11.07.2014. In der FAZ sucht Etgar Keret nach einem Kompromiss im Nahostkonflikt. In der New Republic stellt Leon Krauze mit Blick auf die WM einen merkwürdigen Stimmungswandel bei sich fest. Im Guardian protestiert Google-Manager David Drummond gegen das "Recht auf Vergessen". Nicht ein amerikanischer Geheimdienstmann, sondern Hunderte sollten ausgewiesen werden, findet Zeit online. Verschiedene Repräsentanten deutscher Medien fordern politische Maßnahmen gegen Google.
Gesellschaft, 11.07.2014
Ferien! Für viele Mädchen mit muslimischem Hintergrund heißt das allerdings, dass sie zum Heiraten in die ehemalige Heimat geschickt werden. Nicht alle arrangierten Ehen sind
Zwangsheiraten, schreibt Uta Rasche in der
FAZ, aber für viele trifft es nun mal zu: "Oftmals begründen Zwangsheiraten Ehen, die von Gewalt geprägt sind und in denen sich die
Rechtlosigkeit der Frau fortsetzt, nicht selten bis in die nächste Generation. Manche Frauen flüchten sich in eine innere Emigration, werden depressiv, manche machen ihren Töchtern oder Schwiegertöchtern
das Leben zur Hölle, nur wenige brechen aus."
Ehepartner von in Deutschland lebenden Türken müssen vor der Übersiedlung
keinen Sprachtest mehr machen, das hat der
EuGH jetzt so entschieden. Gegen den Test geklagt hatte eine türkische Analphabetin, die zu ihrem in Deutschland lebenden Ehemann ziehen wollte. In der
taz ist Christian Rath mit der Entscheidung
zufrieden: "Die Sprachtests sind vor allem ein innenpolitisches Symbol. Es soll zeigen, dass man von Einwanderern
etwas verlangt. Ob das nun sinnvoll ist oder nicht, darauf kommt es der Regierung gar nicht an. ... Viel einfacher ist es, Deutsch dort zu lernen, wo Deutsch gesprochen wird."
Im
Tagesspiegel bewertet Andrea Dernbach das EuGH-Urteil als
verdiente Ohrfeige für die Bundesregierung: "Da es im Urteil um die Niederlassungsfreiheit ging, die für türkische Staatsbürger nicht weiter eingeschränkt werden durfte, blamiert es auch die
hohle Rhetorik der sieben Jahre alten Vorschrift zum Sprachtest, Bingo, genau das war ihre Absicht: den
Zuzug zu begrenzen. Und nicht die Verhinderung von Zwangsehen, wie heuchlerisch behauptet wurde. Wenn es darum wirklich gegangen wäre, hätte der Gesetzgeber den Sprachkurs nicht vor die deutschen Grenzen gelegt, sondern hier ermöglicht."
Einen seltsamen Stimmungswandel stellt Leon Krauze (der Sohn der großen mexikanischen Intellektuellen Enrique Krauze) in einem
Artikel für die
New Republic bei sich fest. "Und dann warfen sie mal wieder meine geliebten Franzosen aus dem Turnier. Oh wie ich sie hasste
mit ihren Hundenamen: Rummenigge, Littbarski, Briegel, Augenthaler. Ja, vor dreißig Jahren feierte ich
Argentiniens Triumph im Azteca-Stadion, als wäre er mein eigener, völlig unfassbar, dass ich eines Tages doch eher
für die Deutschen sein würde..."
Medien, 11.07.2014
Der Rundfunkmann Wolfgang Hagen
plädiert in
epd Medien für eine radikale Reform der
öffentlich-rechtlichen Sender, die für ihn durch eine Zerschlagung aller Monopole von
Google auf europäischer Ebene und durch eine Neuformulierung des
Artikels 5 des Grundgesetzes angestoßen werden sollte: "Artikel 5 regelt die Meinungsfreiheit aktiv. Objektiv gesehen ist diese staatlich gewährleistete Pressefreiheit gewiss ein hoher "Public Value". Medienfreiheit ist von unverzichtbarem Wert, wenn man an einem europäischen Modell von Gesellschaft festhalten will. Obsolet geworden allerdings ist die Beschränkung dieses Wertes auf eine objektivrechtliche Gewährleistung von Rundfunk in
behördenähnlicher Form."
Außerdem: In der
FAZ beklagt sich die Social-Media-Redakteurin Andrea Diener über
unflätige Kommentare im Internet.
