18.06.2018. Im Observer kann es Nick Cohen nicht fassen, dass der Einfluss Russlands auf die Brexit-Bewegung von allen Seiten totgeschwiegen wird. In der FAZ fragt Arkadi Babtschenko Reporter ohne Grenzen, ob er sich lieber hätte erschießen lassen sollen als mit dem ukrainischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten. Netzpolitik geißelt die Kapitulation der Öffentlich-Rechtlichen vor den Zeitungsverlagen. Die SZ führt uns mit terra0 in den Wald des Anthropozän.
Europa, 18.06.2018
Im
Observer kann es Nick Cohen
nicht fassen, dass der
Einfluss Russlands auf die
Brexit-Bewegung kaum untersucht wird. Die
BBC schweigt, die Tories schweigen - und Labour? "In den USA versuchen die Demokraten jeden Kontakt Trumps mit Russland aufzudecken. Aber in Großbritannien wechseln die Führer der Labour-Partei genauso wie Farage und May ängstlich das Thema. Man unterschätze nie die Schwäche der extremen Linken für diebische Autokraten. Jeremy Corbyns Sprecher Seumas Milne flog nach Sotschi, um sein
Knie vor Putin zu beugen. Emily Thornberry verteidigte Russlands syrische Politik so zuverlässig wie Arron Banks. Selbst wenn man ihre Sympathie für Diktatoren beiseite schiebt, lebt die Labour-Linke in einer Vernunftehe mit der Labour-Rechten. Beide sind entschlossen, die Freizügigkeit zu stoppen und Großbritannien vom Binnenmarkt fernzuhalten: die Labour-Rechte, weil sie fürchtet, dass der Vorwurf, bei der Einwanderung weich zu sein,
Wahlgift sein wird; die Corbyn-Linke, weil sie von einem 'Lexit' träumt, in dem sie frei sein wird, den
Sozialismus in einem Land aufzubauen. Aus ideologischen und wahltaktischen Gründen haben wir es mit einer Opposition zu tun, die sich nicht widersetzen wird. Verstehen Sie nun, warum der Skandal kein Skandal ist?"
Auch anderswo sind die
Sympathien für Putin besonders bei den ganz Linken und den ganz Rechten stark,
zeigt eine auf
tango-noir.com veröffentlichte Liste von EU-Parlamentarieren, die gegen eine Putin-kritische Resolution des Parlaments stimmten: Sie stammen alle aus den rechts- und linkspopulistischen Parteien - viele Abgeordnete der
deutschen Linkspartei sind darunter.
Boris Reitschuster hat für die
FAZ in der Ukraine die kremlkritischen russischen Journalisten
Arkadi Babtschenko und
Ayder Muschdabajew besucht, die beide auf einer Todesliste stehen sollen. Beweise dafür hat er nicht gesehen, aber die beiden haben ihm ganz schön Eindruck gemacht: Babtschenko, "der hünenhafte Kriegsveteran, der stets vor Kraft strotzte, wirkt verloren. Seine Umarmung ist matt. Er, der so gerne Kraftausdrücke in seinen Berichten verwendet, wirkt
schüchtern,
angeschlagen. Die Angst ist ihm anzusehen. Er ist noch wortkarger als sonst. Er habe
Angst um sein Leben gehabt, sagt er. Von denen, die ihm
vorhalten, er hätte Grenzen überschritten, wie die Organisation
Reporter ohne Grenzen, wolle er wissen, wie sie sich in seiner Situation verhalten hätten - vor die Wahl gestellt zwischen
Schutz vom Geheimdienst und Zusammenarbeit oder 'sich abschießen lassen', wie er sich ausdrückt."
Ideen, 18.06.2018
Was will der Wald? Maximilian Sippenauer
stellt in der
SZ die ursprünglich als Kunstprojekt gestartete Berliner Forschungsgruppe
terra0 vor, die die
Natur sich selbst verwalten lassen möchte. Algorithmen sollen es möglich machen: "Im Anthropozän ist eine Natur denkbar, die als virtuelle Gesellschaft von Ökosystemen in einem nicht hackbaren, digitalen Blockchain-Netzwerk repräsentiert wird. Technisch möglich soll das durch 'Deep Learning Systems' werden, also Algorithmen, die lernen und anpassungsfähig sind. Die Natur, so die Idee, gewinnt
Einfluss über sich selbst zurück. Natürlich nach zuvor von Menschenhand programmierten Parametern. Das Konzept wird im Rahmen der Frage nach dem Begriff einer
neuen Wildnis unter Naturwissenschaftlern gerade viel diskutiert."
