Richard J. Evans

Das Dritte Reich

Band 1: Aufstieg
Cover: Das Dritte Reich
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2004
ISBN 9783421056528
Gebunden, 768 Seiten, 39,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Holger Fliessbach und Udo Rennert. Die NS-Diktatur brachte im 20. Jahrhundert unendliches Grauen über Europa. Evans zeigt die Ursachen dieser unvergleichlichen politischen Katastrophe und dokumentiert, weshalb die nationalsozialistische Bewegung gerade in Deutschland ihre volle Zerstörungskraft entfalten konnte. Dieser erste von drei Bänden über das Dritte Reich schließt mit der Schilderung der 1933 und 1934 durchgeführten Maßnahmen der neuen Regierung zur Festigung ihrer Herrschaft.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 06.10.2007

Bestnoten vergibt Rezensent Michael Wildt an diese ersten beiden Bände von Richard Evans "anschaulicher" und "solider" Geschichte des Dritten Reiches bis 1939. Nicht nur, dass hier Geschichte wirklich noch erzählt werde, und zwar in einem faktenreichen, nüchternen und trotzdem packenden und populären Stil ohne falsche dramatische Töne. Auch im Detail überzeugt der britische Historiker den Rezensenten mit "funkelnden Miniaturen" von Personen und Ereignissen, biografischen Selbstzeugnissen, "bissigen Sottisen" und treffsicheren Beschreibungen. Dabei weiche Richard Evans allerdings kaum von bisherigen Deutungen ab, und folgt für den Geschmack des Rezensenten manchmal zu stark den "ausgetretenen Pfaden" bisheriger Darstellungen. Auch sind Richard Evans nach dem Eindruck des Rezensenten mitunter neuere Studien zu Einzelaspekten seines Themas entgangen. Doch insgesamt schwächen diese Mängel den fantastischen Gesamteindruck des Rezensenten nicht, der auch vor dem souveränen Zugriff Evans? auf die Materialfülle zum Thema respektvoll seinen Hut zieht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.07.2004

Einiges zu bekritteln hat Klaus Hildebrand am ersten Band von Richard J. Evans' Darstellung der Geschichte des "Dritten Reiches". Grundsätzlich erscheint ihm der Werk, das sich laut Evans vorrangig an ein Publikum wendet, das nicht oder wenig über das Thema weiß, für diesen Zweck zu ausufernd und doch wieder zu sehr auf die Fachleute schielend. Auch inhaltlich findet Hildebrand Grund zur Kritik. So gebe Evans etwa vor, den Weg in die Nazi-Barbarei nicht als deutschen Sonderweg begreifen zu wollen, um dann gleichwohl die deutschen Besonderheiten herauszustellen. Was Hildebrand wiederum ja auch richtig findet. Fraglich erscheint ihm bloß, ob es sinnvoll ist, dazu die Geschichte des Kaiserreichs und der Weimarer Republik derart erschöpfend zu schildern, wie es hier getan wird - zumal der rote Faden im "Dickicht vielfältiger Einzelheiten" oft verloren gehe. Vergleichsweise "konturklar" sieht Hildebrand die Überwindung der Weimarer Republik durch den Nationalsozialismus dargestellt. Hier hätte er sich allerdings etwas mehr über die politischen Folgen der zunehmenden Feindseligkeit gewünscht, mit der sich Avantgarde der Weimarer Kunst und Kultur auf der einen Seite und der traditionelle Geschmack des gebildeten Bürgertums sowie die populären Vorlieben der breiten Volksmassen auf der anderen Seite gegenüberstanden. Nicht zuletzt vermisst der Rezensent in Evans' "voluminöser, von viel überflüssiger Ausführlichkeit begleiteter Darstellung" die "Zwischentöne des Atmosphärischen", wie man sie zum Beispiel von Sebastian Haffner kennt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.03.2004

