Robert Gellately

Hingeschaut und weggesehen

Hitler und sein Volk
Cover: Hingeschaut und weggesehen
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2002
ISBN 9783421055828
Gebunden, 480 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Gellately hat eine Fülle von unbekannten Dokumenten zutage gefördert, die den Umgang der Deutschen mit dem Nazi-Terror in ein neues Licht stellen. Das überraschende Ergebnis seiner Studie belegt, dass die Deutschen von der Existenz der Konzentrationslager bereits sehr früh wussten. Durch eine materialreiche Analyse der regionalen und überregionalen Presse weist Gellately nach, wie das NS-Regime die KZ nicht versteckt, sondern bewusst Informationen darüber an die Öffentlichkeit gegeben hat...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.05.2002

Ganz schön ambitioniert, ruft der Rezensent zwar, restlos überzeugt ist Dieter Pohl von diesem Band trotzdem nicht. "Umfassend" nennt er den Ansatz des Autors, die Verfolgung innerhalb Deutschlands zwischen 1933 und 1945 darzustellen, und zeigt sich mitunter angenehm überrascht, etwa wenn auch die weniger bekannten verfolgten Gruppen angesprochen werden. Dass der Band keinen Blick wagt nach Österreich oder in die Ostgebiete, stört den Rezensenten indessen merklich. Ebenso die stets fatale Neigung zur Pauschalisierung. Dass Pohl uns den Band schließlich bloß als "Geschichte der Naziverbrechen in Deutschland" empfehlen will, liegt allerdings vor allem daran, dass Gellately sein eigentliches Thema, die Einstellung und das Verhalten der Bevölkerung, allzu sehr aus dem Blick verliert beziehungsweise ungenügend mit Indizien bestückt. Wer wissen möchte, wie sich die deutsche Gesellschaft zu den Verbrechen der Nazis verhielt, schreibt Pohl, "muss weiter auf eine Untersuchung warten, die ihre Thesen auch beweisen kann".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.03.2002

Noch vor der Auslieferung der britischen Ausgabe der Studie von Robert Gellately über die nationalsozialistische Gesellschaft im letzten Frühjahr ging man davon aus, dass dieses Buch eine Sensation werden würden, vor allem in Deutschland, berichtet Volker Ullrich. Doch weit gefehlt, meint der Rezensent, ohne den Wert dieses Bandes auch nur im geringsten schmälern zu wollen. Keine Sensation, so Ullrich, dafür aber eine "gründliche" und "sorgfältig recherchierte" Arbeit habe der kanadische Historiker, der an der Clark University in Worcester, Massachusetts, lehrt, hier vorgelegt. Laut Gellately hätten die Deutschen viel mehr gewusst, als sie gemeinhin behaupten, und der NS-Staat habe überhaupt nur funktionieren können, weil er um den Konsens in der Mehrheit der Bevölkerung gewusst habe. Besonders deutlich zeige das der Autor an den vielen Fällen von Denunziation, die manchmal selbst der Gestapo zu viel wurden und an der "Lagerisierung des Reiches", die eigentlich jeder mitbekommen habe. Die Mehrheit der Deutschen, stimmt der Rezensent dem Autor zu, habe den Taten der Nazis entweder gleichgültig zu- oder ängstlich weggeschaut. "Wichtig" und "wegweisend" findet Ullrich dieses Buch, denn es verdeutliche einmal mehr, was die nationalsozialistische Volksgemeinschaft in ihrem Innersten zusammengehalten habe.
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