18.10.2004. Mehr als 2.500 Freundinnen und Freunde des Philosophen Jacques Derrida protestieren im Internet gegen den bösartigen Nachruf der New York Times.
Eine ungewöhnliche
Totenwache für Jacques Derrida findet derzeit auf einer
Website der University of California statt. Mehr als
2500 Freundinnen und Freunde des Philosophen - oder auch nur des fairen Umgangs mit ihm - haben dort bereits gegen den am 10. Oktober in der New York Times veröffentlichten
Nachruf auf Derrida von Jonathan Kandell
unterschrieben. Schon in der Überschrift wurde der Philosoph darin als
"abstruser Theoretiker" bezeichnet - der Text selbst zeugt in der Tat nicht von besonders intimer Kenntnis des Derridaschen Werks.
Auslöser des Protests war ein Brief des in Deutschland vor allem als Lacan-Übersetzer bekannten Philosophen
Sam Weber an die New York Times. Auf der Protestwebsite sind
weitere Briefe zu lesen, darunter
einer der Derrida-Schülerin und Gender-Theoretikerin
Judith Butler. Die Liste selbst liest sich inzwischen wie ein
who is who der internationalen Intellektuellen-Szene: von
Slavoj Zizek bis zu Literaturnobelpreisträger
JM Coetzee, von "Empire"-Koautor
Michael Hardt bis zur amerikanischen Derrida-Übersetzerin
Gayatri Spivak fehlt kaum etwas, was Rang und Namen hat.
Die
New York Times hat bisher
nur indirekt reagiert, indem sie den mit Derrida befreundeten Philosophen
Mark Taylor eine sehr viel
freundlichere Würdigung schreiben ließ, in der es heißt: "Kein Denker hat in den letzten hundert Jahren einen größeren Einfluss auf mehr Menschen auf mehr Gebiete und verschiedeneren Disziplinen ausgeübt."
Ekkehard Knörer