufig als "Widerstand" gegen eine "überholte" Moral gesehen, werde hier als Inszenierung "mit ihr selbst im Mittelpunkt" deutlich. Für Rezensentin Rutschky ist klar: Zum Thema Alma Mahler-Werfel ist man mit dieser Biografie "gut beraten".