03.11.2018. Im New York Magazine macht Andrew Sullivan den Amerikanern Mut: Schon vor zwei Jahren waren sie gegen Trump in der Mehrheit, und diesmal wird die Mehrheit größer sein. Nein, das Attentat von Pittsburgh war kein Attentat gegen Religion, es war eines gegen Juden, weil sie Juden sind, insistiert Yair Rosenberg in der Washington Post. Fact-Checking hat auch Schattenseiten, erklärt der Kommunikationswissenschaftler Christian Hoffmann in der NZZ.
Politik, 03.11.2018
Amerika lebt seit der Wahl
Donald Trumps wie unter einem Bannfluch,
schreibt Andrew Sullivan im
NY Mag mit Blick auf die Midterms. Nun kann das Land beweisen, dass es sich daraus befreien will - und Sullivan macht sich und seinem Publikum Mut: "Mein Instinkt sagt mir, dass
jede einzelne Person, die sich von diesem Präsidenten missachtet, beleidigt oder dämonisiert fühlt, vor der Wahlurne antreten wird. Wenn sie es tun, dann werden sie die Trump-Blase durchstechen. Schließlich waren sie ja auch vor zwei Jahren in der Mehrheit, bevor der Alptraum dieser Regierung begann. Sie könnten am Dienstag eine
größere Mehrheit werden."
Auch Jonathan Freedland
betont im
Guardian, dass die
Bedeutung dieser Wahl weit über eine demokratisch übliche Neuordnung der politischen Landschaft hinausgeht - und dass sie nicht nur für die amerikanische Öffentlichkeit entscheidend ist: "Sie ist
ein Referendum über das Zeitalter des Donald Trump und liefert ein Urteil über die Frage, ob die letzten zwei Jahre eine
Horrorshow waren, die hinwegzufegen ist, oder ein
Modell, das entwickelt und kopiert werden soll."
Und Verena Lueken lernt auf einer Reise durch die
Südstaaten der USA für die
FAZ, dass Amerikas Weg eben nicht einfach ein "langer
Weg in die Freiheit" ist, wie
Barack Obama mit Blick auf die Geschichte der Schwarzen noch vor drei Jahren sagte, "vielmehr liegt in den Möglichkeiten dieses Landes auch die,
sich zu verlieren und die Idee seiner Gründerväter von einer gemeinsamen besseren Zukunft zu verraten".
Gesellschaft, 03.11.2018
Die Trump-Beraterin Kellyanne Conway hat das
Attentat von Pittsburgh als ein Attentat gegen Religion bezeichnet. Aber nein,
schreibt Yair Rosenberg in der
Washington Post, die Juden von Pittsburgh wurden umgebracht,
weil sie Juden waren. "Dieses Symptom - das Bedürfnis, eine spezifisch jüdische Tragödie zu
universalisieren, so dass die eigentlichen Opfer darunter begraben werden - findet sich über alle Parteien und Ideologien... Im Jahr 2017 musste
Kanada die Plakette an einem neuen 8,9 Millionen Dollar teuren Holocaust-Denkmal ersetzen, als die Beamten verspätet erkannten, dass die Juden
gar nicht erwähnt wurden. Einer der finstersten Fälle derartiger Auslöschung ereignete sich, als
Jeremy Corbyn im Jahr 2010 einen Antrag im britischen Unterhaus unterstützte, den Holocaust-Gedenktag in Völkermord-Gedenktag umzubenennen."
Es gibt viele Gründe, warum der Psychologe und
Autor Ahmad Mansour nicht gemocht wird, und sie sprechen alle für ihn,
meint Silke Mertens in einem Porträt für die
NZZ: "Die
Linken sind sauer, weil das Modell der offenen Gesellschaft und der Kampf gegen Diskriminierung zu ihrer politischen DNA gehören. Die
Islamverbände sind empört, weil nach ihrer Lesart keinerlei Zusammenhang zwischen Islam und Islamismus bestehe und Mansour Islamophobie schüre. Die
Kirchen mögen nicht, dass Mansour ihnen vorwirft, mit dem konservativen Islam zu paktieren und damit ein 'schmutziges Spiel' zu betreiben."
