25.10.2018. In der New York Times schreibt Alexander Soros, Sohn des Mäzens George Soros, über die Bomben in der Post seines Vaters und das Klima, das die Bombenleger ermuntert. In der SZ erklärt die Autorin Eliane Brum , wie abscheulich der Populist Jair Bolsonaro tatsächlich ist. In der SZ muss ein exkommunizierter Ex-Priester konstatieren, dass ihm noch nicht mal die Kirchensteuer erspart bleibt. Die Türkei ist nicht viel besser als Saudi Arabien, schreibt Can Dündar in der Zeit.
Politik, 25.10.2018
In der
New York Times schreibt Alexander Soros, Sohn des Mäzens
George Soros, über die
Bomben, die in der Post seines Vaters, aber auch bei den Clintons, den Obamas, bei
CNN und weiteren Politikern gefunden wurden. "Die Verantwortung dafür liegt bei den Personen, die diese Gegenstände an unsere Adresse und die der Clintons und Obamas sandten. Aber ich kann sie nicht getrennt sehen von der neuen Normalität der
politischen Dämonisierung Andersdenkender, die uns heute heimsucht... Es ist heutzutage allzu normal geworden, dass prodemokratische Organisationen in ihrer Existenz angegriffen werden, weil sie von den Stiftungen meines Vaters unterstützt werden. Und allzu normal ist es auch geworden, dass Politiker, die einen Eid abgelegt haben, alle Bürger zu schützen, statt dessen eine
Politik der Spaltung und des Hasses betreiben."
Bei allem Entsetzen über das Schicksal des verschwundenen und vermutlich ermordeten saudischen Journalisten
Jamal Khashoggi - der kuwaitische Dramaturg
Sulayman Al-
Bassam empfindet in der
Zeit eine starke Ironie beim Blick auf die Berichterstattung
westlicher Medien, die selbst "in einem postfaktischen politischen Schlamassel stecken", wie er meint: "Um die Allegorie auf die Spitze zu treiben: Wie fern vom schauerlichen Bild eines in Stücke gesägten Wahrheitssagers sind beispielsweise Präsident
Trumps beinahe tägliche Verdrehungen, Amputationen und Umgestaltungen der Wahrheit unter dem Sternenbanner alternativer Fakten und gefälschter Nachrichten? Angesichts dieser perversen politischen Situation, in der sich Amerika und viele Teile Europas befinden, schwebt die spekulative Geschichte des arabischen Autors, der das Schwert mit seiner Feder zu überlisten versuchte und sich
in Einzelteilen in Koffern wiederfand, wie ein makabres Symbol - eine Art
Cadavre Exquis - über mehr als einem kulturellen Horizont und mehr als einem politischen System." (Aber ist der Versuch, diese Dinge gleich zu setzen, nicht selbst Teil des Spiels mit den Fakten?)
Am Sonntag könnte laut Umfragen der rassistische, frauenfeindliche und homophobe
Jair Bolsonaro zum Präsidenten
Brasiliens gewählt werden. Die große Zustimmung
erklärt sich in der
SZ die in Altamira lebende Journalistin und Schriftstellerin
Eliane Brum mit der fehlenden Aufarbeitung der 21-jährigen
Militärdiktatur. Ganz unverhohlen verehre Bolsonaro etwa den vor drei Jahren straflos verstorbenen Folterer
Carlos Alberto Brilhante Ustra, so Brum: "Um zu verstehen, wer Carlos Alberto Brilhante Ustra war, jener Held des wohl nächsten brasilianischen Präsidenten, sei wenigstens eine Begebenheit unter Hunderten angesprochen. Amélia Teles, politische Gefangene, wurde von Ustra auf unterschiedliche Arten gefoltert. Unter anderem durch
Elektroschocks an der Vagina, an den Brüsten, im Anus. Als sie nackt war, besudelt von ihrem eigenen Urin und Erbrochenen, ließ Ustra ihre vier- und fünfjährigen Kinder von zu Hause abholen und führte ihnen ihre gefolterte Mutter vor. Das Mädchen fragte: 'Mutter, warum bist du so blau?' Amélia war von den Elektroschocks blau angelaufen. Bolsonaros Söhne und seine Unterstützer trugen im Wahlkampf T-Shirts mit dem Abbild des Mörders und Folterers und der Aufschrift '
Ustra lebt!'"
