07.05.2014. Die Re:publica stimmt mit David Hasselhoff eine Hymne auf die Freiheit an, berichtet die Berliner Zeitung. In der NZZ antwortet Christopher Clark auf seine Kritiker. Auf Carta erfährt man, wie schwer es ist, eine kritische Veranstaltung zum Thema Rundfunkgebühren zu organisieren. In der futurezone antwortet Google-Kritiker Gerhard Reischl auf Mathias Döpfner: Nicht Google, Europa ist das Problem. Alle Zeitungen fragen: Was wird nach Cornelius Gurlitts Tod aus seiner Sammlung?
Internet, 07.05.2014
Jonas Rest
berichtet für die
Berliner Zeitung von der
Re:publica, wo sich alles um Überwachung dreht und seltsamerweise
David Hasselhoff als Botschafter für ein freies Internet auftrat: "Hasselhoff weiß, wie es sich anfühlt, wenn die Privatsphäre verletzt wird. Er erzählt, wie ein Video ins Netz gelangte, auf dem er - offensichtlich betrunken - versucht, einen
Cheeseburger zu essen. Gefilmt hatte ihn seine Tochter, deren Rechner gehackt worden sei, erzählt er - und warnt vor der Überwachung der Geheimdienste: 'Sie
knacken deine E-Mails, SMS, Fotos, alles'. Am Ende stimmt er 'Looking for Freedom' an - diesmal für die digitale Freiheit, stellt er klar."
Nicht Google ist das Problem,
Europa ist das Problem,
meint auf
futurezone.at Gerald Reischl, Autor eines frühen Google-kritischen Buchs, in einer Antwort auf Mathias Döpfner (
hier) und Soshana Zuboff (
hier): "Europa sollte lieber die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auf diesem Kontinent
Innovation möglich ist und sich erfolgreiche Unternehmen gründen können.
Nokia sollte uns eine Lehre sein, dass aus einem einstmals erfolgreichen Konzern ein wirtschaftlicher Schuppen geworden ist, der an einem anderen Großen der IT-Welt, Microsoft,
quasi verscherbelt wurde."
Kulturpolitik, 07.05.2014
Der Kunstsammler
Cornelius Gurlitt ist gestorben. Seine Kunstsammlung soll er
laut SZ einem
Verein im Ausland vermacht haben. Seine konfiszierten Bilder, die an an ihn zurückgegeben werden sollten, hat er nicht wiedergesehen. Vor seinem Tod hatte er noch angeboten, als
Raubkunst identifizierte Werke an die Erben zurück zu geben, auch wenn sie ihm mittlerweile
rechtmäßig gehörten. Diese Vereinbarung, so die
SZ in einem
zweiten Artikel, sei auch für
Gurlitts Erben verbindlich.
"Mit seinem Angebot an jüdische Nachfahren ist Gurlitt weiter gegangen als so
manches deutsche Museum, das offiziell in der Pflicht steht, seine Bestände auf Raubkunst zu durchforsten und doch lieber beide Augen zudrückt, um sich nicht von den Schätzen trennen zu müssen. Cornelius Gurlitt hat damit einen
enormen Schritt gemacht, ist Vorbild geworden",
meint Nicola Kuhn im
Tagesspiegel. In der
Welt schreibt Hans-Joachim Müller dagegen: "Es ist keine geringere Tragik, dass erst die desaströsen Beschlagnahmungen und Ermittlungen für jene Öffentlichkeit gesorgt haben, in der sich die
unerledigten Raubkunst-Akten nicht mehr so
umstandslos schließen lassen. Der Kasus Gurlitt umfasst Jahrzehnte des Schweigens und Verschweigens. Er trifft eine Gesellschaft in ihrer selbstgerechten Moral, erinnert auch die nachgeborenen Generationen an ihre historische Verantwortung. Für Vieles und Viele ist es
zu spät. Das ist die eigentliche Tragik."
Weiteres: In der
SZ fürchtet Harald Eggebrecht, dass die
Abschiebung des bayerischen Klassiksenders "
br Klassik" von seiner UKW-Frequenz ins Digitalradio die
Abwicklung der beiden Rundfunkorchester des br einleiten könnte.
Geschichte, 07.05.2014

Im
NZZ-
Interview antwortet
Christopher Clark auf seine Kritiker, die ihm vorwerfen, dass er in seinen "Schlafwandlern" nicht
den Deutschen die Hauptschuld am Ersten Weltkrieg gibt. Es komme nicht darauf an, allein ein Psychogramm deutscher Eliten zu verfassen, meint er: "Ein solches Psychogramm findet sich deshalb nicht bei mir, weil ich es
nicht für wichtig halte, um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs darzustellen. ... Im Leben zwischen den Staaten sind nicht nur die Äußerungen des 'Alldeutschen Verbandes' - eines nationalistisch-militaristischen Agitationszirkels - wichtig, sondern
die Handlungen der Staaten untereinander. Das ist bis dato viel zu kurz gekommen."
