In Italien ist der Versuch einer Regierungsbildung der
doppelten Populisten am Veto des italienischen Präsidenten
Sergio Mattarella gescheitert, der um seine Rolle wahrlich nicht zu beneiden ist,
kommentiert Thomas Schmid in der
Welt: "Hätte er dem Wunsch der Lega nachgegeben, Paolo Savona zum Finanzminister zu ernennen, hätte er wider besseres Wissen auf sein verbrieftes Vetorecht verzichtet. Und er hätte
die Sorge der EU über die Entwicklung in Italien noch weiter gesteigert. Installiert er aber eine 'technische' Regierung, dann nährt er den ohnehin schon weit verbreiteten Verdacht, die Eliten machten alle wichtigen Dinge
ohne Rücksicht auf das Volk unter sich aus. Italien befindet sich, vorsichtig ausgedrückt, in einer Sackgasse."
Die Italiener sind an gescheiterte Regierungsbildungen gewöhnt. Der Ton in den italienischen
Zeitungen und Blogs ist allerdings dramatischer als sonst: Luciano Fontana
unterstützt im Leitartikel des
Corriere die Entscheidung des Präsidenten, einen EU-feindlichen Finanzminister nicht zu akzeptieren: "Der Präsident der Republik hat in Ausübung seiner Befugnisse die beiden Parteien aufgefordert, eine
geeignetere Person zu benennen, um uns bei den heiklen Wirtschaftsverhandlungen, die uns bevorstehen, zu vertreten. Eine Persönlichkeit, die vor allem den Verdacht auslöscht, dass Italien seine Schulden nicht begleichen will und den Zusammenbruch des gesamten europäischen Aufbauwerks anstrebt. Die Entscheidung hilft auch, der vulgären und ungerechten Kampagne
der deutschen Medien gegen unser Land entgegenzutreten und zu zeigen, dass wir von Europa zurecht verlangen, eine Seite umzublättern."
Bei
Linkiesta spricht der Mailänder Journalist Massimo Fina dagegen von einem "
Staatsstreich" des Präsidenten, der die Absetzung riskiere. Und bei
politico.eu erzählen Jacopo Barigazzi and Paul Dallison das Geschehen als "Oper in hundert Akten".
Die in Paris lebende Autorin Annabelle Hirsch
schreibt in der
taz eine schöne Kolumne über die
Stimmung in Frankreich. Das großartige Gebaren Emmanuel Macrons habe auch dazu geführt, "dass innerhalb eines Jahres
all die Tragik der letzten drei fantastisch erfolgreich verdrängt wurde. Dass sich keiner mehr daran erinnert, wie
sagenhaft schlecht es Frankreich ging, wie depressiv und schwer die Stimmung über den Straßen von Paris hing, wie dramatisch die Wahl hätte ausgehen können." Als Gegengift gegen diese leichte Benebelung empfiehlt Hirsch
Philippe Lançons Buch "Le Lambeau" (der Fetzen): "Lançon, selbst Journalist, saß bei dem Anschlags auf
Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 in jenem Konferenzraum, in dem die Karikaturisten Cabu, Charb, Wolinski von den Kouachi-Brüdern erschossen wurden, er verlor dort
seinen Unterkiefer. Heute, drei Jahre und 16 Gesichtsoperationen später, hat er alles aufgeschrieben."
Nicht nur Macron hatte die Stimmung in Europa verändert, sondern vorher schon
der Brexit,
schreibt Matthew Kaminski in
politico.eu. Allerdings ist der Aufbruchsgeist nach Macrons Wahlsieg inzwischen wieder verflogen. Die Wahlergebnisse in
Deutschland,
Österreich und in
Italien haben gezeigt, dass die Populisten keineswegs auf dem Rückzug sind: "Vielleicht ist es Verdrängung oder Müdigkeit. Die Krise bewegt sich
diesmal in Zeitlupe und ist noch nicht voll ausgebrochen. Europa weiß, wie sich das anfühlt. Aber so wie manche sagen, dass die Europäer nach dem Brexit ihre Liebe zu Europa wiederentdeckten - und das taten sie -, so unbestreitbar ist, dass mehr Länder denn je von Leuten regiert werden, die
gegen '
das Projekt' sind."
Georgien wird dieses Jahr Gastland der Buchmesse sein. So häufen sich die Journalisten-Reisen und die Artikel in den Zeitungen: Vor hundert Jahren schon war Georgien mal eine
freie Republik, schreibt Tilman Spreckelsen in der FAZ, aber nur für drei Jahre, dann wurde es von den Bolschewiken einkassiert. Heute wird der freien Republik in vielen Veranstaltungen gedacht: "Dass es immer wieder um das
Verhältnis zu Russland geht, wenn man in Tiflis mit Georgiern spricht, erstaunt nicht weiter, selbst dort, wo die Konfliktlinien eindeutig innerhalb der Gesellschaft verlaufen, zwischen Traditionalisten, Nationalisten, der georgischen Kirche und jenen, die sich Richtung Westen orientieren. Da ist etwa der weit über die Grenzen des Landes äußerst beliebte Techno-Club Bassiani in Tiflis, in dem die Polizei kürzlich eine Drogenrazzia durchführte." Über die Clubszene und den Protest gegen die harte
Drogenpolitik in Georgien spricht auch Pola Kapuste in der
taz mit den Clubbetreibern und Aktivisten Beqa Tsiqarishvili und Paata Sabelashvili (
siehe efeu).