Ideen, 25.10.2018
Auf
Zeit Online ärgert sich die Literaturwissenschaftlerin
Bernadette Gruber über den Missbrauch von
Emotionalität in der Politik - auch bei Linken, deren "institutionelle Implementierung von Antidiskriminierungsmaßnahmen, von gender sensitivity" etc. lediglich darauf abziele, dass sich die
linksliberale Mittelschicht wohler fühle. Betroffenen helfe das wenig, transportiert werde nur die Botschaft: "Wenn dein Leid anerkannt wird, die Vorurteile abgebaut sind, der Alltagsrassismus nachhaltig bekämpft ist und die Männer/*Weißen* et cetera ihre Privilegien abgetreten haben, dann entsteht das gute Gefühl, das eine männliche/*weiße* Person immer schon hat. Dieses Gefühl aber ist nicht nur keine Basis für einen schlagkräftigen politischen Kampf; es ist eine Fiktion, die die Funktion erfüllt, das
Begehren nach sich selbst - eben dem guten Gefühl - aufrechtzuerhalten. In diesem Sinne bindet der Kampf um Anerkennung, der auf der Ebene der Sprachregelungen, der Vorurteilsbekämpfung und des
Empowerment stattfindet, tatsächlich die Energien, die für einen wirkmächtigen Angriff auf die
materiellen Grundlagen sozialer, ethnischer und geschlechtlicher Ungerechtigkeit nötig wären."
"
Elite ist nicht gleich Establishment",
schreibt der Literaturwissenschaftler
Hans Ulrich Gumbrecht in der
NZZ und plädiert nicht nur für mehr Leistungselite, sondern wirft Elitenkritikern auch "
Gleichheitsbesessenheit" und "Ressentiment-geladene Intoleranz gegenüber herausragenden Talenten" vor.
Matthew Phelan
spürt in der
NYRDaily einem neuen
ökologischen Diskurs der extremen und populistischen Rechten nach, für den er besonders in den USA eine Menge Beispiele findet, und schließt: "Vieles von dem, was der deutsche Emigrant
Theodor W. Adorno 1959 über Faschismus und Demokratie sagte, gilt heute ebenso gut für Faschismus und Umweltschutz: Das Überleben dieser Tendenzen
innerhalb des Umweltschutzes könnte potenziell bedrohlicher sein als das Überleben faschistischer Tendenzen
gegen den Umweltschutz."
Außerdem: Neben
Glauben & Zweifeln will die
Zeit im Feuilleton künftig auch regelmäßig Philosophieseiten zu
Sinn & Verstand publizieren, annonciert Elisabeth von Thadden und eröffnet den Reigen mit dem amerikanischen Philosophen
Michael Sandel, der im Interview Sinn und Nutzen der Philosophie erklärt.
Gesellschaft, 25.10.2018
Seit durch zwei Artikel (
hier und
hier) nachgewiesen wurde, wie boshaft ein Zitat
Necla Keleks über die Sexualmoral im Islam verfälscht wurde, ist das falsche Zitat nicht wieder verbreitet worden - mit einer Ausnahme, die Jörg Metes für die
Ruhrbarone jetzt ausgerechnet in dem Buch "Governing Muslims and Islam in Contemporary Germany" von Manuel Hernández Aguilar
aufgespürt hat, einem Autor der mit dem Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung, aber auch mit antiisraelischen Organisationen in London arbeitet (unsere
Resümees): "Hernández Aguilar aber verbreitet es in seinem Buch jetzt aufs neue. Er holt das Gerücht wieder hervor, belegt es mit einem
von ihm selbst manipulierten Zitat, sieht darin einen Beweis für etwas, das er als eine 'latent structure constantly circulating a racial image of Muslims' bezeichnet, 'precisely' natürlich, und fragt schließlich: 'How it is possible that someone can state that millions of Muslim men commit zoophilia due to their religion (…) ?' Am 13. Dezember wird vor dem Landgericht Berlin endlich eine
Unterlassungsklage Necla Keleks gegen Lamya Kaddor verhandelt. Es ist schwer vorstellbar, daß Kelek nicht gewinnt. Es ist schwer vorstellbar, dass damit nicht auch Hernández Aguilar des Falschzitierens und der üblen Nachrede überführt sein wird."
Religion, 25.10.2018
Im
SZ-Gespräch mit Matthias Dobrinski erzählt der ehemalige Priester
Clemens Betting, der sieben Jahre lang heimlich mit einer Frau zusammenlebte, wie die
katholische Kirche auf seinen Bruch mit dem
Zölibat reagierte: "Das Ausbrechen aus dem Zölibat wird mit der
fristlosen Kündigung geahndet. Schon in dem Gespräch hat mich der Bischof suspendiert. Und mit der Eheschließung im Standesamt war ich exkommuniziert. Für mich war das kein Bruch mit der Kirche, geärgert hat mich nur, dass sie von mir die
Kirchensteuer weiter gerne genommen haben."
Weitere Artikel: Die Bildungskongregation im
Vatikan hat dem Jesuitenpater
Ansgar Wucherpfennig eine weitere Amtszeit als Rektor der Theologisch-Philosophischen Hochschule St. Georgen verweigert, weil dieser sich 2016 positiv über
Homosexualität äußerte,
meldet der
Tagesspiegel.