Europa, 11.07.2014

Wie eine alte Fabrik in
Donezk die politisch angespannte Situation in der
Ukraine spiegelt,
erfährt Holgen Christmann im
Welt-Interview mit Luba Michailova, die dort das
Kulturzentrum Izolyatsia gründete. Seit Beginn habe sie mit Anfeindungen zu kämpfen, die
Besetzung durch pro-russische Milizen sei nur der vorhersehbare Höhepunkt: "Sie brauchen unsere Bunker. Was humanitäre Hilfe aus Russland bedeutet, kann ich nur vermuten. Ich denke, sie lagern dort Waffen. Die Tschetschenen nutzen das Gelände inzwischen als ihr Hauptquartier. Über das langfristige Ziel kann ich nur spekulieren. Roman Ljagin sagt, Donezk sei der Prototyp einer Stadt, die
einen russischen Korridor zur Krim herstellen soll. Was wir erleben, ist eine
schleichende Besatzung."
(Lushes Hunt hat das Kulturzentrum von Izolyatsia in besseren Tagen fotografiert und das Bild unter CC-Lizenz bei Flickr eingestellt.)Überwachung, 11.07.2014
Nur zwei Aspekte der
NSA-Affäre haben zu Konsequenzen geführt: das abgehörte
Handy der Kanzlerin und die Spionage in Bundestag und Verteidigungsministerium, zum flächendeckenden Abhören der Bevölkerung sagt die Regierung dagegen nichts,
wundert sich Kai Biermann bei
zeit.de. "Als Konsequenz wird ein CIA-Vertreter deswegen zur Ausreise aufgefordert.
Ein Diplomat. Dabei sollten Hunderte NSA-Mitarbeiter des Landes verwiesen werden. Gibt es deswegen wenigstens wütende Telefonate? Oder sonst irgendeine Konsequenz? Nein, im Gegenteil."
In der
SZ warnt Jörg Häntzschel vor den immer perfekteren
Gesichtserkennungstechnologien: "Dass wir
im Internet nie wieder unerkannt unterwegs sein werden, damit haben wir uns fast abgefunden. Werden die Daten aber mit unserem Gesicht verbunden, verlieren wir unsere Anonymität
auch offline: auf der Straße, beim Einkaufen, am Flughafen, im Fußballstadion."
Internet, 11.07.2014
Der Google-Manager David Drummond
protestiert im
Guardian gegen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das die Suchmaschine zwingt,
Suchergebnisse zu löschen, wenn sie bestimmten Personen nicht genehm sind. "Der
Guardian könnte einen Artikel über eine Person haben, der absolut legal ist, aber wir wären rechtlich verpflichtet, in unseren Suchergebnissen Links zu diesem Artikel nicht zu zeigen. Es ist so, als würde man sagen, ein Buch darf in einer Bibliothek stehen, aber es darf
im Katalog nicht verzeichnet werden. Aus diesem Grund sind wir mit diesem Urteil nicht einverstanden." Auf deutsch erschien der Artikel in der
FAZ. In der
FAZ wird auch gemeldet, dass Google
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in einen "Löschbeirat" einlädt, um die Triftigkeit von Löschanfragen zu beurteilen.
Außerdem in der
FAZ: Michael Hanfeld fordert im Aufmacher des Feuilletons eine "positive Regulierung" der von Google (aber auch Facebook und Amazon) beherrschten Märkte und stellt
erste Tendenzen zum Einknicken bei deutschen Politikern fest.
Politik, 11.07.2014
Der israelische Schriftsteller
Etgar Keret mahnt in der
FAZ, "
dieses lähmende Wort "
Frieden", das seit langem schon auf der politischen Linken wie Rechten eine transzendente und messianische Bedeutung angenommen hat, nicht mehr zu benutzen und es unverzüglich durch das Wort "
Kompromiss" zu ersetzen. Dieses Wort mag weniger Begeisterung auslösen, aber wenigstens erinnert es uns, sobald wir es benutzen, unabweisbar daran, dass die so ersehnte Lösung nicht in unseren Gebeten zu Gott zu finden ist, sondern in unserem beharrlichen Festhalten an einem aufreibenden und keineswegs immer vollkommenen Dialog mit der anderen Seite."
Auf der
Achse des Guten macht der Publizist
Gunnar Heinsohn die deutschen Medien darauf aufmerksam, dass ihre Kritik an Israel immer
zwei Tage nach der Selbstkritik in Israel kommt: "Während die arabischen Nachbarn über die drei im Juni 2014 ermordeten jüdischen Jungen jubilieren, ihre Medien
höhnische Karikaturen veröffentlichen und nach mehr verlangen, gibt es auf jüdischer Seite für den aus Rache verbrannten arabischen Jungen Scham und Entsetzen. Selbst der Siedlerminister Bennett geißelt den Mord als allem Jüdischen widersprechende Tat."