In drei Jahren wurden der Polizei in Britannien über 3.500
Zwangsheiraten gemeldet,
berichtet Hannah Summers im
Guardian. Eine Hilfseinrichtung erhielt im selben Zeitraum gar
22.030 Anrufe. "The new figures reveal the
shocking extent of forced marriage in Britain - a crime that experts say should be investigated and prosecuted as a form of
modern slavery. They point to the fact that a guilty verdict last week against a mother who trafficked her daughter to be married in Pakistan was
the first of its kind in the country despite the large number of reported offences." In einem zweiten Bericht
schildert Summers einige grausame Beispiele für diese Art der modernen Sklaverei.
Dass in Syrien lange unterschiedliche Religionen friedlich zusammenlebten, ist gewiss nicht Assad zu verdanken, meint im
Interview mit der
NZZ der syrische Schriftsteller
Khaled Khalifa: "Wo das Zusammenleben in Syrien funktioniert, verdankt sich das einer
uralten Tradition - aber sicher nicht dem Regime." Aber auch den
radikalen Islam lehnen die Syrer ab, erklärt er: "Diese Organisationen wurden als Widerpart bestehender Regime aufgebaut, damit diese durch den Kampf gegen den radikalen Islam ihre Existenz und
ihre Politik rechtfertigen konnten. ... Denn wenn die syrische Revolution erfolgreich gewesen wäre, dann hätte sich die Bewegung vielleicht weiter ausgebreitet, nach
Saudiarabien, nach
Iran. Darauf war man in diesen Ländern ganz sicher nicht erpicht, und man tat alles, um die Revolution zu zerstören."
Liegt es auch an der gefürchteten ePrivacy-Verordnung der EU?
Spiegel und
Spiegel online haben mal wieder ihr
Bezahlmodell für digitale Inhalte auf den Kopf gestellt. Jetzt kostet das digitale Bezahlangebot
20 Euro im Monat. Einzelne Artikel bezahlen, geht nicht mehr.
Spiegel daily wird abgeschafft. Produktchef Stefan Plöchinger
erklärt das neue Modell im Gespräch mit Marvin Schade von
Meedia: "Sie brauchen einen möglichst
großen Reichweiten-Trichter, damit am Ende möglichst viele Menschen in Ihr Abo-Modell purzeln. In diesem Sinne muss Reichweite aber etwas differenzierter gesehen werden als früher. Sie ist kein Zweck an sich mehr. Eine moderne Traffic-Strategie legt Wert darauf,
Leserloyalität zu fördern und nicht einfach Klicks zu sammeln."
Spiegel online gehört wie
Bild online zu den Medien, die anonymen Nutzern oder Nutzern mit Adblockern, die sich nicht tracken lassen wollen,
den Zugang zu ihrem Inhalt versperren.
Alles in allem
verteidigt Constanze Kurz bei
Netzpolitik die
Datenschutzgrundverordnung (DGSVO): "Es bleibt dabei, dass wir alle immer wieder über Datenschutz und damit zusammenhängende fundamentale Rechte aller Europäer reden sollten und darüber, was das unter den Bedingungen einer weit
überwiegend werbeorientierten Digitalwelt bedeutet. Denn das war erst der Anfang von vielen Diskussionen, die unweigerlich auf uns zukommen werden. Wartet mal erst die Schlacht um
ePrivacy und
Tracking ab." (Unser
Resümee) Die der
Netzpolitik nahestehende Digitale Gesellschaft hat mit Mitteln des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz ein nützliches
Portal "Deine Daten Deine Rechte" aufgebaut, das es Internetnutzern erlaubt, sich über
Datenschutz und Sanktionsmöglichkeiten gegen Seitenbetreiber zu informieren.
Wir müssen lernen, wie
Künstliche Intelligenz funktioniert - wo ihre Vorzüge und wo ihre Grenzen liegen.
Kunst ist dafür ein gutes Anschauungsfeld, meint im
Interview mit der
SZ Googles "Creative Technologist"
Ross Goodwin. Er lässt Computerprogramme Gedichte und Filmdrehbücher schreiben. Die Resultate sind vom künstlerischen Standpunkt aus offenbar nicht besonders gelungen, aber darauf kommt es Goodwin nicht allein an: "Wenn ich
einen Computer anhand eines Bildes automatisch ein Gedicht generieren lasse, ist das Gedicht allein nicht das Kunstwerk, sondern die Maschine.
Ich bin der Künstler. ... Ich schreibe meine Gedichte mit einer neuen Art von Stift, einer sehr komplizierten Schreibmaschine. So erst wird es künstlerisch interessant.