9punkt - Die Debattenrundschau

Zeitungen, die lieb schreiben

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
25.07.2019. In der Zeit bestreitet Alice Schwarzer, dass Kritik am Islamismus ein Treten nach unten sei. Man soll rassistische Taten nicht fremdenfeindlich nennen, mahnt die taz. In der NZZ fordert die Ex-Muslimin Laila Mirzo einen "sakralen Königsmord". Hubertus Knabe liest für sein Blog noch einmal die Stasi-Akten von Anetta Kahane. Die taz berichtet, wie Ungarn die Erinnerung an Georg Lukacz ausradiert. In der SZ erklärt der ehemalige Wiener Kurier-Chefredakteur, was "Inseratenkorruption" ist.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 25.07.2019 finden Sie hier

Gesellschaft

Seit nun einem Vierteljahrhundert werden jene, die den Islamismus im Allgemeinen und das Kopftuch im Besonderen kritisieren, von linken Kulturrelativisten mit dem "Rassismus-Bann" belegt, schreibt Alice Schwarzer in der Zeit: "Jede Kritik am politischen Islam und an seinem sichtbarsten Symbol, der Verschleierung der Frauen, gilt in diesen politisch korrekten Kreisen als 'Treten nach unten' und 'Rassismus' beziehungsweise neuerdings auch als 'Islamophobie'. (Bemerkenswert, dass für diese Leute 'die Muslime' immer 'unten' sind und sie 'oben'.) Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn nicht nur die AfD, sondern auch immer mehr Bürgerinnen und Bürger angesichts der falschen Toleranz 'den Islam' mit Islamismus gleichsetzen - und allmählich zu echtem Rassismus neigen."

Vor einigen Tagen wurde ein Eritreer von einem Rechtsradikalen angeschossen. Man soll diese Tat nicht fremdenfeindlich, sondern rassistisch nennen, insistiert Caroline Schwarz in der taz: "Medien verwenden 'fremdenfeindlich' im vorsichtigen Bemühen um einen nicht wertenden Begriff. Doch damit geben sie die Perspektive der Täter*innen wieder. ... Von Rassismus in Deutschland sind beispielsweise nichtweiße Menschen, Ausländer*innen, muslimische oder jüdische Menschen oder Geflüchtete betroffen - also Menschen, die strukturell benachteiligt werden aufgrund von Merkmalen, wie Hautfarbe, Herkunft, Sprache oder Religion."

Eine Säkularisierung des Islam reicht nicht, "denn der Islam ist der Staat, und der Staat ist der Islam", sagt dagegen die erklärte Ex-Muslimin und Trainierin für interkulturelle Kompetenz, Laila Mirzo in der NZZ und fordert neben einem strikten Kopftuchverbot in staatlichen und öffentlichen Einrichtungen einen "sakralen Königsmord" an Mohammed: "Erst wenn offene Kritik an seinen Fehlern geübt wird, meinen es liberale Muslime ernst mit der Reformation. Denn Mohammed war nicht nur Prophet und spiritueller Führer seiner Gemeinde. Er war Heerführer, Demagoge und gab den Befehl, Hunderte unbewaffnete jüdische Männer und Jugendliche zu ermorden. Sein Umgang mit den jüdischen Stämmen seiner Stadt entspricht einer ethnischen Säuberung. Seine Ehe mit der Kindsbraut Aisha ist die gesetzliche Grundlage für die Verheiratung muslimischer Mädchen im Alter von 9 Jahren. Jährlich sterben unzählige Mädchen in ihrer Hochzeitsnacht, weil durch den Sex mit einem erwachsenen Mann ihre Gebärmutter reißt und sie dann hilflos verbluten."
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Kulturpolitik