Richard Evans' "souveränes" und "bestens lesbares" Buch hält einer fachwissenschaftlichen Kritik stand, bewegt sich auf hohem Niveau und ist zugleich für Interessierte jenseits des Fachpublikums problemlos zugänglich, versichert unser Rezensent Klaus Holz, den der erste Band der Trilogie vollkommen überzeugen konnte. Besondere Stärken des Buchs sieht Holz darin, dass Evans keine "monokausalen Erklärungen" für die Entwicklung des Nationalsozialismus liefert, dass er auch kulturwissenschaftliche Analysen in seine Darstellungen mit einbezieht, die vor allem den ideologischen "Überzeugungen" eine wichtige Rolle für den Aufstieg der NSDAP, den Vernichtungskrieg im Osten und den Holocaust beimessen; und schließlich lege Evans seinem Geschichtsverständnis die Annahme zugrunde, dass "es bis zuletzt hätte anders kommen können". Zu bemängeln hat Holz lediglich die manchmal "allzu große" Bereitschaft des Autors, mehrere Perspektiven gelten zu lassen, einige inhaltliche Ungenauigkeiten und viele "lästige" Druckfehler und Wortverdreher. Doch: "Wenn dieses Buch keine große Leserschaft findet", versichert uns Holz, "dann liegt es nicht am Buch."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.03.2004

Richard J. Evans ist eine "in vielem überzeugende und gut lesbare" Darstellung der Entwicklung des Dritten Reiches gelungen, lobt der hier rezensierende Historiker Ulrich Herbert. Dieser erste Band der Gesamtdarstellung der NS-Diktatur schildere deren Vorgeschichte bis zum Wahlsieg der NSDAP 1933. Herberts Bewertung der verschiedenen Kapitel der Geschichte fällt sehr unterschiedlich aus: Während er Evans Darstellung des Kaiserreiches und der in ihm keimenden nationalistischen und zivilisationskritischen Haltungen attestiert, sie sei "durchweg plausibel und differenziert", mischt sich in das Lob zu den Kapiteln über die Weimarer Republik, in denen der britische Historiker auch gegen die "deutschenfeindlichen Ressentiments" seiner Landsleute anschreibt, Kritik: Zwar betone er die oft unterschätzte "relative Stärke der demokratischen Mitte in der Frühphase Weimars" und arbeite deutlicher als andere Autoren den Zusammenhang der "Radikalisierung der Mitte" mit den (Über-)Forderungen der deutschen Bevölkerung durch das Großstadtleben und die moderne Industriegesellschaft heraus, allerdings unterschätze Evans den Einfluss der Wirtschaft auf den Zusammenbruch der Republik und sei damit nicht auf dem Stand der "neueren Wirtschaftsgeschichte". Die Schilderung vom Aufstieg des Nationalsozialismus schließlich sei "etwas konventionell" geraten, so Herbert, der in diesem Teil vor allem eine Verortung der NSDAP im "breiten nationalistischen Milieu der 20er Jahre" vermisste. Das Fazit unseres Rezensenten: Eine sehr gute, detaillierte "Erzählung", bei der man sich jedoch frage, "welchen vorrangigen Zweck das Buch erfüllt".
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.03.2004

Von "Starhistoriker" Richard Evans und dem ersten Band seiner groß angelegten Gesamtdarstellung des Nationalsozialismus hätte sich Michael Wildt mehr erwartet. Evans sei zwar eine "solide, nüchterne und klar geschriebene" Darstellung gelungen, über Vorgänger wie die Darstellungen Hans-Ulrich Thamers oder Karl Dietrich Brachers gehe sie aber nicht hinaus und gerate so zu einer "Reprise des Bekannten". Dass die Weimarer Republik an ihrer institutionellen Schwäche, am Mangel an Demokratie, der Demütigung durch den Versailler Vertrag, der Wirtschaftskrise und dem Gewaltansturm von Rechts scheiterte, war Wildt schon bekannt, hier werde es zudem "stark vergröbert" präsentiert. Nur der letzte Teil des Buches über die Machtergreifung findet die Gnade des Rezensenten: Hier sei dem Verfasser ein "plastisches, fesselndes und spannungsreiches" Bild gelungen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.03.2004

