Einer der Kouache-Brüder soll von Al-Qaida trainiert wordenen sein, berichtet die
Huffpo.fr mit
AFP (
mehr auch bei
Spiegel Online): "Auf Frage von
CNN hat Justizministerin
Christiane Taubira bestätigt, dass sich einer der beiden Brüder zweimal in den Jemen begeben hat. Said sei durch ein Mitglied von Al-Qaida
an Waffen trainiert worden, bevor er nach Frankreich zurückgekommen sei, präzisiert ein amerikanischer Offizieller, der damit eine
Information der
New York Times bestätigt."
Le Monde zeigt unterdessen eine alte Fernsehreportage, in der einer der beiden Kouachi-Brüder als reuiger Sünder präsentiert wird und
rappt und tanzt, mehr
hier.
EinschätzungenJa, die Muslime sollten sich schon regen,
findet Bernard-Henri Lévy in einem Text aus
Le Monde (wir übernehmen die Übersetzung der heutigen
FAZ, die den Text nachdruckt): "Die Muslime Frankreichs sind es nicht leid, sich zu rechtfertigen, wie allzu oft behauptet wird: Sie sind - und auch dies ist das genaue Gegenteil - dazu aufgerufen,
ihre konkrete Brüderlichkeit mit ihren massakrierten Mitbürgern zum Ausdruck zu bringen und dadurch ein für alle Mal die Lüge einer geistigen Gemeinschaft zwischen ihrem Glauben und dem der Mörder auszurotten." Allerdings haben die muslimischen Verbände einhellig das Attentat verurteilt,
berichtete schon gestern die
taz.
Tahar Ben Jelloun nennt das Attentat in
Le Monde einen Anschlag auf "jene Institutionen und Gesetze, die einen
republikanischen Islam möglich machen". Und "es ist ein Krieg gegen die Freiheit zu schreiben, zu zeichnen und gegen künstlerische Arbeit. Ein gesichtsloser Krieg gegen Säkularismus, Satire, Humor, Spott und ätzende und fruchtbare Kritik. Sie hätten auch
Voltaire,
Montaigne und
Rabelais ausgraben und ihre Werke in Brand stecken können."
Die reformistische Muslimin
Irshad Manji zeigt in ihrem Blog im
Spectator unter Aufbietung einer Menge Koran-Verse, dass der Islam sehr wohl fähig ist, sich mit
verschiedenen Weltsichten zu arrangieren, und sie weist auf die fatale Dialektik der Auseinandersetzung hin, wenn sie als ein Kampf der Kulturen aufgefasst wird: "Islamophobie existiert, und es macht mich wütend, wenn jemand, der den Islam eigentlich von der Karte wischen will, glaubt, er helfe damit den Reform-Muslimen. Das tut er nicht. Wenn sie den Islam in denselben dogmatischen Begriffen beschreiben, wie extremistische Muslime es tun, dann geben die Islamophoben den Extremisten
die Autorität, über den Islam zu entscheiden."
Nach erstem Entsetzen tritt in Frankreich wieder die
ungute politische Stimmung zutage, die schon zuvor herrschte: "Dieses Attentat hat die
dreckige Fresse von Renaud Camus, Eric Zemmour und Marine Le Pen",
schreibt in einem Gastkommentar der Anwalt Nicolas Garderes in
Libération: Das Attentat sei zugleich "extrem verstörend und zutiefst erwartet, angekündigt, retrospektiv voraussgesagt. Er ist die enorme Gelegenheit, auf die das kommende Paradigma wartete,
das des Hasses."
Islam und radikaler IslamDer
Islam hat nichts mit dem
radikalen Islam zu tun? Dieser Unsinn muss endlich aufhören,
fordert Ayaan Hirsi Ali in der
Welt: "Wir können nicht länger so tun, als sei es möglich, die Taten zu trennen von den Idealen, die sie inspiriert haben. Das muss der Ausgangspunkt sein für den Westen, der auf die dschihadistische Gewalt
zu oft mit Appeasement geantwortet hat. Wir beschwichtigen die muslimischen Regierungschefs, die uns drängen, unsere
Presse zu zensieren, unsere Universitäten, unsere Geschichtsbücher, unsere Lehrpläne. Sie bedrängen uns, und
wir machen das mit. ... Und was bekommen wir dafür? Kalaschnikows im Herzen von Paris. Je mehr wir mitmachen, je mehr wir uns selbst zensieren, je mehr wir beschwichtigen,
desto dreister wird der Feind."
