Die SZ druckt die Rede, die
Achille Mbembe auf der Ruhrtriennale gehalten hätte, wenn die nicht abgesagt worden wäre. Darin macht er mehr oder weniger den
Kapitalismus verantwortlich für allen Schlamassel auf der Erde, inklusive
Covid 19. Die Corona-Toten sieht er denn auch als "
Blutopfer" auf dem Altar des Kapitalismus. Egal ob die Politik Schutzmaßnahmen beschließt oder nicht, am Ende sterben immer die Armen, am Hunger oder an Corona: Das "
Recht auf Existenz wird immer weniger zu trennen sein von seinem Gegenpart: der Frage, wer die Ansteckung in sich trägt, wer also eliminiert werden kann, damit die Masse überlebt. Dass die
scheinbar gesundheitspolitischen Entscheidungen letztlich das Überleben derer bedrohen, die
unerwünscht sind, ist momentan das große Risiko. Dieses Risiko liegt den von der Ökonomie entliehenen Maßstäben ebenso zugrunde wie den neuen staatlichen Maßnahmen, die durch die Pandemie möglich wurden."
Mit Rechten reden ist so eine Sache. Aber lesen,
was Rechte schreiben, ist aufschlussreich - und geschieht viel zu selten. Florian Sprenger
studiert für die
Pop-Zeitschrift die rechte ökologische
Zeitschrift Die Kehre, die von einem Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten im Bundestag betrieben wird. "Zurückgekehrt werden soll zu der einen Ökologie, die einer
Metaphysik des Ganzen gehorcht, dieses holistisch über den Zusammenhang seiner Bestandteile stellt und dabei berücksichtigt, dass man ein Volk nicht von seinem
Lebensraum trennen kann, ohne ihm die (Über-)Lebensgrundlage zu entziehen. Damit sind jene ökologischen Ansätze angesprochen, die in der
Zwischenkriegszeit ihre Blüte hatten und nicht zufällig an nationalsozialistische Ideologien anschlussfähig waren, sondern diese Nähe aktiv gesucht haben - zumeist, dies sei jedoch gesagt, mit wenig Erfolg. Die Nähe von Holismus und Faschismus ist jedoch nicht nur ein Verhältnis der Rezeption, sondern eine
Geistesverwandtschaft."
In der
FAZ kritisiert
Simon Strauß die reflexhafte Ablehnung aller Vorschläge rechter Politiker, auch wenn sie mal was nicht Kritikwürdiges tun. Wie jetzt der neue rechte Bürgermeister von Perpignan,
Louis Aliot, der ankündigte, das brachliegende "Centre d'Art Contemporain
Walter Benjamin" als Erinnerungsort für Flucht und Vertreibung wieder zu eröffnen. Für die Berliner Akademie kommt das laut Präsidentin
Jeanine Meerapfel "einer
neuen Schändung und Verfolgung seiner Person gleich". "Geht's noch?", fragt Strauß empört. "Würde sich eine Akademie-Präsidentin in anderem Zusammenhang so eine Geschmacklosigkeit leisten, würde ihr Rücktritt gefordert. Hier aber werden die meisten Empfänger des Schreibens die Sache überfliegend abtun und davon überzeugt sein, es diene ja einer guten Sache, sei
irgendwie gegen rechts und damit sowieso gerechtfertigt. Ist es aber nicht. Wer hat denn welches Recht, sich an wen wie zu erinnern?"
Im stramm linken amerikanischen Magazin
Jacobin erinnert Leigh Phillips die Linke daran, dass die Verteidigung der
Meinungsfreiheit immer ein
urlinkes Anliegen war: "David Goldberger, der jüdische ACLU-Anwalt, der sich der Redefreiheit so sehr verpflichtet fühlte, dass er 1977 eine
Gruppe von Chicagoer Nazis vor Gericht vertrat, um ihr Recht zu verteidigen, durch Skokie, Illinois, zu marschieren, erkannte, dass
gerade in solchen Fällen der Kampf um Freiheit gewonnen oder verloren wird. Viele Progressive sind sich heute nicht bewusst, dass der Kampf für freie Meinungsäußerung ein zentrales Projekt der Linken war... Heute sind zu viele moderne Linke, vor allem jüngere, der
Redefreiheit gegenüber gleichgültig geworden oder, schlimmer noch, sie betrachten die Verteidigung der Redefreiheit als etwas, das der Linken fremd ist, als eine Waffe der Unterdrückung. Dies ist eine
historische Katastrophe. Jahrhundertelang, von den Säuberungen Stalins über die chinesische Kulturrevolution bis hin zu den Tötungsfeldern Kambodschas, begingen diejenigen, die den Mantel der Emanzipation beanspruchten, ihr größtes Übel, als die Linke die bürgerlichen Freiheiten aufgab und sich
dem Gruppendenken verschrieb, das angeblich im Dienste eines 'höheren Gutes' stand."
Die Entscheidungen, die
Wladimir Putin über die Krim gefällt hat,
Xi Jinping über Hongkong,
Recep Erdogan über die Hagia Sophia und
Benjamin Netanyahu über das Westjordanland, werden nicht mehr rückgängig gemacht werden können,
fürchtet der Ökonom
Branko Milanovic in der
NZZ. Am Beispiel der
Hagia Sophia beschreibt er das so: "Wer auch immer an Erdogans Stelle tritt, wird es, selbst wenn er der weltlichsten und am wenigsten konfessionsgebundenen Partei angehört, überaus schwer finden, diese Moschee-Entscheidung rückgängig zu machen. Käme eine solche Partei an die Macht, müsste sie
andere und dringendere Probleme lösen. Würde sie versuchen, Erdogans Aktion zurückzunehmen, würde sie damit eine
unnötige Front eröffnen, an der die wahrscheinlichen Verluste überproportional höher als die möglichen Gewinne sind. Also hat Erdogan gesiegt - und es könnte hundert Jahre dauern, seine Moschee-Entscheidung rückgängig zu machen." Es bleibt etwas unklar, welche Lehren Milanovic daraus zieht.
