24.03.2015. Libération porträtiert den Blogger Waleed Al-Husseini und erzählt von der Schwierigkeit, sich als Araber, aber nicht mehr als Muslim zu bekennen. In der SZ erklärt Rüdiger Safranski, was von Heidegger trotz allem bleibt. Im Standard erfahren wir von Barbara Frischmuth: Der andere kann eigentlich nur eine Pflanze sein. Der FR graut vorm Schrumpfen der Bevölkerung. Die Süddeutsche kommt in ganz neuem Gewand und stellt auch die bisher nicht zugänglichen Zeitungsartikel ins Netz, macht sie aber zahlbar.
Europa, 24.03.2015
Gar nicht satirisch liest sich der
Artikel des Satirikers
Wladimir Woinowitsch über die
Resowjetisierung Russlands unter Wladimir Putin im politischen Teil der
SZ: "Die russische Gesellschaft befindet sich im
Kalten Bürgerkrieg, aufgeheizt durch die Übernahme der Krim und den Krieg im Donbass. Der Konflikt zwischen dem Regime, seinen Anhängern und seinen Kritikern hat sich verschärft. Die Atmosphäre des Hasses spitzt sich zu... In dieser Atmosphäre fürchten viele Regimekritiker
um ihr Leben und, wie der Mord an Boris Nemzow gezeigt hat, zu Recht."
Weiteres: Ebenfalls in der
SZ beklagt Joseph Hanimann, dass man in den französischen Debatten über das
Freihandelsabkommen TTIP die Rechte und die Linke kaum noch unterscheiden könne. Jürg Altwegg skizziert in der
FAZ die
Kulturkämpfe, in die sich Frankreichs politische Lager
im Wahlkampf verbissen hatten. Joseph Croitoru schildert ebenfalls in der
FAZ, wie unzufrieden Polen und Rumänien mit der deutschen Ukraine-Politik sind.
Gesellschaft, 24.03.2015
Zurückgehaltene Beweisstücke, heimlich aufgezeichnete Geständnisse - Andrea Köhler
erzählt die irrwitzige Geschichte des mutmaßlichen Dreifachmörders und Millionenerben
Robert Durst, über den
HBO eine Doku gedreht hat und ihn in der letzten Episode möglicherweise überführt. In den Nebenrollen: "Seine schöne junge Ehefrau Kathie, ein "nicht standesgemäßes" Mädchen, das, nachdem die Ehe zunehmend in die Brüche gegangen war, 1982 unter mysteriösen Umständen auf Nimmerwiedersehen verschwand. Susan Berman, die Tochter eines
Las-Vegas-Gangsters, die seit dem College mit Robert Durst eng befreundet war und im Jahr 2000 als Zeugin der Anklage mit einer Kugel im Kopf in ihrem Apartment in Beverly Hills gefunden wurde. Und schließlich der säuberlich
mit einer Säge zerteilte und in Plasticsäcken entsorgte Nachbar in Galveston, Texas."
Im
Guardian sieht Finn Mackay immer noch gute Gründe für den britischen Feminismus: "Westminster politics, for example, is nearly 80% male, and overwhelmingly white; we are still waiting for a government that looks like the people it dares to govern."
Die
schrumpfende Bevölkerung und eine zunehmende Konzentration auf wenige Städten wie München, Hamburg und Frankfurt bereitet Arno Widmann in der
FR echtes Gruseln: "Die prognostizierten Bevölkerungsentwicklungen eröffnen ganz andere Aussichten.
Berlin wird
wie ein Raumschiff in einer entvölkerten Landschaft liegen. Die Politik wird nicht in einer Polis gemacht werden, sondern in einem von ihr selbst geschaffenen und genährten Reservat. Es bedarf keiner Mauer mehr, um die gated community der Politik abzuschirmen. Es wird um sie herum
eine Wüste entstanden sein, die ihr jede Kommunikation mit der Außenwelt abnimmt."
Religion, 24.03.2015
Sandrine Dionys
porträtiert in
Libération den
Blogger und
Buchautor Waleed Al-Husseini, der von den palästinensischen Behörden in Westjordanland zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er seinen
Atheismus bekannte, und der es zum Glück ins franzöische Exil geschafft hat: "Als er an der Uni im Westjordanland seinen Freunden seinen Verzicht auf den Glauben mitteilte, wurde die Nachricht sehr schlecht aufgenommen. Sich als Araber, aber nicht mehr als Muslim zu bekennen, ist heute ein
Tabu in Palästina, sehr viel schwieriger als noch in den sechziger oder siebziger Jahren."
Weiteres: Bei
3quarksdaily erzählt Mandy de Waal, dass die Schriftstellerin
Zainub Priya Dala bei einem Literaturfestival in Durban von einigen Männern mit einem Messer bedroht und mit einem
Ziegelstein geschlagen wurde, während man sie als "
Rushdie"s Bitch" beschimpfte.
