06.10.2014. Die Basler Zeitung zeichnet das Psychogramm der FAZ, die einst fast soviele Auslandskorrespondenten hatte wie die NZZ. Die FAS deckt ein großes Problem der Kirchen auf: Wohin mit all dem Geld? In der Welt attackiert Hamed Abdel-Samad die Islamverbände. Der Guardian erklärt, warum Separatismus rational sein kann. Und Miriam Meckels Burn Out wird jetzt verfilmt. Und aktualisiert: Bertelsmann übernimmt Gruner und Jahr vollständig.
Religion, 06.10.2014
Mit dem ihm eigenen Furor
erklärt Hamed Abdel-Samad in der
Welt die Friedfertigkeit der Mehrheit der Muslime zu einer reinen Mär und sieht die
Islamverbände als Teil des Problems, nicht der Lösung: "Genau diese Verbände bieten sich als Partner des Staates für Integration und Kampf gegen die Radikalisierung an. Dabei sind sie die letzten, die daran Interesse haben, dass Muslime sich in die deutsche Gesellschaft integrieren. Denn
sie leben von der Kluft, die zwischen Muslimen und Andersgläubigen bzw. Nichtgläubigen immer größer wird. Genau in dieser Kluft liegt ihre
Existenzberechtigung und ihr Angebot an die Muslime - vom Halal-Fleisch bis hin zum Islamic Banking."
Neulich porträtierte die
SZ einen deutschen Kämpfer der IS-Bande (unser
Resümee), heute ein
ähnliches Porträt eines Franzosen aus Toulouse mit dem Kampfnamen Abu Mariam, in
Slate.fr: "Für ihn ist der syrischer Konflikt kein Krieg, sondern ein Mittel, seinen Glauben und seine
islamische Ergebenheit zu erproben. Der Dschihad ist der äußerste und reinigende Ausdruck des Glaubens, seine Apotheose sind das Martyrium und die himmlische Belohnung. "Ich bin nur ein Glied in der Kette der islamischen Eroberung, erklärt Abu Mariam, "und ich kann es kaum erwarten, um Allahs willen
das Paradies zu erreichen. Wir Muslime sind dem Paradies versprochen, denn wir haben das Wort Allahs gehört. Der Islam ist wirklich eine
außergewöhnliche Religion."
Die
deutschen Kirchen haben zwar immer weniger Mitglieder, aber sie wissen bald nicht mehr,
wohin mit ihrem Geld, berichtet Markus Günther im gestrigen Aufmacher der
Sonntags-FAZ. Grund ist, dass die Kirchensteuer prozentual an Aufkommen der Lohn-, Einkommen- und Kapitalertragsteuern gebunden ist, die im Moment sprudeln. Besonders stark profitiert etwa das Bistum Münster: "In Münster werden vor allem Rückstellungen für die Ruhestandsbezüge der Priester und kirchlichen Mitarbeiter gebildet. In vielen anderen Bistümern wird auch
massiv in Immobilien investiert. Damit Mieteinnahmen eines Tages ausgleichen können, was an Steuereinnahmen fehlen wird." Schön ist, dass das Geld nicht mehr für
überflüssiges Gepränge eingesetzt werden muss: "Die stark steigenden Kirchensteuereinnahmen stehen schon jetzt in einem krassen Missverhältnis zum kirchlichen Leben. Auf katholischer Seite sind praktisch alle Sakramente rückläufig: Eucharistiefeier, Taufe, Firmung, Beichte und Ehe sind immer weniger gefragt."
Weiteres: In der heutigen
FAZ widerspricht
Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der EKD, einem Artikel
Friedrich Wilhelm Grafs (unser
Resümee), der den Ursprung der
religiösen Gewalt in der Religion vermutete.
Politik, 06.10.2014
Hongkongs Studenten haben den Drohungen der Obrigkeit nachgegeben und die
Barrikaden in der Innenstadt geräumt. Doch einige Demonstranten harren weiter aus. Felix Lee
erklärt in der
FR noch einmal, warum eigentlich nur die Jungen gegen Pekings Autoritarismus aufbegehren: "Viele der heute über 50-jährigen Hongkonger waren einst vom Festland nach Hongkong geflüchtet, um
dem Elend zu entfliehen, das die ideologischen Kampagnen des Staatsgründers Mao Zedong auf dem Festland angerichtet hatten. Die Flucht der Menschen hatte zwar auch politische Gründe. Doch die meisten flohen aufgrund der extremen Armut. Dieses China kennen die jungen Hongkonger nur aus Erzählungen. Und auch das Hongkong unter britischer Verwaltung haben die meisten nicht mehr miterlebt... Die jungen Hongkonger, von denen viele auch westliche Demokratien kennengelernt haben, sorgen sich um die politische Zukunft ihrer Stadt.
Sie fürchten sich vor Peking."
