Tony Judt, Timothy Snyder

Nachdenken über das 20. Jahrhundert

Cover: Nachdenken über das 20. Jahrhundert
Carl Hanser Verlag, München 2013
ISBN 9783446241398
Gebunden, 416 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Das 20. Jahrhundert war das Zeitalter der politischen Visionen. Die unversöhnlichen Konflikte zwischen Kommunismus, Liberalismus und Faschismus hinterließen auch in Tony Judts Familie tiefe Spuren: seine Cousine starb in Auschwitz, sein Vater war Marxist, er selbst begeisterte sich für die Kibbuz-Bewegung in Israel, erlebte 1968 in Paris, das neoliberale Großbritannien unter Thatcher und schließlich, 1989, das Ende des Kommunismus in Europa. In seinem letzten Buch verbindet der 2010 verstorbene Historiker, unterstützt von seinem Freund Timothy Snyder, kenntnisreich und kritisch die persönliche Erinnerung mit einer Bilanz der großen politischen Ideen der Moderne. Ein Buch, das selbst Geschichte machen wird.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.04.2013

Angesichts der Tatsache, dass "Nachdenken über das 20. Jahrhundert" das letzte Buch Tony Judts ist, täte Detlev Claussen sich schwer, es zu kritisieren, wüsste er nicht, dass eine solche Zurückhaltung kaum im Sinne des Historikers wäre. Das Buch enthält die Interviews, die Judts in Yale lehrender Kollege Timothy Snyder mit ihm geführt hat. Das Problem ist, "Snyder und Judt reden passagenweise aneinander vorbei", wie der Rezensent erklärt, am stärksten sei das Buch in den autobiografischen Passagen, wenn Snyder nur zuhört: Judts jugendliche Unentschlossenheit angesichts der Aufforderung nach Israel auszuwandern, die damalige Verlockung zionistischer Jugendorganisationen, die Desillusionierung durch den Sechstagekrieg, die vorsichtige Aussprache für eine Einstaatenlösung und der darauffolgende Vorwurf des Antisemitismus, der gegen ihn laut wurde, fasst Claussen zusammen. Dank solcher Ausführungen mag auch dieses Buch lohnen, meint er.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.04.2013

Nein, die Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts, die Tony Judt nicht mehr zu schreiben vermochte, findet Detlev Claussen nicht in diesem Gesprächsband. Dafür kann er den beiden Autoren dabei zusehen, wie sie um ihr eigenes Selbstverständnis als Historiker nach dem "short century" kreisen. In der Mitte erkennt Claussen leuchtturmgleich den großen Eric Hobsbawm. Aber auch Judts eigene Reflexionen zum Kapitalismus rechtfertigen für ihn den Titel. Und auch wenn er über Marx bei Hobsbawm mehr erfährt als in diesem Buch - wie Hobsbawm steht auch Judt in Claussens Augen für eine Kritik als Folge eines Nachdenkens über die Verhältnisse, und nicht aus einem unverwirklichten kommunistischen Traum heraus.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.03.2013

Begeistert und fasziniert referiert Michael Hesse den Inhalt des Buchs "Nachdenken über das 20. Jahrhundert" von Tony Judt und Timothy Snyder, der sich an den Lebensstationen und ideologischen Herausforderungen Judts orientiert: an London, Paris und New York, am Kommunismus, der Begeisterung für und Enttäuschung vom Zionismus und an der Sozialdemokratie. Ebenso fasziniert ist der Rezensent von der Entstehungsgeschichte des Buchs als Dialog zwischen den beiden Historikern, weil der an einer unheilbaren Nervenkrankheit leidende Judt nur noch "Kopf, Augen und Stimmbänder" bewegen konnte. Geistig zeigt er sich jedoch so beweglich wie eh und je, und so ist "Nachdenken über das 20. Jahrhundert" ein angemessenes Vermächtnis des 2010 gestorbenen Historikers, so Hesse, "ein großes Buch, das den Geist eines brillanten Stilisten und Erzählers trägt".