9punkt - Die Debattenrundschau

Das ist halt Jeremy

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
24.06.2015. Politico.eu graut's vor dem möglichen neuen Labour-Chef Jeremy Corbyn, der sich gern mit antisemitischen Verschwörungstheoretikern umgibt. In der FAZ erzählt Raif Badawis Frau Ensaf Haidar über die unwürdige Politik Saudi-Arabiens auch ihr gegenüber. Die Literaturblogggerin Mara Giese warf bei der Electric Bookfair einen Blick auf die Zukunft des Buchmarkts. Die NZZ liest Christian Füllers Studie über Pädophilie in Reformbewegungen. Und Spiegel Online blättert duch den deprimierenden Terminkalender Günther Oettingers.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 24.06.2015 finden Sie hier

Politik

Jake Wallis Simons stellt auf Politico.eu den Labour-Politiker Jeremy Corbyn vor, einen der vier Kandidaten für die Nachfolge als Parteiführer und zur Zeit der populärste unter ihnen. Letztes Jahr ließ er auf einer Veranstaltung James Thring sprechen, einen 9/11-Verschwörungstheoretiker, der behauptet, dass "jüdische Führer" die Finanzmärkte kontrollieren. Corbyn sagte, dass er von der Intervention Thrings vorher nichts wusste. "Aber auch der Star des Abends, Max Blumenthal, ist nicht gerade ein Gemäßigter. Er ist Erfinder des Hashtags #JSIL, "Juden für den Islamischen Staat". Im House of Commons ist das alles bisher nicht sehr ernst genommen worden. Wie ein Insider sagte: "Die Leute denken, das ist halt Jeremy"."

Matthias Hannemann unterhält sich für die FAZ mit Ensaf Haidar der Frau des Bloggers Raif Badawi, die nicht mal regelmäßigen Kontakt mit ihrem Mann haben darf: "Ich habe mit Raif normalerweise ein- bis zweimal pro Woche telefonieren können. Seit fünfzehn Tagen habe ich nun nichts mehr von ihm gehört. Nachrichten über ihn erreichen mich in der Regel über Amnesty International in London. Oder auch nur aus den Zeitungen. Von der letzten Urteilsbekräftigung habe ich aus einer saudischen Zeitung erfahren."

Nach Debatten um die Konföderierten-Flagge (unsere Resümees) haben laut Mobylives "Amazon, Walmart, Sears und Ebay angekündigt, den Verkauf der Flagge und aller Produkte, die sie zeigen, einzustellen".
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Internet

Alexander Demling und Philipp Seibt von Spiegel Online  haben mit Hilfe von Transparency International mal den Terminkalender von EU-Digitalkommissar Günther Oettinger durchgeguckt: "Seitdem der Schwabe in Brüssel für Digitalthemen zuständig ist, hat er sich gerade zwei Mal mit Lobbyisten von Nichtregierungsorganisationen getroffen - aber 44 Mal mit denen von Unternehmen oder Wirtschaftsverbänden. Deutsche Telekom, British Telecom oder Alcatel bekamen alle ihren Termin mit Oettinger."
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Kulturmarkt

Die Literaturbloggerin Mara Giese berichtet auf Buzzaldrins Bücher über Diskussionsveranstaltungen bei der Electric Bookfair in Berlin, bei denen es um die Zukunft von Ebooks und des Literaturmarkts ging: "Die Verlagsstrukturen weichen immer stärker auf, Verlage und Autoren müssen sich aus diesem Grund neu positionieren. Es gibt immer mehr Autoren, die mittlerweile auf einen Verlag verzichten, weil sie das, was ein Verlag bietet, sich auch woanders herholen können. Einer der Teilnehmer bezeichnete diese Phase des Umbruchs als Experimentierfeld - es gibt viele neue Entwicklungsmöglichkeiten, es bleibt dabei aber immer die Frage, ob und wie sich neue Formen etablieren können."
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Stichwörter: Ebooks, Umbruch

Gesellschaft

In der NZZ schreibt Oliver Pfohlmann über Christian Füllers Studie über sexuellen Missbrauch in deutschen Reformbewegungen und lobt dabei vor allem deren Aktualität: "Füllers Studie zeigt, wie sexueller Missbrauch im Rahmen von Emanzipationsbewegungen mit dem Missbrauch von Ideen ("pädagogischer Eros", "sexuelle Revolution", "Freiheit des Internets") einhergeht: "Der pädophile Täter zieht sich den Kampfanzug des Revolutionärs an und schwimmt in der Bewegung mit." Beispiele für solch getarnte Pädophile sind der Reformpädagoge und Wortführer der Jugendbewegung Gustav Wyneken, der langjährige Schulleiter der Odenwaldschule Gerold Becker oder der grüne Kinderrechtler Werner Vogel, der 1983 beinah Alterspräsident des Deutschen Bundestags geworden wäre."
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Kulturpolitik

In der Welt beschreibt Marcus Woeller die komplizierten Wege, mit denen die Kunstsammlung der ehemaligen WestLB im Besitz Nordrhein-Westfalens gehalten werden sollen. Geplant ist jetzt, dass die ehemalige Landesbank WestLB die wichtigsten Werke an eine noch zu gründende "Stiftung Kunst im Landesbesitz" verkauft, die die erworbenen Bilder dann auf die Institutionen des Landes verteilen soll. Die Stiftung soll dafür einen zinslosen Kredit der landeseigenen NRW.Bank erhalten, der über eine Landesbürgschaft abgesichert werden soll. Alles schön und gut, aber es trübt die Freude Woellers doch, "dass wenn eine landeseigene Stiftung Kunst aus landeseigenem Besitz kauft, der Steuerzahler sozusagen ein zweites Mal belastet würde. Auch das hätte Signalwirkung". Die SZ meldet zugleich, dass auch der WDR seine Kunstsammlung verkaufen will - sie soll in London versteigert werden.
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Überwachung

(Via Libération) Nicht nur Angela Merkel, auch französische Präsidenten wurden systematisch von der NSA abgehört, berichtet das Blog Zone d"Intérêt. Die Abhörstation des SCS, einer gemeinschaftliche Zelle von NSA und CIA, in der amerikanischen Botschaft an der Place de la Concorde "wäre ideal gelegen, um die Kommunikation der franzöischen Regierung abzuhören, nur 250 Meter vom Elysée Palast, 450 Meter vom Innenministerium, 700 Meter vom Außenministerium..."
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Stichwörter: Geheimdienste, Merkel, Angela, NSA

Medien

Der Wegfall der Talkshow von Günther Jauch wird in der ARD nicht durch Dokumentationen ersetzt, kritisieren die Journalisten der AG Dok in einem Papier, das sie gestern veröffentlichten. Nötig wär"s gewesen: "Die Programm-Berichte der Landesmedienanstalten belegen, dass der Anteil dokumentarischer Sendungen im ARD-Programm seit 2009 drastisch gesunken ist - von einstmals 7,3 Prozent des Programms im Jahre 2009 auf nur noch 2,9 Prozent im Frühjahr 2014! Zwar blieben Zoo-Dokus und ähnliche Formate bei dieser Rechnung unberücksichtigt, doch der Trend ist klar erkennbar. Umso mehr, als die Sendefläche für Talk-Formate im gleichen Zeitraum um 3,2 Prozentpunkte nach oben schnellte."
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