Ulrich Raulff

Wiedersehen mit den Siebzigern

Die wilden Jahre des Lesens
Cover: Wiedersehen mit den Siebzigern
Klett-Cotta Verlag, 2014
ISBN 9783608948936
Gebunden, 170 Seiten, 17,95 EUR

Klappentext

Die siebziger Jahre begannen in den USA am 18. August 1969 in Woodstock, sie führten über Vietnam nach Europa und endeten mit dem Tod Michel Foucaults am 25. Juni 1984 in Paris: Ulrich Raulff, heute einer der einflussreichsten Intellektuellen Deutschlands, nimmt jung, belesen, unerfahren in Marburg Abschied von den unergiebigen Auseinandersetzungen um Theorien und Revolutionen, die nie stattfinden sollten. Wenige Jahre nach dem Tod Adornos wechselt er als "Flakhelfer der 68er" nach Paris und findet intellektuell und existenziell zu sich selbst. Nachdenklich und ironisch erkundet er die siebziger Jahre und eine ganze Generation, die sich, auf der Flucht vor den Ideologien des 20. Jahrhunderts, mit unbändiger "Lust am Lesen" dem Strukturalismus in die Arme warf. In atmosphärisch dichten Beschreibungen schildert er seine Begegnungen mit Foucault, Roland Barthes und anderen Heroen und Schurken jener Zeit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2014

Für den Rezensenten Günther Nonnenmacher legt Ulrich Raulff hier ein Capriccio vor, eines allerdings, das dem Rezensenten durchaus Erkenntnisse bringt, wenn auch nicht über die Theorien des Autors, sondern eher über seine Einflüsse. Was Raulff über die Studentenzeit der 70er in Marburg, Paris, London und Berlin und über das wilde Lesen aufschreibt, erfüllt Nonnenmacher mit Wehmut. Da gab es also noch Gelehrte und streunendes Studieren, stellt er fest. Dass der Autor nur dezent von sich erzählt, dafür Anekdoten aus dem Strukturalismus und liebevolle Porträts seiner Säulenheiligen Foucault und Barthes bietet, findet der Rezensent respektabel. Für ihn ist das Buch eine gut lesbare Bildungsgeschichte auf hohem Niveau.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.10.2014

Hans Ulrich Gumbrecht staunt nicht schlecht, wie die "Dysphonie" der Grabenkämpfe linker Splittergruppen und die Exzesse ideologischer Orthodoxie der Siebziger bei Ulrich Raulff im Rückblick zu einer Epoche intellektueller Intensität und des "wilden" Lesens werden. Gumbrecht schiebt das auf die Distanz, die, so schreibt er, drastische Ironie vermeidet, aber auch die Vernunft historischer Interpretationen. So vorbereitet kann der Rezensent das Buch genießen, kann Raulffs Kontrastierung der Frankfurter Schule mit der intellektuellen Welt von Paris folgen, sich die Porträts von Roland Barthes und Deleuze zu Gemüte führen und sogar das herbstliche Frankfurt mit Raulff am "roten" Büchertisch mit einiger Wehmut betrachten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.10.2014

Alexander Cammann staunt ob der offensichtlichen Theorie-Euphorie, die Ulrich Raulff aus seiner Jugend in "Wiedersehen mit den Siebzigern" erinnert, als der Tod seines Lieblingsphilosophen Roland Barthes den ehemaligen Feuilletonchef der FAZ noch zum Weinen bringen und ein Gespräch über den Strukturalismus bei einem Date noch Erfolge zeitigen konnte. Gelegentlich kommen dem Rezensenten einige der Anekdoten etwas bieder vor, gesteht er, und die meisten der begeisternden Weltmodelle werden eigentlich nur genannt und dürften Uneingeweihten einige Schwierigkeiten bereiten, warnt Cammann. Nichtsdestotrotz ist diese Bilanz "von einem, der auszog, ein Intellektueller zu werden", wie es bei Raulff heiße, ein sehr lesenwertes Buch über eine Zeit, in der Denken noch erotisch war, findet der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 27.09.2014

Kein Sachbuch, kein Roman, etwas wie "creative non-fiction" also erkennt Michael Rutschky in Ulrich Raulffs Rückblick auf die Siebziger in Marburg und anderswo, wo immer gelesen wurde, vorzugsweise Foucault, Derrida, Deleuze, gegen den Existenzialismus, wie Rutschky lernt. Dass der Autor eine Geschichte des wilden Lesens geschrieben hätte, sagt Rutschky nicht, eher hat es für ihn etwas Gemütliches, wenn der Autor seinen Bildungsroman erzählt. Der Rezensent erinnert die Zeit etwas anders: WGs, Kneipen, Polizeikontrollen. Doch über die Entwicklung der Postmoderne schreibt keiner so behagllich wie Raulff, versichert er.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.09.2014

Aha, so war das, sagt sich Rezensent Stephan Speicher beim Lesen von Ulrich Raulffs Erinnerungen an die wilden 70er in Marburg und Paris. Was der laut Speicher sehr belesene Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach hier aus dem Gedächtnis erzählt, ist für Speicher keine Sozialgeschichte, sondern ein Porträt der Intellektuellenszene jener Zeit, ihres Glanzes, ihrer Protagonisten, wie Roland Barthes und Michel Foucault, denen der Autor laut Speicher kleine, feine Skizzen widmet. Vergnüglich zu lesen ist das für den Rezensenten, weil Raulff mit wenig Aufwand präzise Situationen und Charaktere zu zeichnen vermag und auch manchen tief gehenden Hieb austeilt.
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