Pierre Bayle

Historisches und kritisches Wörterbuch

Eine Auswahl der philosophischen Artikel
Cover: Historisches und kritisches Wörterbuch
Felix Meiner Verlag, Hamburg 2003
ISBN 9783787316199
Gebunden, 720 Seiten, 68,00 EUR

Klappentext

Einleitung, herausgegeben und übersetzt von Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl. Das 1697 in erster Auflage erschienene "Dictionnaire historique et critique" von Pierre Bayle ist als die "Bibel der Aufklärung" bezeichnet worden, oder, in den Worten Wilhelm Diltheys, als die "Rüstkammer der Aufklärung". Gleichwohl führt dieses für die europäische Aufklärung und Ideengeschichte zentrale Werk, das 1740 bereits in 8. Auflage in vier voluminösen Foliobänden vorlag, in der deutschen Aufklärungsforschung ein Schattendasein. Das liegt in erster Linie daran, dass bislang keine erschwingliche Ausgabe auf dem Buchmarkt greifbar war. Die Attraktion, die Bayles Wörterbuch auf die zeitgenössischen Leser ausübte, beruht in erster Linie auf dem skeptischen Geist, der das ganze Werk durchzieht. Bayle unterzieht Philosophie und Theologie, aber auch alle anderen Disziplinen hinsichtlich ihrer Methoden, Gegenstände und Ergebnisse einer kritischen Revision. Dieser aus dem Wörterbuch sprechende Geist einer nüchternen Rationalität traf den Geist und das Lebensgefühl des 18.Jahrhunderts,das sich nach Kants Worten nur dem verpflichtet fühlte, was vor dem "Richterstuhl der Vernunft" legitimiert worden war. Bayle steht am Anfang dieser Entwicklung und pocht unbeirrbar auf die Rechte der Vernunft, die sich für ihn in einer vorurteilsfreien Prüfung des überlieferten Wissenstandes manifestieren. Ein Resultat dieses Ansatzes ist die Forderung von Toleranz. Aus den mehr als 2000 Artikeln des Wörterbuchs sind die philosophisch bedeutendsten Artikel (gut 30 an der Zahl)ausgewählt und übersetzt worden. Dabei ist das Wort "philosophisch" in einem weiteren Sinne zu verstehen als heute üblich. Bayle fasst darunter den Gesamtbereich des rationalen Wissens.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.02.2004

In seinen Ausführungen zur Toleranz im allgemeinen und Rainer Forsts Studie "Toleranz im Konflikt" im besonderen streift Otto Kallscheuer auch kurz, aber nachdrücklich Pierre Bayles "Historisches und Kritisches Wörterbuch". Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl haben diesen "Bestseller der Frühmoderne" neu übersetzt und, wie Kallscheuer versichert, "kundig eingeleitet. Allein die Auswahl erscheint ihm ein wenig willkürlich. Doch schon wenige der versammelten Kommentare machen in Kallscheuers Augen deutlich, dass Bayles Plädoyer für die Toleranz den Auffassungen von Locke, Voltaire und Kant "haushoch überlegen" ist. Das liegt für unseren Rezensenten daran, dass sich Bayle, den er als "religionsskeptisch gläubigen und vernunftsskeptisch raisonnierenden" heterodoxen Hugenotten charakterisiert, nicht scheut, religiöse, wie weltliche, vernünftige wie vernunftskritische, pragmatisch politische wie moralisch universelle Argumente ins Feld zu führen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.05.2003

Markus Völkel ist zufrieden, gibt aber für die Lektüre einiges zu bedenken. Zunächst einmal hält er dieses "sorgfältig übersetzte" und "gründlich kommentierte" Buch für einen enormen Schritt in die richtige Richtung, nämlich die einer lange überfälligen akademischen Rezeption des Aufklärungsphilosophen Pierre Bayle. Der habe in seinem "Dictionnaire" - einem "Hauptwerk" seiner Epoche - die für Philosophen des 17. Jahrhunderts dringenden Fragen gestellt und kritisch betrachtet. Dem Denker Bayle werde also hiermit zu Recht und Anerkennung verholfen, seine Ideen werden für deutsche Leser diskutierbar. Aber, so Völkel, das französische Original des "Dictionnaire" offenbare auch den historischen Gelehrten Bayle, aus dessen Faktenlabyrinthen die Herausgeber hier nur die denkerischen Perlen gepickt haben. Das sei angesichts der ursprünglichen Länge von 3300 Seiten verständlich und auch vom inhaltlichen Standpunkt nicht ohne Berechtigung, aber es sei eben auch einschränkend. Die jetzt vorliegende Auswahl sei also "eine ausgezeichnete Vorschule für künftige Bayle-Leser und der seit langem in Deutschland ausgebliebene Hinweis auf die überragende Bedeutung dieses Autors".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.04.2003

Etwas enttäuscht zeigt sich Rezensent Wilhelm Schmidt-Biggemann von der von Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl übersetzten und herausgegebenen Auswahlausgabe von Bayles Dictionnaire, die 33 Artikel und die vier "Klarstellungen" Bayles nebst einer ausführlichen Einleitung und einer Bibliografie bietet. Ein Geheimnis habe die vorliegende deutsche Auswahl mit Bayles originalem Dictionnaire gemeinsam, stellt Schmidt-Biggemann fest: man wisse auf den ersten Blick partout nicht, warum gerade diese Artikel ausgewählt worden sind. Dass es sich um die philosophisch bedeutsamsten handelt wie der Klappentext behauptet, bestreitet Schmidt-Biggemann. Er moniert, dass die vorliegende Auswahl ihr eigenes Vorwort Lügen straft, wenn es behaupte, dass Toleranz der philosophische Leitbegriff des Dictionnaire sei. Auch in der Auswahl findet Schmidt-Biggemann nämlich weniger Philosophie, "sondern viel von dem gelehrten kuriosen Kunterbunt, das auch Bayles Dictionnaire auszeichnet: Polyhistorie, garniert mit Klatsch, Satire und Kuriosität". Zum Bedauern des Rezensenten sind die Anmerkungen, die im Original den Pfiff der Artikel ausmachten, nur zum Teil wiedergegeben; auch könne im Oktavformat der ursprüngliche Satzspiegel nicht reproduziert werden. So bekomme man den Eindruck, resümiert der Rezensent, es handle sich um "verschnittene Kuriositäten für die eingeschränkte Neugierde" und nicht um die "komplette Kombination von Gelehrsamkeit und Satire, Kuriosität und Kritik", die Bayles Dictionnaire im 18. Jahrhundert zu einem Verkaufsschlager gemacht hatte.
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