Peter Esterhazy

Einführung in die schöne Literatur

Cover: Einführung in die schöne Literatur
Berlin Verlag, Berlin 2006
ISBN 9783827005397
Gebunden, 892 Seiten, 48,00 EUR

Klappentext

Aus dem Ungarischen von Bernd-Rainer Barth, György Buda, Zsuzsanne Gahse, Angelika Mate, Peter Mate, Terezia Mora und Hans-Henning Paetzke. Als die Einführung 1986 erschien, bedeutete dies einen Wendepunkt in der ungarischen Literatur: Esterhazy vollendete eine durch die Diktatur zerstörte Entwicklung der Moderne - schon das erste Wort des 900seitigen Buchs war eine Hommage an James Joyce -, und gegen die offizielle Ideologie brachte er eine neue Literatur in Stellung. "Anfang 1978 sah ich plötzlich ein Gebäude vor mir, ein Texthaus, an dem ich bis 1985 arbeitete. Zuerst fing ich an, die einzelnen Räume zu schreiben, also die Zimmer, Säle, breiten Treppenhäuser, und so erschienen die Vor-Bände 'Indirekt', 'Wer haftet für die Sicherheit der Lady?', 'Fuhrleute', 'Kleine Pornografie Ungarns', 'Die Hilfsverben des Herzens'. Als ich damit fertig war, begann ich das große Gebäude zusammenzustellen, baute Treppen, Querkorridore, Fenster, kleine Gesimse. Manchmal zeigte es sich, dass das Wort zu wenig war, dann verwendete ich Bilder oder 'grafische Einheiten'. Immer wieder hatte ich den Gedanken, das Ganze sei ein Hypertext, ein mehrdimensionaler Raum."(P. E.) Das Buch ist eine Art Enzyklopädie aus 21 selbstständigen Prosateilen, die Esterhazy durch Zitate, Marginalien, Fotos, Zeichnungen und Symbole derart untereinander und mit der Weltliteratur vernetzt, dass es sich zu einem offenen, unbegrenzten literarischen Raum weitet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.2006

Die "Bibel der ungarischen Moderne" sieht Rezensent Martin Halter in Peter Esterhazys "Einführung in die schöne Literatur". Dessen Metapher vom Text als Gebäude aufgreifend charakterisiert er den Band als "postmodern verschnörkeltes Schloss". Ein wenig fühlt er sich von Autor und Verlag getäuscht, schließlich sind die meisten Texte, darunter "Die Hilfsverben des Herzens" oder die "Kleine Pornographie Ungarns", schon früher auf Deutsch erschienen, die zentralen Stücke waren Halter schon "weitgehend bekannt". So hält sich seine Begeisterung in Grenzen, zumal die Zeit das ursprüngliche Anliegen des Werks - 1986 habe Esterhazy damit den sozialistischen Realismus durch "aggressive, obszöne und anarchische wilde Sprachspiele" aufsprengen wollen - überflüssig gemacht hat. Nichtsdestoweniger hat er gerade in den abgelegenen Ecken dieses verwinkelten Textschlosses immer wieder "schöne Entdeckungen" gemacht. Das "volle Programm" aber sei "dann doch eine Tortur".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.11.2006

Angetan zeigt sich Christoph Bartmann von Peter Esterhazys "Einführung in die schöne Literatur". Bisher nur in Teilen veröffentlicht, liegt das Werk jetzt vollständig und in einer ausgezeichneten neuen Übersetzung vor. Damit treten für Bartmann die internen Bezüge zwischen den einzelnen Teilen des Werkes hervor und die schriftstellerische Produktion Esterhazys in den 1970er Jahre wird nachvollziehbar. Die Prosastücke des voluminösen Bandes sind nach Ansicht Bartmanns weit entfernt von den Standards des realistischen und klassenbewussten Erzählens. Er sieht in ihnen vielmehr den Abschluss des avantgardistischen Projekts des Formalismus. Dabei unterstreicht Bartmann die Offenheit für grafische und bildliche Erweiterungen des linearen Textraums, die "Splitscreen"-Technik, die mehrere Textkolumnen parallel führt, sowie andere mehrdimensionale, post-narrative Tricks. Das ist nicht immer leicht zu lesen. Nur einige ältere Texte, wie die Joyce-Variation "Flucht der Prosa" muten Bartmann wie "neo-experimentelle Etüden" an.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.11.2006

