Philipp Blom

Sammelwunder, Sammelwahn

Szenen aus der Geschichte einer Leidenschaft
Cover: Sammelwunder, Sammelwahn
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783821845371
Gebunden, 405 Seiten, 27,50 EUR

Klappentext

Warum häufen Menschen so viele Dinge auf, die sie nicht brauchen? Millionen von Sammlern geben sich einer Passion hin, die wahnhafte Züge annehmen und doch so hinreißende Triumphe feiern kann. Vielleicht handelt es sich um den heroischen Versuch, Ordnung - irgendeine Ordnung - in das Chaos der Erscheinungen zu bringen? Von den Wunderkammern und Kunstschränken der Renaissance bis zur Geburt des Museums und zum klassifikatorischen Raptus der neuzeitlichen Wissenschaft verfolgt der Autor die Geschichte dieser Obsession, die in der Demokratie die Massen ergriffen hat. Es gibt kein noch so phantastisches Objekt, das nicht die Begierde eines Sammlers erregt hätte. So sind Drachen und Kinderleichen, Schmetterlinge und Nägel vom Heiligen Kreuz ebenso gehortet worden wie unbezahlbare Gemälde und billige Plastikbecher.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.05.2004

Mit dem "Habitus und Duktus eines intellektuellen Promeneurs" machte sich Philipp Blom auf, den Hintergrund des Phänomens des Sammelns zu ergründen. Sein neues Buch, in dem er "kundig" den verschiedenen Facetten des "Kollektionierens" nachgeht, hat Rezensent Alexander Kluy begeistert. Mit "feingeistig lockerem" Esprit, "prächtig unterhaltend" werden die Geschichten und Geschichtchen von Sammlern wie Ulisse Aldrovandi, dem Habsburgerkaiser Rudolf II oder dem Architekten John Soane dargeboten. Ergänzt werden diese Sammler-Anekdoten von Reiseberichten und Archiverkundungen Blums. Dabei verzichtet der Autor auf "jegliches Theoretisieren", was ihm ein wenig zum Nachteil gerate. Denn über "sich häufende Oberflächlichkeiten" könne auch sein "geschmeidiger" Stil irgendwann nicht mehr hinwegtäuschen, kritisiert der Rezensent. Dafür aber ist das Werk ob seiner "hinreißenden" Ausstattung schon ein Genuss. Gestalter Franz Greno hat eine "schöne" venezianische Renaissance Schrift ausgewählt, die in Verbindung mit dem kompakten, aber "duftigen" Satzspiegel und dem "schönen festen" und kostspieligen Papier aus einem Buch eine "kleine Kostbarkeit" hat werden lassen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.05.2004

Ulrich Raulff konstatiert, dass das Thema Sammeln beziehungsweise Sammler seit 15 Jahren Konjunktur hat und wendet sich drei neuen Bänden zur Geschichte und Ästhetik des Sammelns zu. Dem Band von Phillip Blom über Sammler und das Sammeln attestiert er, "unterhaltsam" und "gefällig gemacht" zu sein. Allerdings bemerkt er, dass es sich bei den berühmten Sammlern, die der Autor seinen Lesern vorstellt, um die "üblichen Verdächtigen" handelt, über die bereits einiges zu lesen war. Das ganze Buch wirkt insgesamt "angelesen", und steuert kaum etwas bei, was das "Phänomen des Sammelns durchsichtiger" macht, so der Rezensent abschließend etwas unzufrieden.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.03.2004

Andreas Platthaus lobt diesen Band von Philipp Blom zunächst als "Fundgrube" und "Sammelsurium der unglaublichsten Kuriosa". Außerdem, lobt der Rezensent weiter, habe der Autor in diesem "prachtvoll gestalteten" und in eigener Übersetzung in der Anderen Bibliothek erscheinenden Buch nicht allein Szenen aus der Geschichte des Sammeln zusammengetragen, sondern auch "kluge Überlegungen zum Phänomen an sich" angestellt. Auch Bloms zentraler These, wonach es beim neuzeitlichen Sammeln um eine Suche nach Sinn gegangen sei, "nach der Möglichkeit, eine Grammatik zu erkennen, wenn nur genug Buchstaben und Wörter zusammenkommen", konnte der Rezensent etwas abgewinnen. Allerdings hätte sich der Rezensent etwas mehr Empirie gewünscht, etwa bei der zeitlichen Einordnung. Das Hauptmanko des Buches aber liegt für Platthaus darin, dass Bloms "ausgebreitetes Wissen" für ihn so "angelesen" wirkt, während "die Kunst lebendigen Sachbuchschreibens" für den Rezensenten darin besteht "das Gefühl zu erwecken, man wohne als Leser gerade der Verfertigung eines Gedankens bei."
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.01.2004

Es gebe keinen passenderen Ort für dieses schöne Buch als die limitierte Reihe der "Anderen Bibliothek" des Eichborn-Verlags, schwärmt Susanne Ostwald, deren nummerierte Ausgaben bibliophile Sammlerherzen höher schlagen lassen ließen. Zumal es sich, wie in diesem Fall des von Philipp Blom verfassten Buches, um eine Kulturgeschichte des Sammelns handelt. Blom streift durch die Geschichte und sammelt die Geschichten von Sammlern, die naturgemäß exzentrisch und verrückt waren. Seine Sammlung setzt erst mit der Neuzeit ein, erklärt Ostwald, als das Sammeln zur privaten Leidenschaft wurde; vorher war es eine Domäne der Kirchen und Fürsten, die anhäuften, was kostbar erschien. Ab der Renaissance aber interessierte man sich plötzlich brennend für alles, was möglichst fremd und wunderlich schien, die Entdeckung neuer Kontinente heizte Phantasie, Wissensdurst und Tatendrang an. Sammeln half aber auch, weiß Ostwald, die neue, immer unübersichtlicher werdende Welt zu ordnen. Das Schöne an Bloms gelehrtem Streifzug durch die Kulturgeschichte sei jedoch sein eigener Hang zum Sammeln, meint Ostwald, und zwar von Anekdoten, die er höchst lebendig erzähle.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.12.2003

Nicht das gewöhnliche Sammeln interessiert Philip Blom in seiner Blütenlese, sondern, so Wilhelm Trapp, das "Extremsammeln". Bloms Zugriff ist nicht methodisch, nicht theoretisch und nicht konzeptgeleitet: er sammelt selbst, fasziniert von seinen Gegenständen, den großen Sammlern vor allem, denen im Chaos des Zusammengesammelten schon mal die Ordnung der Welt abhanden kommt. Das geht von Casanova, dem erotischen Sammler zu Peter dem Großen (als Sammler von Zähnen). Was den Sammler treibt, meint Blom, ist der "Wunsch nach Unsterblichkeit - oder die Lust an der Gegenwart". Nichtsdestoweniger, hält der Rezensent dagegen, ist es "immer der Tod, den man sammelt", um ihn genau dadurch zu überwinden. Trapp lobt das Buch als "elegante" Plauderei - nur ein paar "Schlampereien" hätte man ausbessern sollen. Und die "allzu betuliche Klugheit" des Autors gehe gelegentlich auch ein wenig auf die Nerven.
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