Tim Parks

Schicksal

Roman
Cover: Schicksal
Antje Kunstmann Verlag, München 2001
ISBN 9783888972577
Gebunden, 300 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Becker. Christopher Burton erhält an der Rezeption seines Hotels einen Anruf, der ihn über den Selbstmord seines Sohnes informiert. Aber warum ist bei dieser schrecklichen Nachricht Christopher Burtons erster Gedanke, jetzt nach fast dreißig Jahren Ehe seine Frau zu verlassen? "Schicksal" ist ein Roman über Ehe und Identität, über die spezielle Dynamik, wie einer sich auf Kosten des anderen entwickelt und ein Dritter auf der Strecke bleibt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.06.2001

"Ein Meister im Schildern der Gleichzeitigkeit von größter Tragik und größter Banalität" ist Tim Parks, rühmt Barbara von Becker. Wie der in Italien lebende britische Autor in diesem Roman all die existentiellsten und nebensächlichsten Dinge schildert, die einem Starreporter durch den Kopf gehen, der während der Vorbereitung auf ein Interview mit dem italienischen Ministerpräsidenten erfährt, dass sein Sohn gestorben ist, hat sie offenbar tief beeindruckt. Das die dramaturgisch raffinierte "Häppchentechnik" Parks auch in der Übersetzung nicht aus der stilistischen Balance gerät, geht ein Lob an die Übersetzerin Ulrike Becker.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.05.2001

Alexandra Lavizzari schließt sich in ihrer Kritik dem begeisterten Urteil der englischen Presse an, die den Roman über den grünen Klee gelobt hat, wobei sie warnt, dass die Leser nicht auf eine leichte Lektüre hoffen dürfen. Das Buch, in dem ein Vater vom Selbstmord des Sohnes erfährt, erschließe sich nur einer "akribischen/besessenen" Lektüre, wie sie Roland Barthes verstanden habe, so die Rezensentin beeindruckt. Sie fühlt sich angesichts dieser Prosa, die Bewusstseinsstrom-Passagen mit geordneter Erzählung in einer Atmosphäre von "unterdrückter Panik" und "ohnmächtiger Wut" vereint, an Thomas Bernhard erinnert und preist die Übersetzerin für ihre "wundervoll rhythmische Übersetzung" dieser "sorgfältigen Prosa". Besonders faszinierend findet die Rezensentin die Darstellung "großer Gefühle", die, wie der Autor überzeugend demonstriere, nur auf "Umwegen" möglich sei.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.05.2001

"Der Himmel macht unser Leben zur Hölle", so hat Martin Krumbholz die Intention des 1954 in Manchester geborenen und seit langem in Italien lebenden Schriftstellers Tim Parks verstanden. Von hochgestellten Erwartungen an das Eheleben handelte schon Parks "fulminanter" Essayband "Ehebruch und andere Zerstreuungen" von 1999, informiert der Rezensent. Und auch in seinem Roman "Schicksal" habe sich der Autor wieder dieses Themas angenommen. Bei allem Pessimismus der über weite Strecken dezidiert psychopathologisch grundierten Ausführungen über das Eheleben des Briten Burton und seiner italienischen Frau Mara feiert Parks letztlich doch die Liebe und die Ehe, ist der Rezensent überzeugt. Doch berührt hat ihn das nicht. Jedenfalls nicht so sehr wie Parks Essayband. Zu viel Thomas Bernhard entnimmt er den Zeilen von Parks, zu viel stilistischen Ehrgeiz, den österreichischen Sprachvirtuosen zu kopieren. Was bleibt, ist eine Manier, resümiert Krumbholz und empfiehlt dem Leser, zum Thema doch besser Parks Essay "Ehebruch" zu lesen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.05.2001

Manuela Reichardt zeigt sich überaus angetan von diesem Band, in dem sich Parks - wie sie findet - wieder einmal als "Meister der Paar-Psychologie" erweist. Erzählt werden, so Reichardt, die zweiundsiebzig Stunden, nach denen der Protagonist vom Selbstmord seines Sohnes erfahren hat und in denen ihm sämtliche Gewissheiten abhanden kommen: Gewissheiten über seine Ehe, seine Familie, seine Arbeit. "Der Mann benimmt sich wie aufgezogen", diagnostiziert die Rezensentin. Er bilanziert wie unter Zwang sein bisheriges Leben, trauert verpassten Gelegenheiten nach und fragt sich, ob es noch andere Existenzen gibt, "als die gelebte". Dass Parks dabei den Protagonisten "furios zwischen Wach-Sein und Illusion, zwischen Normalität und Wahnsinn rasen" lässt, gehört für die Rezensentin zu den besonderen Stärken dieses Buchs.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.03.2001

Gäbe es einen "Preis für das virtuoseste erste Kapitel", Frauke Meyer-Gosau würde ihn sofort Tim Parks Roman "Schicksal" zusprechen: eine fulminante Einführung in diese Familiengeschichte, die dem Leser in einem zugleich assoziativ sprunghaften wie temporeichen Erzählstrom aus der Perspektive des Gatten und Vaters berichtet werde. Mehr und mehr Informationen tauchen auf und fügen sich schließlich "schicksalhaft" zusammen, erzählt Meyer-Gosau. Die Familie bzw. Ehe werde als ein Gefängnis charakterisiert, aus dem es kein Entkommen gebe: Man braucht einander, wie man ist, und macht sich gegenseitig zu dem, was man braucht, analysiert die Rezensentin das ausweglose System, das den Sohn schizophren werden lässt. Meyer-Gosau rechnet es dem Autor hoch an, dass er der Versuchung eines Hoffnungsschimmers - ein Wunsch, der auch im Leser immer wieder aufkeime - nicht nachgegeben hat. Abschließend meint sie, dass doch das ganze Buch einen Preis verdient hätte und ebenso die Übersetzerin Ulrike Becker, der ein "vibrierend ironisches Deutsch" gelungen sei.
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