9punkt - Die Debattenrundschau

Was ist unser Aufgegebenes?

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
20.02.2014. Facebook kauft Whatsapp - zum Preis von 64 Washington Posts. Mark Zuckerberg hat laut Techcunch eine einfache Strategie: Er strebt drei Millarden Nutzer an. Die App macht das Handy zur Wanze, wissen Experten laut WAZ. Wenn der Majdan geräumt wird, dann sollte auch Sotschi geräumt werden, findet BHL und ruft Martin Schulz zu den Barrikaden. Der erste Band der Notizen Martin Heideggers aus der Nazizeit ist nun erschienen: ein intellektuelles Desaster, meint die FAZ. In Frankreich wird weiter über Libération gestritten.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 20.02.2014 finden Sie hier

Internet

Facebook hat den Messaging-Dienst WhatsApp für sage und schreibe 19 Milliarden Dollar gekauft. Laut Techcrunch hat Mark Zuckerberg eine einfache Strategie: "Once we get to being a service with 1 billion, 2 billion, 3 billion people, there are many clear ways that we can monetize." Techcrunch hat ein ganzes Dossier zu diesem Thema zusammengestellt. Deutsche Online-Medien berichten in ihren Aufmachern. Spiegel Online hier, Zeit online hier.

Gizmodo hat ausgerechnet, was Mark Zuckerberg stattdessen für diesen Preis hätte kaufen können: zum Beispiel 64 Washington Posts oder die Gehälter für Repräsentantenhaus und Senat für 172 Jahre.

Whatsapp steht schon länger wegen seiner laxen Datenschutzregeln in der Kritik. Am vergangenen Dienstag hat der EDV-Experte Stefan Löffelbein der WAZ genauer erläutert, welche weitreichenden Befugnisse der Nutzer diesem Dienst gewährt: "Die App kann Gespräche und Telefongespräche mitschneiden, sie kann Fotos einsehen, mit dem aktuellen Standort versehen und hochladen. Diese Daten werden, wie niederländische Behörden nachgewiesen haben, auf amerikanische Server übertragen, ohne dass man es merkt." Wer auf seinem Smartphone Whatsapp installiert, verwandelt es somit in eine "Wanze" und gibt alles zur Aufzeichnung preis, was in Hörweite des Handys geschieht - etwa "persönliche und vertrauliche Gespräche unter Freunden, in der Familie oder zwischen Ärzten und Patienten... Denken Sie z.B. auch an Beamte in Behörden oder das Mobiltelefon als Wecker auf dem Nachttisch." Irights.info hat bereits im letzten Jahr über Whatsapp und Datenschutz berichtet.

Whatsapp-Gründer Brian Acton hatte sich 2009 bei Twitter und Facebook beworben, wurde aber nicht angeheuert. Getweeted hat er seinerzeit als guter Verlierer:

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Überwachung

Gerhart Baum sieht die Welt in einer Antwort auf Martin Schulz auf dem Weg in den Weltüberwachungsstaat, hält in der FAZ aber auch fest: "Trotz aller Enthüllungen über die NSA darf man nicht vergessen, dass das Internet weltweit für die Menschen einen früher unvorstellbaren Freiheitsgewinn gebracht hat." Baum fordert von der EU (deren Kommissionspräsident Martin Schulz werden will) eine härtere Position bei Datenschutzverhandlungen mit den USA.
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Europa

Bernard-Henri Lévy ruft in der FAZ dazu auf, Sotschi mit fliegenden Fahnen zu verlassen, und hat eine Frage "an die Verantwortlichen dieses Europas, dessen Embleme und Fahnen in diesem Augenblick mit Füßen getreten werden, an Frau Ashton oder die Herren Barroso, Schulz und Konsorten: Ist ihr Platz nicht dort in Kiew, auf dem brennenden Majdan, den die Besetzer vor langer Zeit schon in Europaplatz umgetauft haben?" Das französische Original des Textes steht hier online.