Medien, 24.03.2015
Die
SZ erscheint in neuem Gewand mit einer
Paywall nach Metered Model. Auch die Artikel der Zeitung sind im Netz verlinkt. Anders als die
Welt, die zwar alle Artikel der Zeitung ins Netz stellt, aber kein Inhaltsverzeichnis dazu liefert, führt die neue
SZ nun
alle Zeitungsartikel auf - vielleicht auch, damit sie von Google gefunden werden können und Klicks bringen. Die
SZ lässt auf ihrer
Erklärseite allerdings offen,
wieviele Artikel man lesen darf, ohne dass man zum Bezahlen des einzelnen Artikels oder eines Abos aufgefordert wird. Wir selbst haben es heute ausprobiert und bereits nach dem ersten Zeitungsartikel eine Aufforderung bekommen, ein kostenloses Probeabo für zwei Wochen abzuschließen.
Laut Meedia werden aber zehn Artikel monatlich freigegeben.
SZ-Online-Chef
Stefan Plöchinger veröffentlicht auf seinem Blog eine programmatische Rede, in der er ausführlicher erzählt, was die
SZ mit ihrem neuen Modell bezweckt.
(Via
turi2) Das auch
Spiegel Online eine Bezahlschranke einführen will, haben wir gestern bereits gemeldet. Im Interview mit Alexander Josefowicz und Maike Schiller vom
Hamburger Abendblatt erklären Spiegel-Chefredakteure Klaus Brinkbäumer und Florian Harms wie das funktionieren soll, ohne konkret zu werden: "In der Online-Welt funktioniert es .. nicht, von heute auf morgen ein Rollo herunterzulassen und dem Leser zu befehlen: So, das musst du ab jetzt bezahlen. Man muss Bezahlangebote
smarter konzipieren: Mit welchen Produkten können wir die spezifischen Bedürfnisse von unterschiedlichen Zielgruppen passgenau bedienen, einen echten Mehrwert bieten?"
Michael Hanfeld empfiehlt das
Helmut-Kohl-Interview heute in der ARD, schon wegen der Spitze gegen Helmut Schmidt, der bekanntlich
Menschen mit Visionen zum Arzt schickte: Die "sogenannten Realisten" seien die "Dummköpfe vor der Geschichte" gewesen. Tobias Bühlmann
schreibt in der
NZZ über den wachsenden Erfolg neuer
Podcast-Formate in den USA.
Kulturpolitik, 24.03.2015
Götz Aly
widerspricht in der
Berliner Zeitung Harald Jähners Befürchtung (
von gestern), die Berlin-Ausstellung im Humboldtforum werde einem "
poppig daherkommenden Wilhelminismus" Vorschub leisten. Tatsächlich "soll und sollte Berlin endlich zur eigenen Geschichte zurückfinden. Früher hieß das entsprechende Fach in der Schule
Heimatkunde. Es ist abgeschafft. Ebenso fehlt ein berlingeschichtlicher Lehrstuhl an den Universitäten. Auch deshalb gilt es,
mehr Stadtgeschichte zu wagen."
Ideen, 24.03.2015
Michael Stallknecht
unterhält sich mit
Rüdiger Safranski, der trotz allem bleibende Verdienste des Denkers anerkennt (und im übrigen die Petition gegen eine Umwandlung des Heidegger-Lehrstuhl in eine Juniorprofessur unterstützt): "Heidegger hat gesehen, dass man die
Macht der Technik zu gering einschätzt, wenn man sie nur als Instrument sieht, er entwickelt vielmehr eine Philosophie des "Gestells", die besagt, dass wir in einer Zivilisation leben, die die Herrschaft über die Technik verloren hat und selbst zu einem Teil des technischen Prozesses geworden ist. Da hat Heidegger
zentrale Anstöße gegeben..."
Es ist Frühling, alles wächst und die
Schriftstellerin Barbara Frischmuth denkt im
Standard über "den anderen" nach, der im Verhältnis zum Menschen eigentlich nur
die Pflanze sein kann: "Im Gegensatz zu uns, die wir alles in bestimmten Organen konzentrieren, setzen sich Pflanzen aus jeweils einfacheren, repetitiven und eigenständigen Modulen zusammen. Das heißt,
sie sind teilbar, im Gegensatz zu den tierisch-menschlichen Individuen (den Unteilbaren). Man kann Pflanzen beträchtliche Teile wegschneiden, ohne dass sie dabei zugrunde gehen, am besten erkennbar an Viehweiden, die immer wieder nachwachsen, oder an der Vermehrung durch Stecklinge. Eine Pflanze stelle man sich besser
als Kolonie vor, meint [der
Forscher Stefano] Mancuso, da ein Baum mehr Ähnlichkeit mit einem Bienen- oder Ameisenvolk habe als mit einem einzelnen Tier. Der neuerdings sehr populäre Begriff der
Schwarmintelligenz fällt ebenfalls in diesem Zusammenhang."
Zainub Priya Dala.
Zainub Priya Dala.
Zainub Priya Dala.