Deutschland verhält sich seit der von ihm und Benedicte Savoy angestoßenen Restitutions-Debatte vorbildlicher als Frankreich, dort sei bisher fast nichts geschehen, sagt Felwine Sarr im Zeit-Interview mit Werner Bloch. Er äußert scharfe Kritik an Macron: "In seiner berühmten Rede in Ouagadougou hat er mein Buch Afrotopia zitiert. Dort steht, dass man Afrika keinen Weg zu weisen braucht, sondern dass es seinen Weg selbst finden muss. Macron hingegen fragte in seiner Rede: Können wir, Franzosen und Afrikaner, diesen Weg Hand in Hand gehen? Als ich das hörte, ging ich sofort auf Distanz. Ich war von Macron überhaupt nicht überzeugt, ich hatte übrigens gerade mit meinem Freund Achille Mbembe einen sehr kritischen Artikel über den Einfluss Frankreichs in Afrika geschrieben. Als Macrons Mitarbeiter mich anriefen, wollte ich gar nicht antworten. Meine erste Reaktion war sehr vorsichtig. Ich fragte mich: Meinte Macron das ernst, oder war das nur eine politische Rede?"

In der Berliner Zeitung erläutert Jens Blankennagel nochmal, weshalb die Hohenzollern keinen Anspruch auf Entschädigung haben (Unser Resümee): "Die Ablehnung des Landes beruht darauf, dass Enteignungen durch die Sowjets im Rahmen der 'Bodenreform' erfolgte. Diese Enteignungen wurden offiziell anerkannt, als die DDR der Bundesrepublik beitrat. Dafür können zwar Entschädigungen gezahlt werden - müssen allerdings nicht, wenn die Betroffenen einst als Kriegsverbrecher enteignet wurden. Und genau das war bei den Hohenzollern der Fall. Als Kriterium galt, dass Mitglieder der Familie den Nazis willentlich zur Macht verholfen haben oder das NS-Regime aktiv unterstützt haben."

Amerikanische Autoren müssen zunehmend "Moralklauseln" unterschreiben, so behalten sich Verlage das Recht vor, Verträge mit den Autoren bei Fehlverhalten zu kündigen, schreibt Kerstin Kohlenberg im Aufmacher des Zeit-Feuilletons: "Die Moralklauseln werden oft als Verhaltensregeln kritisiert, mit denen Verlage ihre Autoren kontrollieren und zensieren wollen. Eine Art Sittenkontrolle. Doch das führt in die Irre. Deutlich wird das an der Tatsache, dass jedes große Verlagshaus einen Ableger besitzt, mit dem es den lukrativen Markt der jungen Rechten bedient. (...) Auf Literaturfestivals sieht man diese Bücher nicht, dafür findet man sie in den Regalen von Walmart und Target im konservativen Amerika. Das Skandalöse an den Klauseln ist nicht moralischer, sondern ökonomischer Natur. Denn die Klauseln sind eine ziemlich krasse Art der Risikoabsicherung. Mit ihr schützen sich die Verlage gegen den scharfen Wind der öffentlichen Meinung, der durch einen von den sozialen Medien befeuerten moralischen Populismus gekennzeichnet ist. Das Risiko trägt der Autor ganz allein."
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Medien

Im SZ-Interview mit Oliver das Gupta erklärt der ehemalige Chefredakteur und jetzt auch ehemalige Herausgeber des Wiener Kurier, Helmut Brandstätter, wie die FPÖ unter Sebastian Kurz Druck auf die freie Presse ausübt: "Während in unserem Land die staatliche Parteienförderung ständig erhöht wird - auch Kurz hat das getan - werden die vom digitalen Wandel ohnehin betroffenen Medien ausgehungert. Ausnahme sind die Zeitungen und Zeitschriften, die lieb schreiben. Die bekommen viele Millionen in Form von Anzeigen. Die Regierenden, nicht nur ÖVP und FPÖ, sondern auch die SPÖ, versuchen also, Medien durch öffentliche Gelder - sagen wir es freundlich - positiv zu stimmen. Darum verwende ich - weniger freundlich, aber treffend - das Wort 'Inseratenkorruption'".
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Ideen