Kulturpolitik, 18.06.2018
Hans Stimmann, Ex-Senatsbaudirektor von Berlin, kann es in der
FAZ kaum glauben: Ausgerechnet der rotrotgrüne Berliner Senat will das ursprünglich geplante - autofreie -
Bürgerforum streichen und
eine Straße, die nur als provisorische Anlage gedacht war, bis der Tiergartentunnel fertig ist, "dauerhaft" rechtlich sichern (
mehr dazu im Tagesspiegel): "Der mit den Ansprüchen des Autoverkehrs begründete Bau einer Straße anstelle des Forums ist ein
erbärmlicher,
für Berlin aber typischer Umgang mit großen städtebaulichen Ideen. Die Form des klammheimlichen Abschieds vom Band des Bundes mit einem B-Plan für eine Straße, als handele es sich um eine x-beliebige Erschließungsmaßnahme eines Gewerbegebietes am Stadtrand, ist nicht nur planungsrechtlich bedenklich, sondern markiert einen
Tiefpunkt der Kultur städtebaulichen Planens."
Internet, 18.06.2018
In diesen Tagen stimmt das EU-Parlament übe ein europäisches Leistungsschutzrecht für die Presseverleger und über Uploadfilter nach, mit dem es Forderungen der Verwerterlobbies entgegenkommt. Vor allem die Uploadfilter könnten zu einem bürokratischen Monster für kleine Anbieter werden, weil sie von Nutzern hochgeladene Inhalte mit Datenbanken abgleichen müssen,
fürchtet ntv.de: "Da aus dem EU-Dokument wegen
schwammiger Formulierungen nicht genau hervorgeht, welche Anbieter genau von der Reform betroffen sein sollen, könnten auch sie gezwungen sein, einen Uploadfilter einzurichten. Die Kosten für die Software liegen laut EU-Kommission bei etwa
900 Euro monatlich, anderen Schätzungen zufolge müssen vor allem Start-ups mit bis zu
50.000 Euro monatlich rechnen. Für sie ist die Herstellung und zuverlässige Umsetzung dieser speziellen Technologie zu teuer. Es könnte darauf hinauslaufen, dass sie die Software der großen IT-Konzerne wie Facebook oder Google nutzen, die wiederrum vom Verkauf ihrer Dienste profitieren."
Politik, 18.06.2018
Gegen Amerikas Trump sieht die chinesische Regierung fast sympathisch aus. In den Nachbarländern wird
Chinas Weltmachtanspruch jedoch sehr viel kritischer gesehen als im Westen,
bemerkt Matthias Messmer in der
NZZ: "Zwar beteuern die meisten Staatschefs von Chinas Nachbarländern in offiziellen Worten ihr freundschaftliches Verhältnis zu Peking. Doch braucht es wenig, um zu registrieren, dass die Beziehungen Chinas zu
Vietnam oder Burma, nicht so sind wie beispielsweise diejenigen zwischen Deutschland und Frankreich oder Ungarn und Österreich. Während man in Europa versucht,
Hypotheken der Geschichte mittels Vergangenheitsaufarbeitung wenigstens in Raten abzuzahlen, schlummern in Asien die Geister der Vergangenheit weiter vor sich hin. Mal mehr, mal weniger friedlich. Zwischen China und Indien gibt es alle paar Jahre Grenzkonflikte, und die
Lage im Südchinesischen Meer dürfte sich in den kommenden Jahren eher verschärfen als entspannen."
Gesellschaft, 18.06.2018
Die Luft ist raus aus dem
Sommermärchen,
hält Jan Feddersen in der
taz bedauernd, aber in aller Klarheit fest, die WM-Stimmung wird in diesem Land nicht: "
Schland - das war die Chiffre für ein Land,
das weltoffen ist, sich darauf zu verständigen wusste, dass Rassismus igitt ist und völkisches Denken so was von doof und hässlich und fies ist, wie es einfach nicht mehr in die errungene Zeit passt."
Medien, 18.06.2018
Der Urheberrechtler Leonhard Dobusch führt für Netzpolitik eine Kolumne über sein Wirken in einem öffentlich-rechtlichen Fernsehrat. Den neuen "Telemedienauftrag" der Sender mit dem Kompromiss über die Reduktion "presseähnlicher" Texte in den Online-Angeboten der Sender nennt er eine Kapitualtion vor der Verlagslobby und zählt neun Gründe für mehr öffentlich-rechtliche Texte im Netz auf. Einer davon: "Abgesehen davon, dass die lautesten Kritiker von öffentlich-rechtlichen Textinhalten Vertreter hochprofitabler Medienkonzerne sind, ist öffentlich-rechtliche Konkurrenz kein Grund für wirtschaftliche Probleme einzelner Verlag(sangebot)e. Das lässt sich in den USA beobachten, wo das Zeitungssterben besonders weit fortgeschritten ist, es aber keine nennenswerte öffentlich-rechtliche Konkurrenz gibt."