In einem Kommentar für
USA Today gibt ihr der in Britannien lebende, islamische Extremist
Anjem Choudary hundertprozentig Recht: "Im Gegensatz zu einem populären Irrglauben bedeutet Islam nicht Frieden, sondern Unterwerfung einzig unter die Gebote Allahs. Daher glauben Muslime nicht an das Konzept der freien Meinungsäußerung. Ihr Reden und Handeln werden von der göttlichen Offenbarung bestimmt, nicht von den Wünschen der Menschen."
Daniel Cohn Bendit meint dagegen im Interview mit der
Welt: "Der Anschlag ist
eine Falle, in die wir nicht gehen dürfen, indem wir Islam und Terrorismus gleichsetzten.
Die NSU, das sind ja auch nicht die Deutschen."
In der
taz wehrt sich Deniz Yücel gegen alle Versuche der "Spackos" von links, rechts oder muslimischer Seite, die
Toten für sich zu vereinnahmen: "Es sind nicht alle Katzen grau. So wie Pegida eben kein gesamtdeutsches, sondern ein ostdeutsches Phänomen ist. Aber, auch diese Differenzierung muss sein,
rassistische Dumpfbacken sind nicht dasselbe wie
kaltblütige Killer. Die Entsprechung der Mörder von Paris ist nicht Pegida, sondern Anders Behring Breivik. Doch faschistische Killer entstehen in einem geistig-politischen Umfeld, das Mord und Terror zwar ehrlich verurteilt, aber
grundlegende Ansichten und Gefühlslagen mit den Mördern teilt."
Die Frage der BilderAnders als noch bei den dänischen Karikaturen haben
fast alle deutschen Zeitungen Mohammed-Karikaturen von
Charlie Hebdo gezeigt, teilweise sogar auf ihrer Titelseite (
mehr dazu hier). Die
FAZ hat heute in ihrem Feuilleton sogar
eigene Mohammed-Karikaturen von deutschen Zeichnern. Andreas Platthaus erzählt dazu die Geschichte der französischen Karikatur, die er am 14. November 1831 beginnen lässt, als mit Charles Philipon erstmals ein Zeichner wegen Majestätsbeleidung vor Gericht stand: "Nun wird es darauf ankommen, dass
diese Linie nicht abbricht."
Nur
zwei deutsche Zeitungen verzichten auf den Abdruck der Karikaturen:
Zeit online und die
Süddeutsche. Auf
Zeit online schildert Chefredakteur
Jochen Wegner die etwas exponierte Situation seiner Redaktion, die ebenerdig zur Straße hin in einem
gläsernen Kasten sitzt. Außerdem haben ihm die Zeichnungen eh nie gefallen: "Wir beschlossen auch, nicht gleich
das Naheliegende zu tun und mit zweifellos ehrenvoller Solidaritätsgeste sofort eine umfassende Sammlung von Karikaturen zu publizieren, die wir vor den grauenhaften Anschlägen
nicht gut gefunden hätten. Dafür kritisieren uns viele Leser scharf und wir diskutieren dies weiter in der Print- und Onlineredaktion." Auch die
SZ veröffentlicht keine Karikaturen, obwohl Chefredakteur
Kurt Kister in einem
Kommentar erklärt, "dass wir alle nur leben können, wenn wir gemeinsam das
großartige Recht auf die Freiheit der Meinung verteidigen".