In der
SZ denkt Susan Vahabzadeh noch einmal über
Angela Merkels Politikstil nach: "Merkels Sinn für
strategisches Denken gilt nicht als weibliche Eigenschaft. Es ist aber eine - und zwar eine,
die Frauen brauchen, die in einer Männerdomäne nach Macht streben."
Medien, 03.11.2018
Fact-Checking, also das Nachprüfen von Tatsachenbehauptungen, ist ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Fake News. Aber es hat auch seine
Schattenseiten,
erklärt der Kommunikationswissenschaftler Christian Hoffmann, der mehrere Studien zum Thema durchforstet hat, in der
NZZ: "Wie fehlbar Journalisten in der Erstellung von Fact-Checks sind, zeigt ... das 'Fact Check Review' der politisch unabhängigen Plattform RealClearPolitics. Diese Analyse dokumentiert, wie häufig Journalisten dazu neigen, nicht etwa Fakten, sondern
bloße Meinungsäußerungen einem Fact-Check zu unterziehen. Der Fact-Check gleicht dann einem Kommentar im falschen Gewand. Nicht minder problematisch ist der Agenda-Setting-Charakter des Fact-Checking, also die Frage,
welche Äußerungen einem Fact-Check unterzogen werden - und welche nicht. Alleine durch die
Selektion der Berichtigungsobjekte kann der Eindruck erweckt werden, eine Seite eines Diskurses neige in besonderem Maße zur Unwahrheit."
Ideen, 03.11.2018
Nick Cohen
bespricht in
Quillette Pascal Bruckners Buch gegen den Begriff der "
Islamophobie", das unter dem Titel "An Imaginary Racism" gerade auf Englisch
erschienen ist und wirft Bruckner vor,
die Linke nicht mehr präzise kritisieren zu können, weil er
die Rechte nicht in den Blick nimmt: Die neue Rechte und ihre Weggenossen litten unter dem selben Mangel an
imaginativer Sympathie wie die Rechte, so Cohen: "'Muslime' sind für die Rechten ebenso ein Block wie die 'Weißen' für die Linken. Ihre Lebensumstände, Meinungen, Individualität werden aus der Lust auf
Slogans und Anschwärzung der gleichen falschen Uniformität geopfert. Bruckner schreibt, als sei der Populismus nie passiert."
Internet, 03.11.2018
Schon im letzten Jahr hatte
Propublica nachgewiesen, dass es
Facebook ohne Probleme erlaubt, mit Themen wie "Jew hater" bestimmte Teile seines Publikums anzusprechen. Sam Biddle hat das Experiment nach dem von Robert Bowers begangenen Massaker in der
Synagoge von Pittsburgh für
The Intercept wiederholt: Noch "Anfang dieser Woche konnte
The Intercept den Begriff '
white genocide conspiracy theory' als vordefiniertes 'detailliertes Targeting'-Kriterium im sozialen Netzwerk auswählen, um zwei Artikel an eine Interessengruppe zu vermarkten, deren Größe Facebook mit 168.000 große Nutzer angab und als 'Personen, die ein Interesse im Zusammenhang mit der Theorie der Verschwörung des weißen Völkermords oder für ähnliche Seiten zum Ausdruck gezeigt haben' definierte. Die bezahlte Werbung wurde von der Werbeabteilung von Facebook genehmigt." Erst nach Kontaktierung von Facebook
entschuldigte man sich und löschte die Werbemöglichkeit.
Netzpolitik bringt ein
Audiogespräch mit der EU-Abgeordneten
Julia Reda, die wie keine andere gegen
Uploadfilter und
EU-Leistungsschutzrecht kämpfte - und bis zum letzten Moment nicht aufgeben will. Im Gespräch mit Alexander Fanta sagt sie: "Man hat Angst vor großen
amerikanischen Plattformen und will die regulieren. Aber man tut das in einer Art und Weise, wo man in einen
totalen Technikglauben verfällt und glaubt, diese Algorithmen können alles. Eingesetzt werden die von Plattformen, die überhaupt keiner öffentlichen Kontrolle unterliegen. Die einzigen, die vielleicht halbwegs technisch in der Lage wären, diese Filter zu entwickeln, sind Google und Facebook. Und deren Technologie machen wir jetzt
verpflichtend für alle."