Die ungarische Regierung tut das beste, um die Erinnerung an Georg Lukács auszuradieren, berichtet Rudolf Walther für die taz. Eine Statue in Budapest wurde bereits geschleift. Und "schon vor gut einem Jahr erklärte die Budapester Akademie, deren Etat von Orbán zusammengestrichen wurde, der Zugang zum Lukács-Archiv sei nicht mehr zu gewährleisten und die Arbeiten an der Digitalisierung von Werken und Briefen des Philosophen müssten eingestellt werden. Ob es der Internationalen Lukács-Gesellschaft gelingt, Geld zur Erhaltung und Digitalisierung des Nachlasses zu mobilisieren, ist noch nicht geklärt."
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Internet

Facebook zeigt sich in mehreren Äußerung Mark Zuckerbergs und anderer Repräsentanten offen für RegulierungChristopher Wimmer vermutet in der taz, dass der Konzern damit Schlimmerem zuvorkommen will, denn Regulierung wird kommen: "Das US-Justizministerium will Facebook, Amazon und andere daraufhin überprüfen, ob sie den Wettbewerb verzerren. Manche erkennen dahinter einen Angriff Donald Trumps, dem der politische Einfluss von Tech-CEOs wie Amazon-Chef Jeff Bezos nicht schmeckt. Aus dem linken US-Spektrum wird derweil gefordert, Konzerne wie Facebook zu zerschlagen, da sie eine Monopolstellung innehätten. Präsidentschaftskandidatin Elisabeth Warren ist eine prominente Stimme, die dies fordert. Und auch bei der Europäischen Union steht Regulierung auf der To-do-Liste."
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Europa

Anetta Kahane ist mit ihrer Amadeu-Antonio-Stiftung eine weithin anerkannte Expertin für Rechtsextremismus. Dabei ist bekannt, dass sie sich als Zwanzigjährige als Stasi-IM anwerben ließ und der Stasi acht Jahre lang fleißig Informationen zukommen ließ. Hubertus Knabe geht in seinem Blog die Kahane-Akten durch, die heute  in der Stasi-Unterlagen-Behörde liegen, wo sie für Aufarbeitungszwecke für jedermann einsehbar sind. Oft ging es um Anwerbung von chilenischen Exilanten oder auch Westberlinern. "Ausführlich berichtete Kahane auch über einen ZDF-Mitarbeiter, mit dem sie in freundschaftlichem Kontakt stand. Sie informierte das MfS nicht nur über sein Privatleben. Mit ihrer Hilfe konnten auch Hinweise auf illegale journalistische Aktivitäten in Ost-Berlin 'erarbeitet' werden, wie ihr Führungsoffizier festhielt. Die 'auftragsgemäß' beschafften Informationen dienten ihm zufolge aber vor allem dazu, das 'Aufklärungsbild zur Persönlichkeit' zu vervollkommnen. Zu seinem Glück verschwand der Journalist nach einiger Zeit aus Kahanes Umfeld, weil er als Korrespondent nach Lateinamerika ging." 1982 stieg Kahane nach Knabe aus eigenen Stücken aus der Stasi-Mitarbeit aus. "Der Ausstieg aus der IM-Tätigkeit ist Kahane zweifellos positiv anzurechnen. Andere Spitzel haben bis zum Ende der DDR weitergemacht." Kahane selbst betont, dass sie stets offen mit ihrer Stasi-Geschichte umgegangen sei.

Vehement wehrt sich Katrin Hattenhauer, ehemalige Leipziger Oppositionelle, in der FAZ-Debatte gegen die These des Soziologen Detlef Pollack, die DDR-Opposition habe in Wirklichkeit an der DDR festgehalten, und das Ende der DDR sei von der Masse der Bevölkerung herbeigeführt worden (unsere Resümees): "Sieht mich Herr Pollack hier als jemanden, der die 'bessere DDR' und darin eigentlich nur mitmachen wollte und dann vom DDR-Staat bloß falsch - als Feind - verstanden worden ist? Ach, hätte dieser DDR-Staat doch nur meine 'wahren' Absichten erkannt - so wie Herr Pollack -, wir hätten uns ja die ganze Revolution sparen können."
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