Internet, 25.10.2018
In Brüssel fand eine hochrangig besetzte
Datenschutzkonferenz statt, in der
Tim Cook höchstpersönlich und die Chefs von Google und Facebook per Videozuschaltung ihre Hommagen an die
DSGVO darbrachten,
berichtet Mark Scott in
politico.eu: "Cooks Warnung vor dem 'daten-industriellen Komplex' und sein Ruf nach amerikanischen Gesetzen war wesentlich prononcierter als die Statements der Google- und Facebook-Bosse, deren Geschäftsmodell weitgehend aus dem Sammeln großer Mengen von persönlichen Daten besteht. Noah Phillips, ein Beamter der US-Handelskommission hat im Gespäch mit
Politico anerkannt, dass die neuen Datenschutzregeln der EU eine
Debatte in den USA ausgelöst haben. 'Die DSGVO hat einen Einfluss auf die nationale Debatte in den USA.'"
Europa, 25.10.2018
Die Türkei, die sich im Fall Khashoggi als empörter Wahrheitsfinder inszeniert, unterscheidet in Wahrheit nur wenig von den Saudis, meint Can Dündar in der Zeit und zitiert eine Nachricht an sich auf Twitter: "'Geh mal zum Konsulat. Wir wollen etwas ausprobieren.' Darunter ist mein Name verlinkt. Der Einladende hielt es nicht für nötig, anonym zu bleiben. Auf seinem Twitteraccount präsentiert er sich als Social-Media-Mann eines Mafiabosses. Dieser drohte 2016 den 1128 Akademikern, die in der Türkei eine Friedenspetition unterzeichnet hatten: 'Wir werden euer Blut in Strömen fließen lassen und darin duschen.' ... Selbst wenn ich mir die Finger wundgeschrieben hätte, so deutlich hätte ich niemals ausdrücken können, wie ähnlich das türkische und das saudische Regime mit Dissidenten umgehen."
Medien, 25.10.2018
Die
Süddeutsche Zeitung ist von den Freischreibern mal wieder für einen Negativpreis nominiert worden,
meldet die
Meedia-Redaktion und zitiert die Begründung. Diese Zeitung habe sich zwar Verdienste bei den Machenschaften anderer Kapitalisten erworben: "Wenn es aber darum geht, die Arbeitsbedingungen mit
freien Journalistinnen und Journalisten zu gestalten, schreckt die
Süddeutsche Zeitung nicht vor kalter Enteignung zurück. So gibt die
SZ die bei ihr erschienenen Texte an den Schweizer Verlag Tamedia weiter und wird dafür gut bezahlt. Die Beteiligung der Autoren an diesem Deal? NULL. Um
diese Unverschämtheit zu zementieren, verschickte der Süddeutsche Verlag neue Autorenverträge. Wer mit der Unterschrift zögerte, wurde als Autor zunächst einmal gesperrt."
Geschichte, 25.10.2018
Berlin ist erst nach 1945 gemordet worden, meint in der FAZ die Historikerin Stefan-Ludwig Hoffmann unter Bezug auf ein berühmtes Buch von Wolf-Jobst Siedler: "Die Großstadtfeindschaft überlebte die Ruinierung der Metropolen durch Nationalsozialismus und Weltkrieg. Mehr noch, in einer absurden Umkehrung wurde die Großstadt selbst für Krieg und Zerstörung verantwortlich gemacht. Das ungeordnete Chaos der Metropolen, die soziale Verelendung und Vermassung habe die Vernichtung herbeigeführt, deshalb wurde die Mietskasernenstadt durch die Nachkriegsmoderne ersetzt."
Kulturmarkt, 25.10.2018
Die bei
Rowohlt geschasste
Barbara Laugwitz wechselt als Verlagsdirektorin zu
Ullstein,
meldet der
Tagesspiegel mit
dpa.
Und im Gespräch mit Harry Nutt (
Berliner Zeitung)
erläutert Nicolai-Verlegerin
Christiane zu Salm, wie sie den Neustart des Berliner Traditionsverlag angehen will: "Was wir als Verlag tun können, ist, die Wissenschaft im besten Wortsinn zu popularisieren. Es gibt nun einmal viele gute Gedanken, die noch nicht in der Welt sind. Wenn es uns gelingt, die zu heben, dann ist es mir
egal,
ob sie wissenschaftlich geprüft sind. Wir betreiben also kein Wissenschafts-scouting, sondern gehen jeweils von einem Thema aus, zu dem wir uns dann fragen, welche Autorinnen und Autoren mit welchem Aspekt in Frage kommen."