Bevor er diesem Mammutwerk das verdiente Lob aussprechen kann, muss Rezensent Helmut Böttiger erst einmal Aufklärungsarbeit leisten. Denn so, wie das Buch vor ihm liegt, ist es aus seiner Sicht "ein einziger Etikettenschwindel". Das ist zwar gerade das Gute an ihm. Trotzdem weist Böttiger darauf hin, dass die Originalausgabe schon 1986, also in der Epoche des "Gulaschkommunismus" in Budapest erschien, und mindestens zur Hälfte des Buchs auch in Deutschland schon publiziert worden ist: und zwar gleich als vier eigenständige Bücher. Auch handele es sich weder um einen Roman noch um eine Literaturgeschichte. Stattdessen erkunde das Buch virtuos unterschiedliche Binnenräume der Sprache, spiele mit literarischen Verweisen und sei überhaupt eine Wucht. Alle paar Seiten sieht der Rezensent Atmosphären und Druckbilder wechseln. Dann wieder verwandele Peter Esterhazy kommunistische Phraseologie in Slapstick, schreibe Humoristisches über die Stasi und respektlose Dramolette, bis sich der Rezensent wundert, was vor zwanzig Jahren im kommunistischen Ungarn schon möglich war. "Hier ist das Ungezügelte am Werk!" jubelt er schließlich.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.08.2006

Uta Beiküfner hat Peter Esterhazys "Einführung in die schöne Literatur" in der Hand gehabt und fand das Buch nicht nur dem Gewicht nach schwer. Die 22 Texte sind hauptsächlich in den achtziger Jahren entstanden und bieten neben Betrachtungen der Werke anderer Autoren wie Thomas Bernhardt, Dezsö Kosztolanyi, Marina Zwetajewa und anderen auch eigene Prosa, teilt die Rezensentin mit. Sie gibt zu, dass ihr das meiste in diesen Texten schleierhaft bleibt und meint, dass es dem Autor auch gar nicht darum geht, Sinn oder Informationen zu vermitteln. Esterhazy ist es vielmehr um Rhythmus und die "physische Existenz der Wörter" zu tun, glaubt die Rezensentin, die sich von der Poesie der Texte in den Bann ziehen lässt. Immerhin stellt sie fest, dass die politische Wirklichkeit des Ungarn der 80er Jahre in den vielen Anspielungen und Verschleierungen der Prosatexte durchaus ihren Niederschlag findet und sich das bei Esterhazy so häufig anklingende Erotische etwa im Politischen spiegelt. Dieses rätselhafte Buch verlange seinen Lesern zwar viel Mühe ab, räumt die Rezensentin ein, dafür winke ein "aufregendes" Lektüreerlebnis.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.06.2006

Nicht allein physikalisch, auch literarisch wiegen die 900 Seiten des Bands schwer, zeigt sich Rezensent Franz Haas beeindruckt. Allerdings bestehe hier und da die Gefahr, dass Peter Esterhazys notorischer Witz das literarische Mammutprojekt und seinen auch politischen Ernst ein wenig aushebelt. Schon 1986 sei das Textkonglomerat aus zum Teil schon veröffentlichten Erzählungen und Schriften in Ungarn erschienen. Die ersten 200 Seiten demonstrierten mit Zitaten von Joyce und anderen, wo es völlig "wirr" und bis zum "Nonsense" hingehen solle. Im nächsten Textbaustein, so der Rezensent, uferten die Zitate aus der Weltliteratur bis zu Kopien von ganzen Passagen aus. Parallel zur formalen Rätselhaftigkeit zeige der Autor aber auch Mut zu politisch kühnen Äußerungen. Damals, seufzt der Rezensent, habe das literarische Experiment noch lebensweltliche Funktionen gehabt. Schon der Titel sei eine von "tausend Finten" eines "großen" Buches, das mitunter auch ganz normal ganz wunderbare Geschichten erzähle.

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