Internet, 06.10.2014
Johannes Boie beschreibt in der SZ, wie die Algorithmen von Facebook den Konformismus fördern beziehungsweise fordern: "Meinungen verstärken sich: Wer konservativ ist, bekommt mehr Konservatismus. Und wer Facebook hasst, erhält mehr Kritik an Facebook. Denn die Zensur erfolgt nicht inhaltlich, sondern individuell. Das macht sie so perfide. Kritik an dem, was schon da ist, wird abgestraft. Duckmäusertum ist hier klüger als Widerspruch."
Weiteres: In ihrer FAZ-Kolumne wendet sich Constanze Kurz gegen "disruptive" Unternehmen wir Uber oder Airbnb, die bewährte Geschäftsmodelle in Gefahr bringen.
Medien, 06.10.2014
Ein ausführliches Psychogramm der
FAZ in der Krise
liefert Hansjörg Müller in der
Basler Zeitung und rückt neben allen Reminiszenzen die Verhältnisse gerade: "Über mehr als
40 Auslandskorrespondenten verfügte die
FAZ zu ihren besten Zeiten, das war mehr als die New York Times je hatte und
kaum weniger als die NZZ. Aus großen Hauptstädten wie London, Paris oder Rom berichteten jeweils drei Journalisten, einer über Politik, ein zweiter über Wirtschaft, ein dritter für das Feuilleton. Diese Zeiten sind vorbei."
(
Via Turi2)
Miriam Meckel, neue Chefredakteurin der
Wirtschaftswoche mit besten Beziehungen zur ARD, lässt das ZDF aus ihrem
Burnout ein Melodram machen,
meldet das
Hamburger Abendblatt, etwas peinlich berührt: "In der Sendungsankündigung heißt es: "Schmerzhaft hat sie
als kleines Mädchen die
liebevolle Zuwendung ihrer Mutter vermisst, die auch heute noch - todkrank - ihrer Tochter gegenüber keine Gefühle zulässt. Zwischen gewöhnungsbedürftigen Gruppentherapien, Schlafentzug und bröckelnder Distanz zu ihren Mitmenschen beginnt Toni, sich wieder selbst zu spüren.""
(Via
@hemartin) Und ganz aktuell:
Bertelsmann übernimmt die Sperrminorität der Jahr-Familie und hält
Gruner und Jahr somit vollständig. Mehr in einer
Pressemitteilung des Konzerns: "Bertelsmann Chairman & CEO
Thomas Rabe said: "The full acquisition of Gruner + Jahr is a strategic milestone in strengthening our core. Gruner + Jahr has been majority-owned by Bertelsmann for decades and is an
important part of our content businesses. We fully support the
transformation of Gruner + Jahr initiated by the Gruner + Jahr Executive Board, and will continue to provide the necessary funds in future.""
Überwachung, 06.10.2014
Nach neuen
Enthüllungen der
SZ über das Eikonal-Programm von
BND und
NSA, in dessen Rahmen er BND nach Anzapfung eines Frankfurter Internetknotens auch "nebenbei" deutsche Daten an die NSA lieferte,
stellt Lawblogger Thomas Stadler klar: "Der BND darf nach dem § 5 G10-Gesetz nur internationale Telekommunikation überwachen. Das bedeutet, dass sich mindestens ein Kommunikationsteilnehmer im Ausland aufhalten muss. Reine Inlandskommunikation darf der BND nach dem Gesetz
erst gar nicht erfassen. Es kommt also überhaupt nicht darauf an, ob ein Kommunikationsteilnehmer deutscher Staatsbürger ist... Vor diesem
rechtlichen Hintergrund ist bereits die Überwachung eines inländischen Internetknotenpunkts durch den BND von vornherein unzulässig."
Gute Nachrichten für die Freunde der Totalüberwachung
hat Hanno Böck auf
Zeit Online:
Quantencomputer könnten schon in fünfzehn Jahren Realität sein: "Für die
Kryptografie würden Quantencomputer bedeuten, dass alle gängigen Verfahren aus der Public-Key-Kryptografie gebrochen werden könnten. Algorithmen wie RSA, DSA oder auch Verfahren auf Basis elliptischer Kurven wären nicht mehr sicher."
Europa, 06.10.2014
Paul Mason
analysiert im
Guardian Parallelen (aber auch Unterschiede) zwischen den
schottischen und den
katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen: "Wie in Schottland geht es in Katalonien um mehr als Nationalismus. Die Unabhängigkeitsbewegungen kleiner Regionen werden von dem Versagen der großen Staaten in der
Wirtschaftskrise befeuert. Wo nationale Politik in einem strikten Austeritätskonsens blockiert ist und wo die alten Sozialistischen Parteien richtungslos aussehen, ist es
rational, den Widerstand durch die Kanäle des Separatismus und der Autonomie zu leiten."