06.01.2016. Nein, die Männer vom Kölner Bahnhofsplatz waren keine Flüchtlinge, sondern das Produkt einer misslungenen Integration, meint Alice Schwarzer in emma.de. Wir verlinken auf viele Debattenbeiträge zum Thema. Auf politico.eu attackiert Caroline Fourest englische und amerikanische Medien, die Charlie Hebdo in den Rücken gefallen seien. Thomas Schmid beschreibt in seinem Blog, wie Jaroslaw Kaczynski in Polen den Einparteienstaat schafft, den er angeblich bekämpft. Golem.de fürchtet, dass die EU ein europäisches Leistungsschutzrecht einführt, während deutsche Verleger nun gegen Google in der gleichen Sache klagen.
Gesellschaft, 06.01.2016
Online
schildert in der
SZ eine Augenzeugin sehr eindrücklich die chaotischen Zustände am Kölner Hauptbahnhof, wo über Silvester eine große Anzahl von Frauen sexuell belästigt und bestohlen wurde. "Für die Masse an
besoffenen Vollidioten waren viel zu wenig Polizisten da! Überall wurden Mädchen beschimpft und begrabscht. Ich habe noch nie
so viele heulende Frauen gesehen - Frauen, die so voller Angst waren. Schlimm war, dass ich die ganze Zeit nicht wusste, was eigentlich los war. Zwischenzeitlich dachte ich, es gäbe eine Bombendrohung oder irgendwo sei eine Massenschlägerei. Die Situation war
völlig entfesselt."
Nein, die Männer vom
Kölner Bahnhofsplatz gehören nicht zu den aktuellen Flüchtlingen,
meint Alice Schwarzer in
Emma: "Diese jungen Männer sind das triste Produkt einer gescheiterten, ja nie auch nur wirklich angestrebten
Integration! Sie sind das Produkt einer falschen Toleranz, in der fast alle - Menschen, Medien, Kirchen und Politik - unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat, unsere Gleichberechtigung infrage stellen, ja mit Füßen haben treten lassen, zugunsten '
anderer Sitten' beziehungsweise einer ominösen 'Religionsfreiheit' - in deren Namen man Parallelwelten entstehen ließ und nicht auf Integration bestand."
Natürlich fehlen nun die Angriffe auf
Angela Merkels Flüchtlingspolitik nicht. Alexander Marguier
schreibt bei
cicero.de: "Die staatlich forcierte Vermischung von humanitärer (und somit richtiger) Flüchtlingspolitik mit einem daraus gleichsam konkludent abgeleiteten Wohlstandsversprechen für junge Männer aus aller Welt hat zur Voraussetzung die Ignoranz. Ignoranz, gepaart mit der Hoffnung, der
kulturelle Graben zwischen Gender-Deutschland und nordafrikanischer Machokultur werde sich schon irgendwie überbrücken lassen: Wir schaffen das!"
Ebenfalls bei
Cicero.de beschreibt Petra Sorge, wie die Meldung über die Ereignisse in Köln, die zunächst
schamvoll beschwiegen wurden, aus dem Ruder lief: Nein, es waren nicht "
tausend Männer", die "zahllose Frauen" belästigten - so Schlagzeilen, die sie zitiert. Auch aus eher
links fühlenden Medien kamen Verzerrungen, schreibt Sorge: "Korrekt berichten heißt auch, dass die Medien
nicht nur Teilstücke beleuchten. Dass sie, um im Gatekeeper-Bild zu bleiben, nicht bestimmte Fakten abfangen und dem Leser vorenthalten. So verzichtete
Spiegel Online auf die Information, dass Kölns Polizeipräsident Albers in einem Fall von einer
Vergewaltigung sprach. Das ist auch eine Respektlosigkeit gegenüber den betroffenen Frauen."
Völlig übertrieben
findet Daniel Bax in der
taz die Vorwürfe, die Medien hätten nicht über die Vorfälle berichtet: "Dabei hat die Kölner Lokalpresse früh und ausführlich über die Ereignisse berichtet, sobald die ersten Augenzeugenberichte und Anzeigen vorlagen. Nun wird der Vorfall von interessierter Seite zum Menetekel für
die Zukunft der Republik erklärt. Das ist völlig maßlos. Längst vorbei sind auch die Zeiten, in denen es zu den journalistischen Standards gehörte, die Nationalität oder Herkunft von mutmaßlichen Straftätern nicht zu nennen. "
In der
Berliner Zeitung sieht Maritta Tkalec die Ursache für die Kölner Übergriffe in der unfreien Sexualität: "Wem Familie, Schule, Religion, Staat, Kultur, Tradition, was auch immer, ein heuchlerisches,
doppelbödiges Geschlechterbild einpflanzte, dem ist nicht durch einen Integrationskurs zu helfen. Dem helfen hoffentlich viele positive Erfahrungen. Da aber liegt das Riesenproblem: Woher sollen die kommen? Egal, wer die Täter von Köln waren - Männer, die schon länger hier sind, schlecht integriert in einer kriminellen Parallelwelt leben, oder eine neue Art Sex-Hooligans oder Leute, die an Silvester besoffen
mal Rache nehmen wollen an einer als provokant empfundenen Gesellschaft - mutmaßlich sind sie
in Sexualnot gefangen."