In der
FR denkt Arno Widmann in einem dreiseitigen Artikel (
hier,
hier und
hier) darüber nach, was es mit
den Plätzen auf sich hat, auf denen die jüngsten Revolutionen stattfanden. In der
Ukraine fällt ihm auf, dass der zentrale Platz nicht
Plocha irgendwas heißt, sondern
Maidan, ein persisches Wort, in dem die Ukrainer wohl "
Spuren der griechischen Agora zu erkennen glaubten. Sie wollten raus aus dem Slawischen, rein nach Europa. Ausgerechnet ein persisches Wort markiert die Rückkehr der Ukraine nach Europa. Das ist eine der hübschen Pirouetten, die die Weltgeschichte manchmal dreht. Der arabische Frühling, die Proteste in Istanbul und in Kiew nahmen ihren Ausgang nicht von den Hütten und nicht von den Palästen. Sie entwickelten ihre Wucht nicht in Kirchen und Moscheen. Sie fochten auf Plätzen, einem
Import aus Europa."
Gesellschaft, 07.05.2014
In der
Presse erklärt
Judith Butler im
Interview, dass sie Geschlechternormen nicht abschaffen, sondern erweitern will. So, wie sie es selbst erfahren hat: "Ich wurde als Teenager, mit vielleicht 15 Jahren, zu einem Psychiater geschickt, weil meine Eltern dachten, ich wäre
vielleicht homosexuell. Dieser Mann hat mich einer kurzen Analyse unterzogen und mir dann gesagt: Bei deiner Familie kannst du von Glück reden, dass du überhaupt jemanden lieben kannst! Er hat mich nicht pathologisiert, er wusste, dass menschliche Liebe
viele Formen annehmen kann."
In der
FAZ wehrt sich
Ingrid Matthäus-Maier vehement gegen eine von Gesundheitsminister Herrmann Gröhe geplante
Kriminalisierung der Sterbehilfe, "weil das Totalverbot der ärztlichen Sterbehilfe aus meiner Sicht mit dem
Grundgesetz nicht vereinbar ist. Genau so hat das Verwaltungsgericht Berlin mit rechtskräftigem Urteil vom 30. März 2012 entschieden."
Politik, 07.05.2014
BHL war in Bangladesch, dem Ort seines ersten Engagements in jungen Jahren, um eine Stele für André Malraux einzuweihen (mehr dazu
hier) und besucht den Ort der
Textilfabrik, in der vor einem Jahr
über tausend Menschen ums Leben kamen. In der
FAZ schreibt er: "Schuld sind die zynischen Eigentümer, die ausbeuterischen Fabrikanten, die Kaskaden der Subunternehmer, deren Vorarbeiter diese infamen betrügerischen Praktiken gedeckt haben. Schuld sind die kleinen und großen
Markenhersteller, die auf dem Rücken dieses
wehrlosen Subproletariats florieren und bis auf zwei Firmen keinen Cent Entschädigung an die betroffenen Familien gezahlt haben."
Medien, 07.05.2014
Wolfgang Michal wollte mit seinem Blog
Carta und zwei Kritikerinnen der
öffentlich-rechtlichen Anstalten eine Veranstaltung zum Thema "Alternative Verwendung der
Rundfunkgebühren" organisieren. Sie sollte auf der
Re:publica stattfinden, die auf die Kooperation mit der glichzeitig stattfindenden "Media Convention Berlin" verwies. Am Ende sollten aber nicht mehr die Kritikerinnen
Maren Müller und
Anna Terschüren auf dem Podium sitzen, sondern die erwünschten Gäste hießen,
schreibt Michal auf
Carta: "
Peter Voss (Ex-Intendant des SWR),
Lutz Marmor (ARD-Vorsitzender) und
Malu Dreyer (Vorsitzende der Rundfunkkommission). Einen Vertreter von
Carta hätte man als Zugeständnis mit aufs Podium gelassen. Man wolle, hieß es, das Thema '
auch gern sehr kritisch' diskutieren, 'aber lieber auf der Ebene der Entscheider.'"
Seltsam, dass diese Meldung in den Feuilletons kaum aufgenommen wurde. Wladimir Putin hat
300 Journalisten mit Ehrenmedaillen ausgezeichnet, um ihren "hohen Professionalismus und ihre Objektivität bei der Berichterstattung über die Ereignisse in der
Republik Krim" zu würdigen. Julia Smirnova
erzählt in der
Welt, wie die russische Propaganda auf der Krim funktionierte: "Alle ukrainischen Fernsehsender
wurden abgeschaltet. Russische Medien berichteten Tag für Tag über eine Machtübernahme durch Faschisten, die sich in Kiew vollzogen habe. Den Krim-Einwohnern redete man so lange ein, dass sie von der ultranationalistischen Gruppierung Rechter Sektor und anderen ukrainischen Nationalisten bedroht würden, dass sie sich
tatsächlich bedroht fühlten."
Weiteres: Auf der Medienseite der
FAZ kann der
Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks,
Martin Wagner, im Interview auch nicht erklären, warum das
neue Jugendradio des br ausgerechnet auf den UKW-Platz von
br Klassik gesetzt wird und nicht auf eine der zwei br Radiowellen mit leichtem Programm.