In der
FAZ berichtet
Bülent Mümay, dass bereits über hundert Menschen, die
Ankaras Krieg gegen die Kurden als "Invasion" bezeichneten, festgenommen wurden. Man darf es nur "Operation" nennen.Und außenpolitisch mag die Invasion zu einem Debakel führen, aber innenpolitisch ist sie ein voller Erfolg für Präsident Erdogan, ahnt Mümay: "Vor der Operation war der Stimmenanteil für Erdogan persönlich auf etwas mehr als vierzig Prozent gesunken, mit der 'Oberbefehlshabermütze' hat er seine Führerschaft wieder gestärkt. Der auch von den Kurden unterstützte
Oppositionsblock hätte den Palast ins Wanken bringen können, jetzt ist er
aufgelöst. Zwischen Kurden und Opposition, die sich gezwungen sah, die Operation abzunicken, um keinen Schaden durch die
Welle des Nationalismus zu erleiden, tut sich eine Kluft auf. Auch die Parteien, die sich anschickten, der AKP Stimmen abzujagen, müssen neu kalkulieren. Vor allem aber: Von
Teuerung der Lebenshaltungskosten und von Korruptionsvorwürfen ist keine Rede mehr."
Philipp Breu
besucht für die
NZZ im kurdisch kontrollierten Teil Nordsyriens die neu gegründete
Rojava Universität, wo man - vor dem Einmarsch der Türken - noch hoffnungsfroh in die Zukunft blickt: "'Das erste Mal in unserer Geschichte ist es uns Kurden möglich, höhere Bildung in unserem Land zu genießen, ohne dafür ins Ausland gehen zu müssen', sagt (Universitätsleiterin)
Rohan Mustafa in ihrem großen Büro im dritten Stock. 'Die Herausforderung für uns lag nicht so sehr darin, diese Universität zu gründen, sondern jungen kurdischen Menschen zu vermitteln, dass sie sich
in ihrer Sprache bilden können, ohne sich dafür schämen zu müssen. Das Land wurde jahrzehntelang durch die Baath-Ideologie geprägt, welche die
Araber zur überlegenen Rasse erklärt. Das hat sich auf das Selbstverständnis der kurdischen Gesellschaft spürbar ausgewirkt.'" Mit dem Einmarsch der türkischen Armee in Nordsyrien dürfte dieser kurdische Traum schon wieder ausgeträumt sein.
Der russische Sicherheitsapparat wird immer paranoider,
schreibt der in Berlin lebende Autor
Nikolai Klimeniouk in der
NZZ. Besonders hart trifft es derzeit Jugendliche und Studenten. Eigentlich ein Wunder, dass überhaupt noch jemand aufmuckt: "Wo keine Revolution ist, wird sie
vom Sicherheitsapparat fabriziert. Schließlich muss er tätig sein und seine Notwendigkeit beweisen. Im März 2018 wurden in Moskau zehn vermeintliche Mitglieder der Extremistengruppe 'Neue Größe' festgenommen, sie sollen einen
gewaltsamen Umsturz der Staatsmacht geplant haben. Doch diese Gruppe hat nie existiert, sie wurde von A bis Z von einem verdeckten Ermittler erfunden. Unter den Verhafteten waren
zwei junge Frauen, damals 17 und 19 Jahre alt. Die jüngere, Anna Pawlikowa, wurde bei der Verhaftung und in der U-Haft so malträtiert, dass ihr nach einigen Monaten die
Zähne zerbröckelten und die Haare ausfielen. Sie wurde schwer krank und bekam keine medizinische Hilfe, eine in Russland populäre Methode, Geständnisse zu erpressen. Statt sie zu behandeln, versicherten ihr die Gefängnisärzte, sie werde
nie Kinder bekommen können."
In der
New York Times schickt Joshua Hammer einen gruseligen Report aus den
Philippinen, wo Präsident Duterte eine üble Kampagne
gegen Journalisten gestartet hat: Die
Manila Times, die älteste englischsprachige Zeitung des Landes, veröffentlichte eine Liste von Schriftstellern, Verleger und Anwälten, die sich angeblich gegen Präsident Rodrigo Duterte verschworen hätten. Die Zeitung nannte es 'Die Matrix' und platzierte
Maria Ressa - die frühere Südostasien-Chefin von
CNN und jetzt Chefredakteurin des Online-Magazins
Rappler - im Zentrum der Verschwörung. Die Matrix plane, behauptete die Zeitung, die öffentliche Stimmung mit Fake News zu manipulieren, Kontakt mit linken Organisationen herzustellen, Polizei und Militär zu unterwandern und dann 'loszuschlagen'. An den Tag, als der Artikel erschien, präsentierte Dutertes Sprecher ein
Diagramm der Matrix, die der Regierung von einem
ausländischen Geheimdienst zugespielt worden sei."
Gestern warnte
Edward Snowden im
Guardian vor "Hintertüren" in verschlüsselten Nachrichten, die amerikanische Sicherheitsbehörden von Facebook und Co fordern (
unser Resümee). Aber auch hierzulande gibt es starke Bestrebungen, die Überwachung der Bevölkerung möglichst lückenlos zu gestalten. Auf
Zeit online fordern der Jurist Ulf Buermeyer und der Cyber-Sicherheitsexperte Sven Herpig deshalb in einem lesenswerten Text
ein Moratorium und die Evaluierung der bereits bestehenden Gesetze. Sie erinnern daran, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2010 immer eine Art "Überwachungsgesamtrechnung" aufgemacht werden muss: "Denn mit dem Menschenbild des Grundgesetzes wäre es schlicht nicht zu vereinbaren, wenn immer mehr sogenannte 'Sicherheitspakete' in Bund und Ländern aufeinandergestapelt werden, die es in der Summe ermöglichen, die
Bevölkerung nahezu vollständig auszuforschen. Statt also reflexhaft immer neue Gesetze zu fordern, die
in einer Art Salamitaktik die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger sukzessive schrumpfen lassen, wäre ein rationaler Ansatz erforderlich. Es wäre relativ einfach: Bund und Länder müssten in einem gemeinsamen Gremium mit unabhängiger wissenschaftlicher Begleitung prüfen,
welche Befugnisse Sicherheitsbehörden bereits haben. Dann könnte anhand konkreter Vorfälle analysiert werden, ob tatsächlich mangelnde rechtliche Spielräume Ursache des Problems waren - oder ob die Gründe nicht eher in
mangelnder Nutzung bestehender Befugnisse oder in
schlechter Abstimmung zwischen den zahlreichen Stellen in Bund und Ländern zu suchen sind."