Robert Darnton

Poesie und Polizei

Öffentliche Meinung und Kommunikationsnetzwerke im Paris des 18. Jahrhunderts
Cover: Poesie und Polizei
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518122310
Taschenbuch, 170 Seiten, 9,00 EUR

Klappentext

Die gern geführte Rede, daß wir soeben in das Informationszeitalter eingetreten seien, verkennt, dass "Informationszeitalter" auch in der Vergangenheit schon existiert haben. Nur die Formen und die Medien der Verbreitung von Informationen waren andere. Im Paris des 18. Jahrhunderts bestanden in erster Linie mündlich Kommunikationssysteme, und Informationen verbargen sich oft in poetischen Texten, die der gewöhnliche Pariser in öffentlichen Gärten rezitierte und auf den Straßen sang. Diese Poesie war politisch so wirkungsvoll, dass man versuchte, sie der polizeilichen Kontrolle zu unterstellen. Darnton beschreibt, wie die Polizei im Paris des Jahres 1749 die Herkunft solcher Gedichte zurückverfolgt, und macht dabei deutlich, wie Kommunikationssysteme funktionieren und wie sich Neuigkeiten auch durch Medien, die heute vergessen sind, ausbreiten können.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.07.2002

Robert Darntons Studie konzentriert sich auf die "Affaire des Quatorze", die nicht nur 14 Verbreiter von Schmähgedichten in den Kerker brachte, sondern auch den seit 36 Jahren amtierenden Minister Maurepas sein Amt kostete. Der hatte zu offensichtlich gegen Madame Pompadour, die Mätresse des Königs intrigiert - und an ihm führt der Historiker Darnton vor, wie es im Jahre 1749 um die öffentliche Meinung in Paris, vor allem um ihre Beeinflussbarkeit bestellt war. Ob es sich bei den weit verbreiteten Spottliedern und bei aller Kritik jedoch um ein "Vorspiel der Revolution" handelte, da bleibt der Rezensent Henning Ritter so skeptisch wie der Autor: eine "Öffentlichkeit" im emphatischen Sinn des Wortes nämlich gab es, so Ritter, eben noch nicht. Dies ist eine der Lehren, die man aus diesem Buch ziehen kann. Ritter lobt es, nicht nur deswegen, als ein "Meisterwerk der Verlebendigung von historischen Zeugnissen".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.04.2002

Sonja Asal scheint dem Verfasser dieser Fallstudie zum Thema "Öffentliche Meinung und Kommunikationsnetzwerke" einige brauchbare Erkenntnisse zu verdanken. Der Autor des kleinen Bands, ein Historiker mit "erzählerischer Könnerschaft" übrigens, hat tüchtig in archivierten Vernehmungsprotokollen und Polizeiakten gestöbert, "aus deren einzelnen Stücken das Mosaik eines verzweigten Kommunikationsnetzes entsteht". Wieso hatten es der französische König und sein Polizeiapparat Mitte des 18. Jahrhunderts ausgerechnet auf Dichter abgesehen? Vielleicht weil Lyrik im damaligen Paris, dem "Resonanzraum der höfischen Machtpolitik", besonders gut nachhallte? Genau, meint Asal und erkennt das Gedicht als "Ausdruck einer anderen Art von Macht: der noch unbeschriebenen, aber unleugbar einflussreichen Autorität namens 'la voix publique'". Aus der im Buch zwar ausführlich zitiert werde, die in den deutschen Übersetzungen allerdings vor "sinnentstellenden Fehlern" wimmele. Bleibt noch Darntons Eingangsthese, es sei die öffentliche Meinung gewesen, die dem 1788 zusammenbrechenden Ancien Régime den Gnadenstoß versetzt habe. Damit, so räumt die Rezensentin ein, wage sich Darnton allerdings etwas unvorsichtig in das Reich der Spekulationen und allzu großen Theorien über die Ursachen der französischen Revolution.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.03.2002

Es war, so die These des Ideenhistorikers Robert Darnton, vor allem die "öffentliche Meinung", die für das Ende des Ancien regime verantwortlich war. Er verfolgt das nicht in der Theorie, sondern ganz praktisch und - wie der Rezensent mit dem Kürzel "upj." formuliert - "pragmatisch" am Beispiel eines königskritischen Gassenhauers, der seit April 1749 in den Straßen von Paris zu hören war. Die Polizeispitzel bekommen den geheimen Auftrag, den Verfasser ausfindig zu machen, das ganze erweist sich in der Nacherzählung Darntons, findet der Rezensent, geradezu als "Politkrimi". Besonders bewundernswert findet er darüber hinaus, dass Darnton, wie schon in seinen vorigen Büchern, aus den Archiven "gänzlich staubfrei" zurückgekehrt ist.