20.03.2017. Wenn in einem Zürcher Theater ein AfD-Mann auftreten soll, herrscht überall Empörung, warum eigentlich nicht, wenn an gleicher Stelle Alain Badiou spricht, fragt der Blogger Jörg Scheller. Nicht nur Facebook, auch die Staatsanwaltschaft interessiert es nicht, wenn kritische Russlandberichterstatter mit Morddrohungen verfolgt werden, schreibt Boris Reitschuster in der deutschen Huffpo. Die Welt kritisiert das Verhalten des WDR, der ein Geert-Wilders-Porträt nach Antisemitismus-Vorwürfen einfach in bereinigter Fassung zeigt, ohne eine Diskussion zuzulassen.
Gesellschaft, 20.03.2017
Die
Intoleranz der Linken gegenüber Meinungen, die ihr nicht passen, hilft nur dem
rechten Populismus,
meint der britische Autor und Tory-Abgeordnete
Matt Ridley in der
NZZ. So hätten etwa Studenten an der University of California in Berkeley im Januar 2017 gewaltsam einen Auftritt des Trump-Unterstützers
Milo Yiannopoulos verhindert: "Die Folge war, dass Yiannopoulos' Buch 'Dangerous' die
Bestsellerlisten erklomm. Ich habe mir einige seiner Auftritte online angesehen, um zu erfahren, warum sie die Gemüter so erhitzen. Yiannopoulos ist sprachgewandt, islamkritisch und schont Feministinnen und die Linke nicht; er bekundet kämpferische Lust, von dieser Seite ergangene Schmähreden gegen die Republikaner mit gleicher Münze heimzuzahlen. Aber man tut sich schwer damit, eine Rechtfertigung für den oft geäußerten Vorwurf zu finden, er sei
ein Faschist oder ein weißer Suprematist; und schon gar nicht, dass er seine Stellungnahmen mit einem Aufruf zur Gewalt verbinden würde. Warum diese Intoleranz?"
(Via
Wolfgang Ullrich) Der Blogger Jörg Scheller
wundert sich. Als ein AfD-Mann in einem Zürcher Theater auftreten sollte, war die moralische Empörung groß, und es wurde weithin gefordert,
rechtsextremen Ideologen kein Podium zu bieten. Überhaupt nicht kritisiert wurde dagegen ein Zürcher Auftritt
Alain Badious, der linkstotalitäre Ideen verficht und ein paar Kollateralschäden auf dem Weg der Geschichte zu seinem Endziel durchaus gutheißt: "Wo waren die KritikerInnen der Gewalt, des Populismus, des Totalitären, des Universalismus und der Ideologie, als Alain Badiou in Zürich auftrat? Wo waren die mit Blick auf 'Die Neue Avantgarde' so vehement eingeforderten '
Gegenpositionen' auf dem Podium? Wo war der Skandal ob einer vorgeblich erlöserischen, in der Konsequenz aber
menschenverachtenden Philosophie, in welcher das spekulative Schicksal des großen Ganzen dem konkreten Schicksal der Einzelnen übergeordnet ist?"
Ideen, 20.03.2017
In der
FR unterhält sich Arno Widmann mit dem Philosophen
Thomas Leinkauf über dessen fast zweitausend Seiten dicke Philosophiegeschichte der
Renaissance. Mit dem
Wandel heute könne man die Renaissance nicht vergleichen, meint er: "Wir sind in einem bisher unvorstellbaren Maße unentwegt in immer neuen Konstellationen mit immer größerer Geschwindigkeit miteinander vernetzt. Das ändert alles. Unsere Lage hat sich, bevor wir sie erkennen und darstellen können, schon wieder geändert. Wir können so
kein Bewusstsein unserer selbst bekommen. Das ist das Eine. Dann gibt es noch die in der Wissenschaft sich ereignenden Erkenntnisschübe: Mikrophysik, Mikrobiologie. Das ist unabsehbar. Wir arbeiten am offenen, pulsierenden Herzen des Wissens."