Das Pariser Attentat bringt auch einige gravierende Unterschiede zwischen
Frankreich und den
angelsächsischen Ländern zutage, die zwar stolz sind auf ihre Meinungsfreiheit, aber nicht, wenn es um die verschiedenen Versionen des lieben Gottes geht. Viele Zeichungen aus
Charlie Hebdo werden
nur verpixelt gezeigt. Nur drei amerikanische Medien veröffentlichten die Zeichnungen:
The Daily Beast, die
Washington Post und
Slate,
berichtet die
Welt: "Die
New York Times, das
Wall Street Journal,
Reuters und
Associated Press hingegen verzichteten darauf, die Bilder zu zeigen, die nach allem, was man weiß, der Grund für das Massaker waren. Ihren Entschluss begründeten sie damit, dass man durch eine solche Veröffentlichung Gefahr laufe,
religiöse Gefühle zu verletzen. "Nach sorgfältigen Überlegungen haben die Herausgeber der
Times beschlossen, dass eine
Beschreibung der Karikaturen ihre Leser ausreichend informieren würde", erklärte die Sprecherin der
New York Times Company, Danielle Rhoades Ha, in einer E-Mail."
Claire Levenson
zeichnet bei
Slate.fr die Debatte amerikanischer Kollegen über das Recht auf Blasphemie nach. Kurioserweise sei es gerade ein konservativer Kolumnst der
New York Times, Ross Douthat, der die deutlichsten Worte zu ihrer Verteidigung findet, notiert sie, und zitiert aus seinem
Artikel: "Wenn eine einigermaßen große Gruppe
dich umbringen will, weil du etwas gesagt hast, dann muss es wohl etwas gewesen sein, das gesagt werden musste, denn sonst hätten die Gewalttätigen eine Vetomacht über die freie Zivilsation."
Le Monde präsentiert hier einige Beispiele
verpixelter Karikaturen aus
CNN und anderen Medien. (Das Foto aus
Mediaite ist ein Screenshot aus den
New York Daily News, mehr
hier.)
Ähnlich
schreibt Jonathan Chait im
NYmag: "The
right to blaspheme religion is one of the most elemental exercises of political liberalism. One cannot defend the right without defending the practice."
Auch in
Britannien werden die Mohammed-Karikaturen nicht gezeigt,
meldet der
Standard: "
Keine einzige der großen Londoner Zeitungen nahm die
Charlie Hebdo-Karikaturen auf die Titelseite. Das
Risiko sei "
zu hoch", teilte der Chefredakteur des
Independent, Amol Rajan, mit. ... Das Einknicken, so der einflussreiche Kolumnist David Aaronovitch, habe Tradition. Auch als es 2006 um die kruden Mohammed-Karikaturen in
Jyllands Posten ging, bildeten britische Presse und Politik eine fast beängstigende
Einheitsfront in Beschwichtigung."
Ja, die Demokratie
braucht Blasphemie, denn sie stellt Dogmen in Frage,
meint auch Markus Becker bei
Spiegel Online: "Zur Erinnerung: Wenn von westlichen Werten die Rede ist, spielen sich die
christlichen Kirchen gern als deren Geburtshelfer auf. Doch das Gegenteil ist der Fall. Jene Werte der Aufklärung, auf die sich auch Deutsche heute gern berufen - Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung - wurden nicht von den Kirchen, sondern meist
gegen sie durchgesetzt."
Die deutschen KarikaturistenDie Karikaturisten
Greser & Lenz erklären im
FAZ-Interview, warum sie
niemals Mohammed zeichnen würden: "Es gibt keinen Gottesbeweis und keinen für seine Nichtexistenz. Die Leute sollen sich selbst verhalten. Wir wollen ja auch keinem Kind den Glauben an den Weihnachtsmann oder den
Osterhasen nehmen."
Im
Standard sieht Georg Haderer das ganz anders: "Wenn die Aufklärer vor 250 Jahren solche Grenzen akzeptiert hätten, würden bei uns
noch heute die Scheiterhaufen brennen. Satire darf alles; es ist ganz klar, dass wir immer aufgefordert sind, diese Grenzen neu zu definieren. ... Ich erwarte, dass die Zeichnungen von
Charlie Hebdo auf den Titelseiten der Zeitungen auftauchen."
Weitere Interviews gibt es mit den Karikaturisten
Klaus Stuttmann (
Tagesspiegel),
Heiko Sakurai (
Berliner Zeitung) und
Emmanuel Letouzé (
SZ).