"Nicht alles, was in den ersten Jahrzehnten der Republik Türkei auf den Weg gebracht wurde, wird sich
zurückdrehen lassen", meint in der
FAZ auch der Islamwissenschaftler
Maurus Reinkowski und empfiehlt einen langen Atem im Umgang mit der Türkei. "Die AKP-Regierung hat alles Erdenkliche dafür getan, sich
tief in den Schaltstellen der Macht einzugraben. Eine einfache Übergabe der Regierungsgeschäfte bei den nächsten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2023, dem Jahr, in dem die Türkei zudem ihr einhundertjähriges Bestehen als Republik feiern wird, erscheint derzeit kaum möglich. ... Ist also die Entwicklung in der Türkei als eine schicksalshaft eingetretene
tektonische Verschiebung hinzunehmen? Ganz sicher nicht. Die Türkei verfügt über eine schwierige, aber jahrzehntelange
Erfahrung mit der Demokratie."
Wird Corona zu einer Gesellschaft der
digitalen Überwachnung führen? Zum Teil ja, aber es kommt auch darauf an, wie die Gesellschaften
damit umgehen,
schreibt der österreichische Autor
Leopold Federmair, der in Hiroshima lebt. Die Unterschiede zwischen den Mentalitäten wurden so schon deutlich: "Was
Italien angeht, so hat man als Grund für die hohe Sterblichkeit aufgrund von Covid-19 die
Überalterung der Bevölkerung genannt. In
Japan werden die Leute
noch älter, aber die Corona-Sterblichkeit ist vergleichsweise gering. Warum sie hier so alt werden, dass die Gesellschaft in berechenbarer Zeit implodieren wird, hat mit vielerlei zu tun, besonders aber mit
Vorsorge und Vorsicht, regelmäßigen Checks, der
Vermeidung von allem, was schädlich oder gefährlich sein könnte. Die meisten Japaner sind ängstlich und werden leicht Opfer von Paranoia."
Nachdem sich die
DFG entschudigte, das sie im Rahmen von Promi-Äußerungen zu einem Jubiläum ein Video des Kabarettisten
Dieter Nuhr gebrachte hatte, wo dieser sich in einem Schlenker über die
Follow-Friday-Bewegung mokierte, entschuldigt sie sich in einer Erklärung (pdf-
Dokument) nun bei Dieter Nuhr, dass sie das Video entfernt hat: "Die Entfernung des Beitrags erfolgte ohne weitere Erläuterung und ohne vorherige Information an Herrn Nuhr, was die DFG
ausdrücklich bedauert und wofür sie sich bei Herrn Nuhr entschuldigt. Auch möchte die DFG betonen, dass sie mit der Entfernung des Beitrags keineswegs Herrn Nuhrs persönliche Einstellung zur Wissenschaft bewerten wollte." Man sei sich nicht im klaren gewesen, dass Nuhr in Bezug auf Follow Friday Sätze gesagt hatte wie: "Wissenschaft ist nämlich
keine Heilslehre, keine Religion, die absolute Wahrheiten verkündet. Und wer ständig ruft 'Folgt der Wissenschaft!' hat das offensichtlich nicht begriffen." In diesen Streit wolle die DFG nicht eingreifen.
Man bietet nun an, Nuhrs Video mit einem
einleitenden Kommentar doch zu bringen. Aber Nuhr lehnt ab,
meldet die
Welt: "Was soll das denn? Alle anderen sagen frei ihre Meinung und meine wird mit einer Warnung versehen
wie eine Zigarettenpackung."
Der israelische Wisenschaftshistoriker
Gideon Freudenthal erklärt im Gespräch mit Hanno Hauenstein von der
Berliner Zeitung, warum er den
Aufruf der sechzig Intellektuellen um Micha Brumlik und den ehemaligen Antisemitismusforscher Wolfgang Benz gegen
Felix Klein unterzeichnet hat: Als Bundesbeauftragter gegen Antisemitismus habe sich Klein
der Netanjahu-Linie ergeben. Auslöser für den Aufruf sei ein
Buch des israelischen Top-Beamten
Arye Shalicar. Dieser habe in einem Buch wiederum einen anderen Autor angegriffen,
Rainer Bernstein, welcher eine völlig honorige, aber Netanjahu-kritische Position vertrete. "Klein stellte sich zwar nicht direkt hinter das Buch (Shalicars), aber es gab doch
finanzielle Unterstützung, das ist eine Form von Zusammenarbeit. Hier in Israel sind wir es gewohnt, dass die Regierung den Vorwurf des Antisemitismus nutzt, um
Kritik zum Schweigen zu bringen. In jüngsten Jahren ist das sogar offizielle Politik geworden. Es gibt hier einen Minister, zu dessen Aufgaben es gehört, der sogenannten BDS-Politik außerhalb Israels entgegenzuwirken. Herr Shalicar ist also ein Teil einer größeren Entwicklung. Die Sperrung des Bankkontos der Gruppe 'Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.' geht ebenso darauf zurück."