28.09.2018. Netzpolitik bringt ein Dossier über Google und die Presse: Millionen Euro werden von Google an deutsche Medien ausgeschüttet - das meiste davon an etablierte Traditionsmedien wie FAZ und Wirtschaftswoche, so die Autoren. In der SZ spricht Julia Angwin von The Markup über algorithmische Tendenzen. In 54books.de weist Berit Glanz Kulturkritik am Medienwandel zurück und fordert doch Subventionen für die Verlage.
Medien, 28.09.2018
Netzpolitik bringt ein kleines Dossier über
Google und die Presse. Das Google-Programm "
Digital News Initiative" mit seinen 150 Millionen großzügig an Medienprojekte ausgeschütteten Dollar, stellt die kooperierenden Medien in ein
schiefes Licht,
meint Alexander Fanta: "Wer heute über Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft berichtet, kommt an dem Internetriesen Google und seinen Mitbewerbern Facebook, Apple, Amazon und Microsoft nicht vorbei. Ob es nun um die Zukunft des
Urheberrechts geht, die Entwicklung von künstlicher Intelligenz, selbstfahrenden Autos oder
politischen Debatten und Wahlkämpfe im Netz: Überall sind die großen Internetfirmen relevant und ein Machtfaktor. Wer von diesen Firmen Geld nimmt, wird gegenüber der Öffentlichkeit erst noch
seine Unabhängigkeit unter Beweis stellen müssen."
Dass Google mit seinem Fonds
tatsächlich innovativ ist, kann man nicht behaupten, so Fanta im
Hauptartikel des Dossiers: "Ein großer Teil der Google-Fördergelder geht an
etablierte,
alte Medienhäuser. In den ersten vier Förderrunden gingen 54 Prozent der Projekte an profitorientierte Medien und Verlage - in Deutschland waren fast alle großen Häuser dabei, DuMont, Holtzbrinck, Funke und
WAZ. Wenn man aus ungefähren Angaben Googles die Summen hochrechnet, gehen sogar
70 Prozent des Geldes an kommerzielle Medien."
15 Millionen Euro aus dem Google-Geld fließen an deutsche Medien. Ingo Dachwitz
schlüsselt auf, an welche: Die
FAZ erhielt 500.000 Euro,
Spiegel online 700.000 Euro, die
taz 100.000 Euro, die
Wirtschaftswoche 600.000 Euro.
In der
FAZ ist Stephan Löwenstein nicht erstaunt über die
Medienpolitik der FPÖ. Vorgestern wurde eine interne Mail des Innenministeriums publik, die besagte, dass nur
bestimmte Medien mit Informationen versorgt werden sollen (unser
Resümee). Dass die Mail aber nicht direkt vom Minister, sondern von einem untergeordneten Mitarbeiter kommt, hält Löwenstein ebenfalls für plausibel: "Nicht nur die sprachliche Unbeholfenheit, die Mischung aus bürokratischen Floskeln und Stammtischparolen, lässt vermuten, dass da keiner mehr drübergelesen hat. Hauptsächlich aber hat der Verfasser eine österreichische Weisheit missachtet: '
A Schriftl is a Giftl.' So etwas macht man vielleicht, aber man schreibt es doch nicht auf!"
Europa, 28.09.2018
Im
FR-
Interview mit Nadja Erb spricht die Ärztin
Zeynep Potente, deren Vater, der deutsch-türkische Jurist
Enver Altyali, ohne Beweise oder Anklage seit 13 Monaten in
türkischer Isolationshaft sitzt, über den sich verschlechternden Gesundheitszustand ihres Vaters und die Situation ihrer in der Türkei lebenden Familie: "In türkischen Medien ist von Anfang an viel über meinen Vater berichtet worden, mit vielen völlig falschen Vorwürfen. Das war eine regelrechte
Hetzjagd auf unsere Familie, ohne die Möglichkeit, dem zu widersprechen. Meine beiden Schwestern müssen natürlich aufpassen, was sie sagen. Sie dürfen die Regierung nicht kritisieren. Meine mittlere Schwester muss sich um meine Mutter kümmern. Meine jüngere Schwester ist selbst Juristin, ihr Mann war Dozent für Menschenrechte an der Marmara-Universität, er ist ebenfalls seit August 2017
ohne Anklage inhaftiert."
