10.02.2017. Im Kunstblog musermeku.org erklärt Museumsleiter Roland Nachtigäller vom Marta in Herford, warum es heute für Museen immer schwieriger wird, Ausstellungen zu organisieren und zu dokumentieren - wegen des Terrors der Bildrechte. Und sollten Künstler aus der VG Bildkunst auszutreten, falls ihnen an ihrer Sichtbarkeit gelegen ist? In Berlin steht das Neutralitätsgesetz, das etwa Lehrpersonen an Schulen religiöse Symbole untersagt, nach einem Gerichtsurteil zur Debatte. In der NZZ fürchtet Michael Hagner, dass die Wissenschaften zu den ersten Opfern Trumps gehören.
Urheberrecht, 10.02.2017
"Jonas und der Wal", Blatt aus einem Buch der Chroniken, Iran um 1400. Gehörte dieses Bild den Reiss-Engelhorn-Museen, dürften wir es nur gegen Einholung einer Lizenz zeigen. Metmuseum CC0 1.0.Einerseits kam neulich die deprimierende Meldung, dass die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim Geld für die Reproduktion gemeinfreier Bilder aus seinen Beständen wollen (unsere
Resümees). Andererseits
erklärt heute der Direktor des Marta in Herford,
Roland Nachtigäller, im Interview mit Angelika Schoder vom Museumsblog
musermeku.org, dass
auch Museen in den Präsentationen ihrer Ausstellungen, den Katalogen und Online-Materialien immer mehr von Bildrechteforderungen terrorisiert werden, besonders von der VG Bildkunst: "Der Aufwand ist dermaßen hoch geworden, dass wir eine
eigene Abteilung nur für die Klärung von Bild-, Ton- und Textrechten aufbauen könnten, der zudem ein
nicht unerhebliches Budget zugewiesen werden müsste. Denn wir waren mal sehr stolz darauf, unsere vollständige Ausstellungsgeschichte im Netz dokumentieren zu können, inklusive einzelner Raumansichten. Dies aber ist ebenfalls nicht ohne Genehmigung zulässig."
Jeder, der mit Bildrechten zu tun hat,
vermeidet Abbildungen immer häufiger, sagt Nachtigäller, der fürchtet, dass "KünstlerInnen, die sich von Verwertungsgesellschaften vertreten lassen,
an Sichtbarkeit verlieren können". Schon bei Raumaufnahmen aus Ausstellungsräumen mit Werken an der Wand fangen die Rechteinahber (und besonders die VG Bildkunst) an, Forderungen zu stellen,
führt Nachtigäller im
Martablog aus: "Ganz im Gegensatz zur früheren Abrechnungsweise werden für Onlinenutzungen mittlerweile
Mietmodelle etabliert, die auf lange Sicht geradezu abenteuerliche Summen für eine einzelne Abbildung auftürmen. Aber abgesehen von dieser
sprunghaft ansteigenden finanziellen Belastung ist es uns nur über Monate hinweg möglich, neben der täglichen Arbeit die alten Raumaufnahmen zu sichten, jedes noch so klein erkennbare Kunstwerk zu identifizieren und seine rechtliche Situation zu klären, um schließlich zu entscheiden, welche Aufnahmen wir uns mit welchen Kostenfolgen zeigen können."
Dagegen diese Meldung aus
Netzpolitik: "Das
Metropolitan Museum of Art in New York stellt alle Bilder gemeinfreier Werke aus seiner Sammlung unter der Creative
Commons Zero Lizenz (CC0) zur Verfügung. Damit werden auf einen Schlag
375.000 Werke für Nutzung, Veröffentlichung und Remix ohne Einschränkungen nutzbar."
Europa, 10.02.2017
Wolf Lepenies
reflektiert in der
Welt François Fillons Katholizismus, von dem er sich einiges erwartet zu haben scheint und der sich auf zwei politisch-literarische Heiligenfiguren bezieht,
Charles De Gaulle und den hierzulande kaum bekannten Autor
Georges Bernanos, der aus Ekel vor dem Vichy-Régime ins Exil gegangen war. Vor deren hehren Moralanspruch hat Fillon aber nun gründlich versagt. Lepenies bedauert: "Dass François Fillon sich in der Tradition de Gaulles sieht, hebt ihn unter den Republikanern nicht hervor. Doch in Verbindung mit der Berufung auf Georges Bernanos hat Fillon seinem politischen Projekt einen Rahmen gegeben, den er
nicht ausfüllen konnte. Fillons Berufung auf die moralischen Prinzipien der Politik hatte stets etwas Angestrengtes an sich. Der Skandal, der ihn die Präsidentschaft kosten kann, hat seinen politischen Ambitionen weitgehend die
moralische Grundlage entzogen."
Donald Trump ist ein
Sicherheitsrisiko für die ganze Welt, glaubt der amerikanische Schriftsteller
Joseph O'
Neill und
empfiehlt den Briten im
Guardian, den
Brexit zu verschieben, solange Trump Präsident ist: "Wenn der Austritt nach Artikel 50 wie geplant nächsten Monat erklärt wird, muss Britannien zwischen zwei Optionen wählen, beide katastrophal für die nationale Sicherheit. Entweder steht es zusammen mit Europa in existenzieller Opposition zur
Achse Trump-Putin. In dem Fall werden die USA, größter Handelspartner der Briten,
keinen Handelsvertrag mit ihnen abschließen. Oder die Briten schließen den Handelsvertrag, werden dafür aber ein
Satellitenstaat von Trumps Amerika, denn den Präsidenten oder seinen großen Freund Wladimir Putin zu ärgern, würde die Handelsbeziehung gefährden."