Kulturpolitik, 06.01.2016
Eine noch weitergehende Verunstaltung der
Berliner Mitte durch unfähige Gremien droht. Dankwart Guratzsch
verzweifelt in der
Welt geradezu an der Baupolitik des ehemaligen Bausenators und jetzigen Regierenden Bürgermeisters
Michael Müller: "Von Schönefeld bis Tempelhof, von der Friedrichswerderschen Kirche bis zur Staatsoper und zu der in den Sand gesetzten IBA-Planung pflastern
Baudebakel in historisch beispielloser Häufung seinen Weg."
Urheberrecht, 06.01.2016
Europa betreibt eine Urheberrechtsreform. An sich eine gute Sache,
meint Friedhelm Greis bei
golem.de, aber Digitalkommissar
Günther Oettinger bevorzugt die großen Konzerne. Beim Thema
Netzneutralität obsiegten die Telekomkonzerne (die allerdings dafür bei Roaming wenigner Einnahmen machen). Und "im Fall des Urheberrechts könnte es sein, dass die Kommission die Kreativwirtschaft mit einem
europäischen Leistungsschutzrecht lockt. Recht ausführlich begründet das Strategiepapier, warum die Nutzung von Inhalten durch Suchmaschinen und News-Aggregatoren derzeit nicht angemessen honoriert wird."
Der
Standard meldet unterdessen, dass
deutsche Verleger in der VG Media erwartungsgemäß Klage gegen
Google einlegen, um das Leistungsschutzrecht nun irgendwie doch noch in Deutschalnd durchzusetzen.
Europa, 06.01.2016
Einen lesenswerten Beitrag über
Jaroslaw Kaczynski schreibt Thomas Schmid auf seinem Blog. Getrieben sei der polnische Premierminister vom Hass auf die
kommunistischen Eliten, die nach 1989 bald wieder oben schwammen: "Kaczynski, der 2007 als Regierungschef scheiterte, hat das nie verwunden. Jetzt, wo seine Partei mit absoluter Mehrheit ausgestattet ist, will er die anti-kommunistische Revolution vollenden und das neue System in Bronze gießen. Dabei landet er dort, wo er doch nie sein wollte, beim
politischen Alleinvertretungsanspruch. Es gilt wieder, was schon einmal - während der kommunistischen Herrschaft - gelten sollte: Die Partei hat immer recht. Eine
seltsame Kapriole der Geschichte."
Auch in Deutschland versucht die Regierung immer wieder, Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Sender zu nehmen,
räumt Christian Bommarius in der
FR ein, trotzdem dürfe man nicht hinnehmen, wenn in Polen
Justiz und Medien kaltgestellt werden: "Man kann von einem
Staatsstreich durch die polnische Regierung sprechen. Der polnische Außenminister hat ihn mit den Worten verteidigt: 'Wir wollen lediglich unseren Staat
von einigen Krankheiten heilen, damit er wieder genesen kann.' Die Krankheiten, die der Minister meint, heißen Unabhängigkeit der Justiz und Freiheit der Medien, es sind Symptome von Demokratie und Rechtsstaat. Die Kritik, auch aus Deutschland, an der polnischen Regierung kann gar nicht laut genug sein."
Silke Burmester
sucht in ihrer
taz-Kolumne nach den
Scharen demonstrierender Journalisten, die sich mit ihren polnischen Kollegen solidarisieren, und spart dabei nicht an Sarkasmus: "Auf keinen Fall möchte die hiesige Journaille als
empört oder gar erbost wahrgenommen werden. Warum auch? Man hat ja schließlich sein Pulver erfolgreich verschossen, als man vor einem Jahr anlässlich des Anschlags auf
Charlie Hebdo deutlich sagte, dass so etwas nicht gern gesehen ist."
Caroline Fourest versucht (
hier auf Französisch,
hier auf Englisch), der internationalen Öffentlichkeit in
politico.eu zu erklären, was
Charlie Hebdo ist - antirassistisch, aber nicht multikulti-, und sie erzählt, dass die Zeichner des Blattes durch die Affäre um die
Mohammed-Karikaturen um das Risiko wussten: "Wir zählten auf unsere Kollegen, um mit uns die Freiheit der Presse zu verteidigen, und einige, viele, haben das getan. Vor allem
arabische und türkische Journalisten, die unerhörte Risiken eingingen, um ihren Beruf auszuüben. Andere, vor allem
englische und amerikanische, sind uns buchstäblich in den Rücken gefallen. Sie logen über unsere Absichten, über die Chronologie, den Kontext (also die Basis von Journalismus) und verstärkten die Anschuldigungen der Fanatiker." Fourest erzählt auch, dass sie für ihr Buch "Lob der Blasphemie", das in Frankreich ein Bestseller war, auf Englisch
keinen Verleger fand - obwohl sie selbst eine Übersetzung hatte finanzieren lassen. Man kann es nun auf Amazon und Itunes herunterladen.
Nicht katholische Schüler fühlen sich in
Irland diskriminiert,
schreibt Jennifer Duggan bei
politico.eu. Kein Wunder: "Erziehung bleibe eine
Domäne der Kirchen, die neunzig Prozent der staatlich finanzierten irischen Schulen betreibt. Die wenigen bekenntnisfreien Schulen haben lange Wartelisten, so dass Eltern
keine andere Wahl haben, als ihre Kinder in eine katholische Schule zu geben."
Außerdem:
Claus Leggewie fürchtet in der
FAZ, dass ein deklassierter
Mittelstand wieder Richtung Faschismus tendieren könnte.