In der Zeit ist das Manifest von elf französischen Ökonomen abgedruckt, in dem sie die Vereinheitlichung der Unternehmensbesteuerung und die Vergemeinschaftung der Schulden aller Euro-Ländern fordern. In diesen Schritten sehen sie "die einzige Möglichkeit für die Europäische Zentralbank, eine effiziente und so reaktionsfähige Geldpolitik wie das amerikanische Federal Reserve Board zu führen. Diese Fed hätte ja selbst große Schwierigkeiten, wenn sie jeden morgen zwischen den Schulden von Texas, Wyoming oder Kalifornien abwägen müsste. Genau das geschieht aber bei uns in Europa."
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Medien

Der Streit um Libération geht weiter. Die besitzenden Milliardäre wollen bekanntlich den Redaktionssitz - eine attraktive Immobilie nahe der Place de la République - räumen und aus dem Gebäude unter dem Schriftzug der Zeitung alles mögliche machen, unter anderem eine Brutstätte für Start ups. Gleichzeitig lassen die Besitzer Mails mit unflätigen Bemerkungen über die Journalisten der Zeitung zirkulieren, berichtet Agnès Chauveau in einem informativen Hintergrundartikel für die huffpo.fr. Die Redakeure der Zeitung reagierten am Samstag mit einer historischen Seite 1: "Wie sind eine Zeitung, kein Restaurant, kein soziales Netz, kein Kulturzentrum, keine Bar, keine Brutstätte für Startups. Die Angestellten von Libération antworten auf die Aktionäre." Inzwischen gibt es Parodien und Antworten auf diese Seite im Netz, zum Beispiel die des niederländischen Journalisten Stefan de Vries: "Wir sind im 21. Jahrhundert, oft im Restaurant, aktiv in sozialen Netzen, Nutzer von Kulturzentren, mobil, nicht archaisch, Bewunderer von Start ups - Die Leser von Libération antworten den Journalisten."


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Kulturpolitik

Stefan Koldehoff gibt Cornelius Gurlitts Anwälten, die eine Beschwerde gegen die Beschlagnahme seiner Sammlung erhoben habe, in der FAZ gute Chancen: "Die Werke.. auf der Website lostart.de ... müssten aller Wahrscheinlichkeit nach unverzüglich gelöscht werden. Und möglicherweise käme auf die beteiligten Behörden auch noch eine Schadensersatzforderung zu." In der SZ berichtet Catrin Lorch zum Thema.
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Ideen

Nun ist der erste Band von Martin Heideggers "Schwarzen Heften" mit seinen Notizen aus der Nazizeit da, und für Jürgen Kaube in der FAZ dokumentieren sie "in enormer Fülle das intellektuelle Desaster des Philosophen". Und was notiert der Mann in dem Jahr, in dem die Demokratie abgeschafft wird, die Sozialdemokraten ins Gefängnis gesteckt und die Juden drangsaliert werden? "Was ist unser Aufgegebenes? Daß der Andrang des Verborgenen ursprünglich und einfach dränge und daß die entwerfende Fügung als lang vorbereitetes Werk ergriffen werde."
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Gesellschaft

Im Zusammenhang mit der Edathy-Affäre plädiert Nina Apin in der taz für klarere Kategorien. Nicht jeder, der Kinderpornografie konsumiert, ist pädophil, und nicht jeder Pädophile ist ein Kinderschänder, argumentiert Apin: "Die Feinde der Kinder, die Missbraucher und Ausbeuter, sitzen in den Familien, sie sind Lehrer, Abgeordnete, Juristen. Und nicht ein paar bleiche, marginalisierte Pädophile, die zu Hause in ihrem Kämmerlein Schmutziges tun."

(Via huffpo.fr) Pharrell Williams' "Happy" macht uns immer noch glücklich. Hier in einer Coverversion von Pomplamoose. Außerdem ist "Get Lucky" mit drin, das Williams mit Daft Punk aufnahm. Und das Video ist ziemlich raffiniert handgemacht.

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