Glucksmann und viele andere wollten sich auf keinen Fall jener Logik unterwerfen, von der auch die RAF & Co. in den deutschen Siebzigern zehrte: Wenn du nicht für mich bist, bist du ein Teil des Problems."

Auf Glucksmanns Kritik an der Friedensbewegung kommt auch Richard Herzinger in der Welt zu sprechen: "Ganz unten durch war er bei gläubigen deutschen Pazifisten und Linken, als er auf dem Höhepunkt der Bewegung gegen die Nato-Nachrüstung unter dem Titel 'Die Philosophie der Abschreckung' eine Rechtfertigung der nuklearen Rüstung des Westens veröffentlichte. Nur diese, argumentierte er, könne den sowjetischen Totalitarismus von der Unterwerfung ganz Europas abhalten, ohne einen schrecklichen Krieg führen zu müssen."

Noch eine deutsche Spur legt Arno Widmann in der FR, der an die Solschenizyn-Lektüre Glucksmanns erinnert: "Der Archipel Gulag war nicht das Produkt spezifisch russischer - 'zurückgebliebener' - Verhältnisse, sondern hatte ebenso zu tun mit dem autoritären Systemdenken des Marxismus, ja Marxens selbst. Das Buch, in dem Glucksmann seine Kritik daran systematisch vortrug, 'Die Meisterdenker', musste zehn Jahre lang auf eine deutsche Übersetzung warten."

Michel Foucault, dessen Text über Glucksmann aus dem Jahr 1977 der NouvelObs ausgräbt, beschrieb, mit welcher Illusion der französischen Linken Glucksmann Schluss machte: "Um Stalin zu begegnen, hört nicht auf die Opfer, sie hätten nur ihre Qualen zu erzählen. Lest lieber noch mal die Theoretiker. Sie werden euch die wirkliche Wahrheit sagen. Von Stalin stiegen die panischen Gelehrten wieder auf zu Marx, wie auf ihren Baum. Glucksmann hatte die Frechheit, wieder zu Solschenizyn herabzusteigen."

Bernard-Henri Lévy schreibt in einem sehr schönen persönlichen Text in La Règle du Jeu: "Von gewissen Schriftstellern sagt man, sie hätten Klischees erfunden. Bei ihm hatte ich einmal im Jahr 1995 das Gefühl, er hätte ein ganzes Volk erfunden. Denn wer außer ein paar Lesern Tolstois hatte je vom tschetschenischen Volk gehört und der Höllenfahrt, die ihm bevorstand?"

Nachrufe außerdem in Libération (hier), die ein ganzes Dossier mit einem Text von Guy Sorman (hier) und einer Reaktion von Daniel Cohn-Bendit (hier) bringt, in der FAZ (hier), in Dradio Kultur (hier), im Tagesspiegel (hier), in der NZZ (hier), von Caroline Fourest in der huffpo.fr (hier).

In Télérama unterhält sich Juliette Cerf mit David Lapoujade, Herausgeber einer Gilles-Deleuze-Ausgabe, über Deleuze, der sich vor zwanzig Jahren durch einen Sprung aus dem Fenster seiner Wohnung das Leben nahm, und an seine Zusammenarbeit mit Félix Guattari. Die Aktualität ihres Werks erblickt er in ihrer Kapitalismuskritik: "Natürlich hat sich der Kapitalismus seit zwanzig dreißig Jahren entwickelt, aber ihre Reflexion über 'Kontrollgesellschaften' ist aktueller denn je - als hätten sie die Umrisse des heutigen Kapitalismus bereits definiert. Sie haben gesehen, dass wir in eine Gesellschaft eingetreten sind, in der die Indivduen weniger einer permanenten Disziplinierung unterworfen sind. Kontrolliert werden sie eher über das Mittel von Informationen, die sie selber aussenden."