31.10.2004. Literatur / Arabische Bücher / Erinnerungen, Biografien / Politische Bücher / Sachbücher
Die aufregendsten Politischen Bücher kommen in dieser Saison von zwei Reportern:
Literatur / Arabische Bücher / Erinnerungen, Biografien / Politische Bücher / Sachbücher Die aufregendsten
Politischen Bücher kommen in dieser Saison von
zwei Reportern:
Was für ein Stoff!
Ian Buruma hat
"Chinas Rebellen" besucht, die Dissidenten im amerikanischen Exil, in Hongkong, Singapur, Taiwan und natürlich im Mutterland. Er hat den legendären
Wei Jingshen getroffen, die Studentenführer von 1989,
Arbeitsrechtler in Schenzhen, Untergrundchristen in der tiefsten Provinz ("Jesus war Demokrat") oder Oppositionspolitiker in Hongkong und Singapur. Mutige, intelligente, wenn nicht
brillante Menschen, die einen hohen Preis zahlen mussten. Das Fatale ist nur, dass sie untereinander heillos
zerstritten sind, oft missgünstig, meist zynisch. "Manchmal fühlt sich der Beobachter versucht, all diesen Leuten die Pest an den Hals zu wünschen", bekennt der Autor freimütig, der sich diesen
"Kindern des Drachen" immer wieder mit Ehrfurcht und Skepsis genähert hat. Die
Zeit war ziemlich beeindruckt, der
Spiegel erklärt das Buch zur
Pflichtlektüre. Nur die
FAZ vermisste bei Buruma Verständnis für Chinas kulturelle Eigenart. Eine eigene Meinung bilden können Sie sich mit dieser
Nahezu ehrfürchtig wurde
"Die Befehlskette" von
Seymour Hersh aufgenommen, für das der Reporter des
New Yorker seine inzwischen legendären Berichte über
Abu Ghraib noch einmal vertieft, erweitert und dokumentiert hat, und in dem er nachweist, dass die
Carte Blanche für die Folterungen in Washington erteilt wurde. Die
FR kann Hershs gründliche Recherchen, seinen seriösen Umgang mit Quellen und Informanten nur bewundern. Für die
Zeit ist das Buch
"mit Abstand das Beste", was bislang über das Innenleben der
Regierung Bush geschrieben wurde.
Theoretisch wird es dann mit
Francis Fukuyama. In der
taz nannte Warnfried Dettling
"Staaten bauen" ein "ideenpolitisches
Ereignis ersten Ranges". Darin erklärt der amerikanische Politologe die Bildung starker Staaten zur Hauptaufgabe der internationalen Politik in diesem Jahrhundert.
Stark soll der Staat sein, aber auch
schlank: mit einer effizienten Verwaltung, einem leistungsfähigen Bildungs- und einem verlässlichen Rechtssystem. Sozialausgaben müssen natürlich reduziert werden. In der
Zeit vermutet Herfried Münkler zwar, dass der neue Trend zum Staat eher der Angst vor internationalem
Terror als dem Verlangen entspringt,
Elend und Chaos zu überwinden, gesteht ihm aber durchaus "anspruchvolle Überlegungen" zu. Die
FAZ dagegen hält für möglich, dass Fukuyama
das Rad neu erfunden hat.
Aufmerksamkeit hat auch der zweite große Konservative der USA auf sich gezogen:
Samuel Huntigton fragt in
"Who Are We?" () nach der amerikanischen Identität. Deren protestantischen, angelsächsischen Wurzeln sieht er durch eine zunehmende
Hispanisierung des Landes bedroht. Die
FAZ findet Huntingtons Überlegungen "bedeutend", allerdings auch ein wenig "verbohrt". Claus Leggewie nennt das Buch in der
Zeit ein
Manifest gegen Einwanderung, gibt aber zu, dass die von Huntington aufgezeigten Probleme tatsächlich bestehen. Positiv wurde
Gilles Kepels "Die neuen Kreuzzüge" aufgenommen. Die Zeitungen empfehlen den französischen Politologen als einen profunden Kenner der islamischen Welt. Die
FR findet in diesem Buch sehr differenziert beschrieben, wie und warum die Kluft zwischen
dem Westen und der
islamischen Welt in den neunziger Jahren immer größer wurde, als eine "moralisch-kämpferische" Politik die alte Realpolitik ablöste.
Mit dem aufreißenden
Atlantikgraben befassen sich zwei Bücher:
Timothy Garton Ash beobachtet in
"Freie Welt" () mit Sorge, wie sich Europa und die USA im Zuge des Irakkrieges voneinander entfernt haben, die
Zeit hält das Buch für hervorragend geschrieben und ebenso argumentiert. Nicht ganz überzeugt waren die Zeitungen von
Jeremy Rifkins "Europäischem Traum" (), nach dem ein friedliches, kooperatives Europa der
kulturellen Vielfalt dem
aggressiven Kapitalismus der USA überlegen sein könnte. Immerhin fühlten sich einige recht
geschmeichelt.
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