15.02.2019. Erst brauchen wir eine KI mit Sinn für Humor, dann kann das neue EU-Urheberrecht kommen, fordert Julia Reda in der taz. Wenigstens sind jetzt auch originalgetreue Reproduktionen gemeinfreier Werke frei, meint die Wikimedia Foundation. Die SZ stellt den Mann vor, den sich viele Gelbwesten als Präsidenten wünschen: den 61-jährigen Ex-General Pierre de Villiers. Die NZZ wird im russischen Winter zum Philosophen.
Internet, 15.02.2019
Die aufwendige Realisierung von
Uploadfiltern, die von der EU nun gefordert wird, begünstigt die großen Anbieter,
schreibt Daniél Kretschmar in der
taz, und warum ein Leistungsschutzrecht eingeführt werden soll, versteht er erst recht nicht: "In Deutschland im Wesentlichen auf
Betreiben des Springer-Verlages eingeführt, erwies es sich schon mit der Einführung als Desaster. Alleine die Drohung der Suchmaschine Google, Verlinkungen, für die Abgaben an die Verlage zu entrichten wären, einfach abzuschalten, genügte, um das Gesetz mit Inkrafttreten praktisch unwirksam werden zu lassen. Wie das auf europäischer Ebene anders laufen soll, bleibt das
Geheimnis der EU-Institutionen."
Youtube hat so einen Uploadfilter schon,
erläutert die EU-Abgeordnete der Piratenpartei
Julia Reda im
taz-Interview mit Anna Grieben: "Die Filter schauen, ob bestimmte Aufnahmen vorkommen oder nicht. Aber sie können nicht prüfen, ob eine Ausnahme gilt, die die Grundrechte der Nutzer schützen soll, darunter Parodiefreiheit und Zitatrecht. Solange der Algorithmus nicht dazu in der Lage ist,
Sinn für Humor zu entwickeln, wird er so etwas sperren."
"Die Reform des Urheberrechts hat ihre Schwächen. Doch das Internet wird sie
überleben", winkt Karoline Meta Beisel in der
SZ ab.
(Nia
Netzpolitik) Es gibt auch
begrüßenswerte Aspekte am neuen EU-Urheberrecht
stellt John Weitzmann im Blog der
Wikimedia Foundation fest: "Das Europäische Parlament und der Rat haben vereinbart, dass an
originalgetreuen Reproduktionen gemeinfreier Werke keine neuen Rechte enstehen werden, wodurch sichergestellt wird, dass digitale Abbilder gemeinfreier Werke genauso frei von ausschließlichen Rechten bleiben wie die Originalwerke, die sie zeigen. Dies wird Rechtsstreitigkeiten und Ungewissheiten, wie sie etwa in der Klage des
Reiss-Engelhorn-Museums zum Ausdruck kommen, vorbeugen, und es wird eine leichtere Einbindung umfangreicher Bestände gemeinfreier Werke in Wikipedia und ihre Schwesterprojekte ermöglichen." Das Reiss-Engelhorn-Museum hatte die Stiftung verklagt, weil es Reproduktionen gemeinfreier Werke aus dem Museum veröffentlicht hatte - das Museum hatte Rechte auf die Reproduktionen beansprucht (unsere
Resümees).
Außerdem: Die
Federal Trade Commission (FTC) könnte
Facebook mit der höchsten Strafe in ihrer Geschichte wegen des
Cambridge-Analytica-Skandals und anderer datenschutzrechtlicher Vergehen belegen,
berichtet Tony Romm in der
Washington Post. Die Strafe könnte sich auf
mehrere Milliarden Dollar belaufen. Facebook hat zwei Optionen: Entweder mit der FTC verhandeln oder gegen den Beschluss klagen.
Europa, 15.02.2019
Nadia Pantel stellt in der
SZ den Mann vor, den sich viele
Gelbwesten als Präsidenten wünschen, den 61-jährigen Ex-General
Pierre de Villiers, der nach einem Streit mit Macron gehen musste: "Der ehemals ranghöchste Soldat ist weder demokratiefeindlich noch größenwahnsinnig, er rüttelt nie an den Grundfesten der Republik. Doch in der Bewunderung für de Villiers spiegelt sich die Sehnsucht nach einem
guten König wieder. Und wenn schon kein König, dann vielleicht ein zweiter Charles de Gaulle. Einer, der über allem steht, der keine Partei braucht. Der wie der General de Gaulle im Krieg bewiesen hat, dass er für sein Land kämpfen will."