Internet, 28.09.2018
Wie "
tendenziös"
Algorithmen arbeiten, erklärt im
SZ-Gespräch die amerikanische Datenjournalistin
Julia Angwin: "Algorithmen benachteiligen all jene gesellschaftlichen Gruppen, die oft
eh schon benachteiligt sind: Schwarze, Arme, Alte zum Beispiel. Wir haben bei
Pro Publica unter anderem recherchiert, dass es bei Facebook möglich war, Wohnungsanzeigen so zu schalten, dass Schwarze sie gar nicht zu sehen bekamen. Wir konnten das nachweisen - und Facebook hat den Code geändert." Angwin wird 2019 Chefredakteurin des Portals
The Markup (Unser
Resümee), in dem Journalisten und Programmierer gemeinsam die gesellschaftlichen Folgen der Tech-Industrie analysieren wollen
Gesellschaft, 28.09.2018
In der
NZZ hat der Politologe
Bassam Tibi kein Verständnis für die Naivität, mit der viele Deutsche eingewanderten Muslimen gegenübertreten. Eine solche "
Veredelung des Fremden" sei ebenso wenig hilfreich wie dessen Verteufelung,
meint er, die eigene Identität dürfe nicht verleugnet werden. Er plädiert für eine Öffnung gegenüber Fremden unter Beachtung folgender Voraussetzungen: "1. Syrische Flüchtlinge kommen aus einem Krieg aller gegen alle und haben die Gewalt als Mittel des Überlebens verinnerlicht. In der Aufnahmegesellschaft haben sie kein Recht darauf, Konflikte wie im Herkunftsland mit Gewalt zu lösen. 2. Flüchtlinge haben
kein Recht auf eine patriarchalische Kultur, besonders gegenüber Frauen, die untergeordnet werden. 3. Es gibt
kein Recht auf den Antisemitismus, den die Flüchtlinge aus Nahost mitbringen. Im Zeitalter von Völkerwanderungen benötigt Europa dringend eine offene Auseinandersetzung mit solchen Fragen auf Basis einer Debattenkultur, die zurzeit nicht nur in Deutschland fehlt."
Die Hinwendung einiger
Juden zur AfD ist "moralisch und politisch falsch",
meint der Historiker
Michael Wolffsohn in der
NZZ - und kann die Entscheidung mit Blick auf
islamische Judenfeindschaft dennoch nachvollziehen: "Juden für AfD oder Le Pen - das ist ein
Akt der Verzweiflung. Weder klug noch sympathisch. Es ist Notwehr als Kurzschlusshandlung. Der Teufel lässt sich nicht durch Beelzebub austreiben. Aber das naive 'Weiter-So' gegenüber dem islamischen Antijudaismus - er ist noch militanter als der rechte - halten nicht nur Juden für untragbar und unerträglich."
Im Umgang mit den
Clans, die längst rechtsfreie Räume geschaffen haben, hat der Staat versagt,
schreibt der Islamwissenschaftler
Ralph Ghadban in der
SZ. Im Gegensatz zu Gastarbeitern wurden
Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon seit den Siebzigern nur geduldet, viele Migranten der zweiten Generation wandten sich den
Islamisten zu - als das Ausländergesetz von 1990 ihnen den legalen Aufenthalt ermöglichte, waren sie längst in Großfamilien organisiert, so Ghadban. Und: "Auch vom Flüchtlingszustrom seit 2015 versuchen die Clans zu profitieren. Sie rekrutieren Arbeitskräfte für ihre Geschäfte, zum Beispiel Drogenkuriere. Sie sind bei der Vermietung von Unterkünften, Sicherheitsdiensten, Dolmetschern und Lotsen aktiv. Die
islamischen Verbände sind ebenfalls aktiv und werben die Menschen für ihre Organisationen an. So erleben wir zurzeit eine Integration der Flüchtlinge in die islamische
Parallelgesellschaft. Der Staat versucht dagegenzusteuern, indem er bei den Integrationskursen die Wertevermittlung eingebaut hat. Viel geholfen hat das bislang nicht."
Kulturmarkt, 28.09.2018
Berit Glanz legt in dem Literaturblog
54books.de einen
interessanten Essay zum allgemeinen Wehklagen über den Untergang des
Stroemfeld Verlags und die "
Krise des Lesens" vor. Einerseits weist sie daraufhin, dass die heute untergehenden Formen der Buchkultur ein "
relativ junges Phänomen sind, die selbst als Reaktion auf gravierende technische Neuerungen im 18. und 19. Jahrhundert entstanden sind". Andererseits möchte sie dieses Phänomen aber eingehegt und
staatlich gefördert sehen: "Die kleinen und unabhängigen Verlage forderten daher bereits 2017 mit der
Düsseldorfer Erklärung eine staatliche Unterstützung ihres Einsatzes für die Kulturlandschaft, eine Unterstützung die in anderen europäischen Ländern übrigens schon
zum Standard gehört und auch als politisches Instrument genutzt werden könnte, um eine breitere Zugänglichkeit von Literatur für die Öffentlichkeit zu gewährleisten."