Medien, 20.03.2017
(Via
turi2)
Boris Reitschuster, der kritisch über Russland berichtet, wird über alle Kanäle mit Hass- und Mordbotschaften verfolgt, von denen er einige bei der deutschen
Huffington Post paradieren lässt. Und niemand tut etwas dagegen,
schreibt er: "
Facebook zeigt für solche Hassbotschaften Verständnis. Auf die Beschwerde über eine der obigen Bemerkungen kam die Nachricht: 'Wir haben den von dir wegen glaubhafter Gewaltandrohung gemeldeten Kommentar geprüft und festgestellt, dass er nicht gegen unsere
Gemeinschaftsstandards verstößt.' Die Staatsanwaltschaften ermitteln nicht, weil sie die Absender der Hassbotschaften nicht ermitteln können oder wollen - dazu müsste Facebook deren Daten herausrücken. In dem bisher einzigen Fall, in dem eine Morddrohung gegen mich vor Gericht ging, wurde der
Angeklagte freigesprochen und machte sich im Prozess auch noch lustig über mich: Die Botschaft kam zwar eindeutig von seinem Computer, aber dass auch er selbst davorgesessen habe, sei nicht nachweisbar, entschied das Gericht."
Inzwischen
fordert laut
Zeit online der Deutsche Richterbund von Bundesjustizminister
Heiko Maas, sein geplantes Gesetz gegen rechtswidrige Postings durch eine Verpflichtung der sozialen Medien zu ergänzen, die
Namen anonymer Verfasser von Hasskommentaren an die Betroffenen herauszugeben: "Der Richterbund kritisiert, Maas' Gesetzentwurf sehe zwar Auskunftsstellen vor - sie blieben aber freiwillig, da keine Sanktion drohe, wenn sie nicht eingerichtet würden. 'Rechtswidrige Kommentare schnell zu löschen, kann nur eine Säule im Kampf gegen Hass und Hetze im Netz sein', sagte (Geschäftsführer Sven) Rebehn. 'Wer strafbare Inhalte online stellt, der muss dafür auch
effektiv strafrechtlich verfolgt werden können.'"
Alan Posener
greift in der
Welt einen
Artikel des
Bildblog über ein
Geert-Wilders-Porträt des
WDR auf, das in mehrerer Hinsicht peinlich ist. Erstmal rein handwerklich, weil der Sender vor der wichtigen Wahl im direkten Nachbarland nur fähig war, eine Doku der
BBC zu kaufen, die bereits
ein paar Jahre alt war. Zweitens, weil darin unterstellt wurde, dass Wilders ein Lobbyist extremer Zionisten sei - als Beleg wurden Äußerungen eines umstrittetenen Imams angeführt. Die
BBC hatte diese Passagen längst getilgt, nicht der
WDR, der auf Kritik nur recht pampig reagierte, den unbearbeiteten Film dann aber nach "
einigen Rückmeldungen" aus seiner Mediathek zurückzog. Posener kritisiert, dass der Film nun nicht mehr in der beanstandeten Version
zu sehen ist: "Richtig wäre es gewesen, den Film in der
ursprünglichen Fassung in der Mediathek zu belassen und gleichzeitig dort die ausführliche Kritik zu veröffentlichen. Das nennt man Transparenz. Man hätte ja auch die beanstandeten Stellen in einer
WDR-Sendung wie 'Hart aber fair' zeigen und diskutieren lassen. Vorausgesetzt, die Auseinandersetzung mit dem modernen Antisemitismus wäre einem wichtig."
Geschichte, 20.03.2017
In
Thessaloniki wird - mit Zuschuss der Bundesregierung - ein
Holocaust-Museum gebaut, das das Ausmaß der deutschen Besatzung und der Ermordung griechischer Juden deutlich machen soll,
berichtet Elisabeth Heinze auf
Zeit online. Von den etwa
80.000 griechischen Juden hatten die Deutschen 90 Prozent umgebracht. Nach dem Krieg erinnerte man sich auch in Griechenland kaum an sie, so Heinze: "Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte man in Griechenland an die Idee einer nationalen Identität an und definierte sich vor allem durch die
christlich-orthodoxe Religion. Auch sollte nach dem Bürgerkrieg das Land geeinigt werden. Anschließend war der Holocaust lange Tabu, erzählt der Präsident der Jüdischen Gemeinde, David Saltiel: 'Die wenigen Rückkehrer haben nicht darüber gesprochen, was ihnen zugestoßen ist.' Durch die
Grenzöffnungen in Albanien und die Einwanderung von Pontos-Griechen in den 90er Jahren gewöhnte man sich wieder an Heterogenität, meint die Historikerin Maria Kavala."
Weiteres: Besprochen wird eine Ausstellung im
Jüdischen Museum München über "Jüdische Identitäten im Sport" (
NZZ).