In der
SZ liest
Yavuz Baydar entsetzt die aktuelle
Säuberungsliste Erdogans, die 330 Akademiker von 23 Universitäten aus ihren Ämtern kickt: "115 von ihnen, so hieß es in den Nachrichten, unterzeichneten letztes Jahr eine
Petition gegen Gräueltaten, die in den mehrheitlich kurdischen Provinzen der Türkei geschehen. Die 'Akademiker für den Frieden', wie sie sich nannten, wurden sofort Gegenstand einer Dämonisierungskampagne der Proregierungsmedien. Diese wurden von Präsident Erdoğan bestärkt. 'Ihr, die
sogenannten Intellektuellen', schrie er. 'Ihr seid die Dunkelheit selbst, keine Intellektuellen. Ihr seid so dunkel und ignorant, dass ihr nicht einmal wisst, wo sich diese Provinzen genau befinden!'"
Wissenschaft, 10.02.2017
Die
Wissenschaften könnten zu den ersten Opfern des Trumpismus gehören,
fürchtet der Wissenschaftshistoriker
Michael Hagner in der
NZZ, und zwar sowohl die Geisteswissenschaften, deren Subventionen Trump schon gekürzt hat, als auch die Naturwissenschaften, die sich mit Trumps Leugnung des menschengemachten Klimawandels auseinandersetzen müssen. Hagner polmeisiert aber auch gegen die Idee einer "
Dritten Kultur", die die Geisteswissenschaften auch im Geistigen als obsolet erschienen lassen wolle. Dabei leisten nur die Geisteswissenschaften in manchen Dingen
Aufklärung, so Hagner: "Geht es um ein genaueres Verständnis des Aufstiegs und Erfolgs der amerikanischen Tabakindustrie, der Kreationisten und der Klimaskeptiker, sind es
Wissenschaftshistoriker wie Robert Proctor, Ron Numbers oder Naomi Oreskes, die historisch fundierte Erklärungen anzubieten haben, und nicht die Vertreter der dritten Kultur."
Religion, 10.02.2017
In Berlin wird das "
Neutralitätsgesetz", das etwa Lehrern und Lehrerinnen verbietet, religiöse Symbole wie Kreuz oder Kopftuch zur Schau zu stellen, in Frage gestellt, nachdem eine Lehrerin vor dem Landesarbeitsgericht Berlin Entschädigung zugesprochen bekam, weil man sie wegen des
Kopftuchs nicht einstellen wollte,
berichtet Susanne Memarnia in der
taz. Der grüne Justizsenator
Dirk Behrendt hat gleich seine Genugtuung per Twitter
bekanntgegeben: "Das ist der Anfang vom Ende des Berliner #Neutralitätsgesetzes. Und ein guter Tag für die #
Antidiskriminierung."
In der
Berliner Zeitung bemerkt Julia Haak zwar, dass der Berliner Senat in der Frage des Kopftuchs uneinig sei, doch will man den Streit offenbar
nicht ausfechten: "Eine Revision gegen die Entscheidung ist nur für das Land Berlin zugelassen. Doch die Bildungsverwaltung dürfte daran kein allzu großes Interesse haben. Die Verantwortlichen sind eher bestrebt, dass
wenigstens dieser konkrete Fall nicht mehr vor dem Bundesarbeitsgericht oder gar vor dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht landet."
Jost Müller-Neuhof
begrüßt das Urteil im
Tagesspiegel: "Lehrerinnen mit Kopftuch sind ein Anfang. Danach könnten es auch Berufe in der
Rechtspflege sein. Den klugen und begabten Frauen an den juristischen Fakultäten der Stadt zu erklären, dass es für sie faktisch ein weitgehendes Berufsverbot gibt, fällt Dozenten zunehmend schwer."
Ideen, 10.02.2017
In der
SZ porträtiert Thomas Meyer den amerikanischen Intellektuellen
Michael Anton, der in der Tradition von Leo Strauss steht, und jetzt von Donald Trump in den
Nationalen Sicherheitsrat geholt wurde. Anton sei, wie sein Lehrer, der Strauss-Schüler Jaffa, ein Vertreter des "
rauen Individualismus", schreibt Meyer, der sich verpflichtet sieht "auf die amerikanischen Ideale, die sich von aller staatlichen Unterstützung radikal abgrenzt; ein Nonkonformismus, der ganz auf ein
unangepasstes Selbst setzt, das sich von den 'great books' und deren unveränderlichen Botschaften lenken lässt. Ein Konzept, das Heroismus und Kampf, Intervention und Klugheit miteinander verbindet und diese Grundlagen immer neu aktualisiert."
Mehr über Anton und seinen Hintergrund kann man von Michael Warren im
Weekly Standard lesen, der Anton als den Mann identifizierte, der während des Wahlkampfs u.a. in der renommierten
Claremont Review unter dem Pseudonym
Publius Decius Mus für Trump geworben hatte.