Überall in Europa erlebt der
Antisemitismus einen scharfen Anstieg,
berichtet Jon Henley im
Guardian: "Frankreich meldete einen
Anstieg der Straftaten gegen Juden im vergangenen Jahr von
74 Prozent, und Deutschland sagte, dass die Zahl der gewaltsamen antisemitischen Angriffe um mehr als
60 Prozent gestiegen sei. Die Zahlen bestätigen die Ergebnisse von drei jüngsten europaweiten Umfragen, die zeigen, dass sich die Juden einem größeren Risiko ausgesetzt fühlen und inmitten einer allgemeinen Zunahme rassistischer Hassreden und Gewalt in einem deutlich gröberen, polarisierteren politischen Umfeld wesentlich mehr Aggressionen erleben."
Ideen, 15.02.2019
Der
Winter in Russland ist oft sehr hart, aber die Russen sind das gewöhnt, lieben es sogar,
meint Elena Chizhova in der
NZZ, und werden dabei zu Philosophen: "Ob zum Glück oder zum Unglück, auf alle Fälle sind wir Russen in Bezug auf den Winter Fatalisten und der festen Überzeugung, es sei unsere Aufgabe, ihn zu
erdulden - nach Möglichkeit, ohne uns von einem Eiszapfen am Kopf treffen zu lassen (was leider, wenn auch selten, vorkommt) und uns die Knochen zu brechen, wenn sich die Trottoirs aufgrund der heftigen Temperaturschwankungen in Eisbahnen verwandeln. Gut möglich, dass die Ursprünge des '
politischen Fatalismus', für den die Bürger Russlands berühmt sind, in unserer tief verwurzelten Erfahrung mit dem harten russischen Winter zu suchen sind."
Kulturmarkt, 15.02.2019
"Keiner ist
nicht betroffen",
schreibt Torsten Casimir im
Börsenblatt des deutschen Buchhandels zur Meldung, die die
ganze Buchbranche gestern leicht verstörte: Der große
Zwischenbuchhändler KNV, der Hunderte von Buchhändlern beliefert, hat Insolvenz angemeldet. Es wird zwar erwartet, das ein Investor gefunden wird, so dass der Betrieb fortgeführt werden kann. Aber die Meldung zeigt, dass es im Gefüge der Branche knirscht. Vor allem
kleinere Verlage müssen sich Sorgen machen, so Casimir: Und "viele der unzähligen
unabhängigen Buchhandlungen, die KNV als erstes Barsortiment nutzen, können sich bisher auch dank der intensiven Serviceleistungen der Stuttgart-Erfurter noch in der
Zone der Wirtschaftlichkeit halten. Was passiert in dieser kleinteiligen Struktur, wenn die Rationalisierungseffekte des Barsortiments entfallen würden?"
Wissenschaft, 15.02.2019
Jochen Zenthöfer melkt die fast schon denunziatorische Erbsenzählerei von "VroniPlag Wiki" zur Doktorarbeit von Familienministerin Franziska Giffey für einen FAZ-Artikel: Danach hat Giffey wohl "nur" zu 90 Prozent korrekt gearbeitet, ihre "aufwendige Fallstudie, die den Kern ihrer Leistung ausmacht", sei zwar "annähernd fehlerfrei", doch ob das ausreicht, ihre Doktorarbeit nicht als Plagiat zu werten, weiß er auch nicht.
Medien, 15.02.2019
Thomas Borgböhmer führt in
Meedia ein interessantes Gepsärch mit
Fritz Wolf, der für die "AG Dok" eine
Studie über Dokumentationen in den öffentlich-rechtlichen Sendern angefertigt hat. 80 Prozent davon sind inzwischen "
vorformatiert", müssen also ganz bestimmten dramaturgischen Regeln folgen: "Die Formatierung bedeutet, dass dort die
künstlerische Handschrift der Autoren verloren geht, so dass das Hauptgewicht bei den Redaktionen und Konzepten liegt. Das geht sehr weit, wie in einem Interview mit einer Produzentin nachzulesen war. Nämlich dass die Sender im Grunde die
ganze Wirklichkeit vorgefertigt haben wollen, bevor es fertig gedreht ist."