Können seine englischen Kollegen "nur dick" über dieses Thema schreiben, fragt sich der Historiker Norbert Frei und kommt nach diversen Seitenvergleichen zu dem Ergebnis, dass es sich eindeutig um einen englischen Trend handelt. Auf über 2.000 Seiten soll sich Evans Geschichte des Dritten Reichs insgesamt belaufen, deren erster Band nun vorliegt. Auch wenn sich Evans bewusst an ein breites Publikum wendet, macht er "nirgends Abstriche an der Komplexität seines Themas", staunt Frei. Evans seien historische Stereotypisierungen a la Goldhagen zuwider und auch die zunehmende Moralisierung der Geschichte missbillige er. Beachtenswert findet Frei, dass Evans nicht einem deutschen Sonderweg ab 1848 das Wort redet, sondern die Möglichkeit einer normalen Entwicklung Deutschlands ins Auge fasst - bis zum Ersten Weltkrieg: hätte es ihn nicht gegeben, so Evans These, wäre der Nationalsozialismus vermeidbar gewesen. Hier konstatiert Frei eine prinzipielle Offenheit bei Evans, der weitestgehend ohne ideologische Scheuklappen auskomme. Überraschend lange wartet man bei der Lektüre auf den Auftritt des "Führers", gesteht Frei, dafür sei der Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung dicht und plastisch dargestellt. Allerdings drohe der Erzählfluss manchmal auszuufern, so dass Evans zu einer systematisierenden Parallelführung der Ereignisstränge greife, was auf Kosten des Zusammenhangs und der Chronologie gehe. Auch die gesonderte Betrachtung von Hitlers Kulturrevolution widerspricht eigentlich Evans' Praxis einer narrativen Geschichtsschreibung, findet Frei. Im übrigen werde der britische Historiker der Attraktivität der "Volksgemeinschaft" unter den Deutschen wohl künftig mehr Raum gewähren müssen, vermutet Frei.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.03.2004

Sehr eingehend diskutiert der Historiker Hans Mommsen diesem ersten Band einer auf drei Bände ausgelegten Geschichte des Dritten Reiches des britischen Historikers Richard J. Evans. Der Rezensent, der dieses Unternehmen als "mutig und anspruchsvoll" würdigt, zeigt sich insgesamt sehr angetan von den Ausführungen des Autors zu den Voraussetzungen und Ursachen für den Nationalsozialismus, auch wenn er hier und da Kritisches anzumerken hat. Zunächst einmal lobt er die Studie als "anspruchsvolles Plädoyer" für eine komplexe Betrachtungsweise der Entwicklung, die zum Dritten Reich geführt hat. Ein bisschen aber stört es Mommsen, dass Evans das erste Kapitel über die Weimarer Republik "überwiegend ideengeschichtlich" ausgerichtet hat, der Bismarckkult übertrieben dargestellt und die "Erosion der bürgerlichen Mittelparteien" zu knapp abgehandelt werde. Die Studie gewinnt aber "Farbe und Intensität", wenn sich Evans von der "allgemeinen, bisweilen etwas holzschnittartigen" Geschichte der Weimarer Republik abwendet und sich statt dessen mit dem Aufstieg der NSDAP beschäftigt, meint Mommsen zustimmend. Hier lobt er die "ungewöhnlich dichte und detaillierte" Darstellung und lebendigen Schilderungen. Auch den "umfassenden gesellschaftlichen Gleichschaltungsprozesses" durch die Nationalsozialisten am Beispiel der Stadt Northeim findet Mommsen sehr "anschaulich" dargestellt. Alles in allem versteht Mommsen diesen Band als "Expose", wobei die genaue Ausführung in den nächsten beiden Bänden noch aussteht, wie er betont.