9punkt - Die Debattenrundschau
Man greift Außenseiter an
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Internet
Der Journalist und frühere Wikileaks-Mitarbeiter James Ball hält im SZ-Interview jede Kritik an Julian Assange und Wikileaks für berechtigt, die Anklage aber dennoch für fatal: "Denken Sie an Edward Snowden. Das Erste, was Journalisten sich anhören mussten, war: Die Regierung kann euch unter dem 'Espionage Act' verfolgen. Wir müssen die Norm verteidigen, dass Journalisten nicht verfolgt werden. Sie erodiert nicht, indem der Chefredakteur der New York Times angegriffen wird. Man greift Außenseiter wie Assange an, den viele Leute nicht verteidigen wollen. Das kriminalisiert den Journalismus an sich."
Im New Yorker ahnt John Cassidy schon, dass die Strategie aufgeht. Weder New York Times noch Washington Post machten sich wirklich für Julian Assange stark. Dabei soll er schließlich nicht angeklagt werden, weil er mit russischen Hackern Hillary Clintons Wahlkampf torpedierte, sondern für die Leaks mit Chelsea Manning, in denen es um die Tötung von Zivilisten und Journalisten durch amerikanische Soldaten im Irak ging. Und die hätten Times, Post, Guardian und der Spiegel alle veröffentlicht.
Weiteres: Julian Assanges hatte eigentlich mehr Substanz als Aura, überlegt Andrian Kreye in der SZ, doch seine Ruhmsucht habe ihn zu seinen größten Fehlern verleitet: "Assanges unerbittliche Strategie, Wikileaks zu einer fast schon messianischen Bewegung mit nur einem Kopf zu machen, hat ihm langfristig geschadet." Wikileaks sei ohne Julian Assange besser dran, meint in der FAZ Michael Hanfeld: "Julian Assange hat immer nur für sich gespielt und wähnte sich auf Augenhöhe mit den Mächtigen der Welt, denen er es zeigen wollte. Die Dokumente, die ihm zugespielt wurden, betrachtete er nicht als Vehikel der Wahrheitsfindung, sondern als Instrument der politischen und persönlicher Machtausübung."
Ideen
Politik
Im Guardian erinnert die sudanesische Kolumnistin Nesrine Malik, was mit Omar al-Bashirs Regime verbunden war: "Nicht ein einziges seiner dreißig Jahre Herrschaft war friedlich. Das Militär übernahm 1989 die Macht und beantwortete jeden Widerspruch mit brutaler Gewalt. In den größeren Städten zerstörte das Regime die Zivilgesellschaft mit seinem Polizeistaat. In Darfur und anderen Regionen heizten seine Truppen ethnische Konflikte an, die unzählige Leben kosteten und Bashir eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof und Sanktionen gegen das Land einbrachte. Und das regime etablierte ein willkürliches Scharia-System, das es zur Verflgung seiner Gegner und der Durchsetzung einer eisernen Ordnung nutzte."
Und wenn die AfD gar keine rechtspopulistische Partei ist?, fragt Wilhelm Heitmeyer, Urgestein der Bielefelder Soziologie, in der SZ. Dass sich die Floskel durchgesetzt hat, macht sie noch nicht richtig: "Rechtspopulisten wollen durch Provokation öffentliche Erregung erzeugen, mit Themen entlang der dramatisierten Konfliktlinie 'Volk gegen Elite'. Rechtsextreme und Neonazis wiederum operieren mit Gewaltandrohungen und Gewalttätigkeiten; sie wollen Schrecken verbreiten. Dazwischen verläuft die Erfolgsspur der AfD: ein Autoritärer Nationalradikalismus."
Religion
Medien
Timo Hoffmann geht in der taz der Frage nach, wie aus dem einstigen Grünen und taz-Mitgründer Ulli Kulke ein ergrauter Ex-Linker mit Hang zur AfD werden konnte.