9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

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2006 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 201

9punkt - Die Debattenrundschau vom 23.04.2024 - Medien

Die Hamburger Morgenpost erscheint nur noch einmal die Woche gedruckt, ansonsten online, meldet der Wirtschaftspublizist Hermannus Pfeiffer mit Bedauern in der FR, der näheres von Chefredakteur Maik Koltermann erfährt: "Das neue Kapitel, welches der Verlag am 12. April aufschlug, wurde getrieben von stetig gestiegenen Pro-Stück-Kosten für die Erstellung und den Vertrieb der täglichen Printausgabe, erklärt Koltermann und verweist stattdessen auf mopo.de. Dort liegen viele Artikel hinter einer Bezahlschranke. Online würden sich bis zu 450 000 Menschen täglich über die aktuelle News-Lage informieren - das neue, 104 Seiten starke Wochen-Mopo-Format sei die optimale Ergänzung zu diesem Digitalangebot, versichert Koltermann. Die Ergänzung kostet mich bei meinem Zeitungshöker 4,80 Euro. Eine andere Mopo-Welt, welche auf einen Teil der etwa 100 Beschäftigten in Verlag und Redaktion verzichten wird. Ein weiterer Schlag für den Printstandort Hamburg, nach dem Zusammenschluss der Kölner Bertelsmann-Tochtergesellschaft RTL Deutschland mit der Hamburger Verlagsikone Gruner + Jahr."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.04.2024 - Medien

Das "World Press Photo" wird durch eine niederländische Stiftung ausgewählt. In diesem Jahr wird wie so oft bei prämierten Pressefotos eine trauernde Frau gezeigt, die ein totes Kind in einem Leichentuch im Arm hält - es handelt sich um eine Szene aus Gaza. Thomas Schmid wertet den Preis in der Welt (und in seinem Blog) als "die Indienstnahme eines Moments großer Trauer für eine im Grunde politische Aussage", also die Instrumentalisierung palästinensischen Leids, um Hass auf Israel zu schüren. "Zu einem Skandal wird die diesjährige World-Press-Photo-Award-Veranstaltung aber durch ein Fehlen, eine Unterlassung, eine Leerstelle. Es passierte im vergangenen Jahr viel Furchtbares, das durch Fotografien festgehalten werden sollte. Zu diesem Furchtbaren gehörte auch die Hamas-Mordaktion vom 7. Oktober 2023. ... Und anders als beim Holocaust waren die Täter keineswegs bemüht, ihr Morden vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Sie wollten die Welt teilhaben lassen an ihrem Wüten. Sie filmten, sie dokumentierten ihre Taten und stellten sie ins Netz. Noch Tage wie Wochen später waren die Spuren dieser Mordaktion zu sehen und zu besichtigen: Blut, Leichenteile, zerstörte Wohnungen, verwaiste Dreiräder. Viele Fotografen haben sie dokumentiert. Doch die Stiftung 'World Press Photo' hielt keine dieser Aufnahmen einer Anerkennung für würdig. Die Hamas-Morde kommen in dieser ästhetisierenden parteiischen Foto-Welt einfach nicht vor." (Anm. d.Red: Ein Foto vom 7. Obktober wurde doch in die Auswahl des Award aufgenommen, siehe Leserkommentar unten.)

Außerdem: In der taz berichtet Wilfried Urbe über sehr viel Ärger im Kölner Zeitungs- und Verlagshaus Dumont, gerade hat die Belegschaft ihren siebten Warnstreik in diesem Jahr beendet.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 17.04.2024 - Medien

In der FAZ rechnet Helmut Hartung vor, was die Sanierung der Immobilien der Öffentlich-Rechtlichen kosten soll: "Die Sanierung der Deutschlandradio-Standorte in Köln und Berlin für 356,3 Millionen Euro ist nur die Spitze des intransparenten Immobilienberges, den die öffentlich-rechtlichen Sender auf Kosten der Beitragszahler sanieren oder erweitern lassen. Insgesamt haben der Bayerische Rundfunk, der NDR, der SWR, der WDR, das ZDF und das Deutschlandradio laut 24. KEF-Bericht Großinvestitionen von insgesamt 770,2 Millionen Euro angemeldet. (…) Zu den fragwürdigen Investitionen gehört auch die Sanierung des Kölner Filmhauses des WDR." Die Finanzkommission KEF fordert entsprechend ein besseres Immobilienmanagement: "In einem sofortigen Quickcheck soll unter anderem die Schaffung vollständiger Datengrundlagen, eine Potentialabschätzung sowie die Entwicklung von Handlungsalternativen erfolgen. Alle Rundfunkanstalten müssen bis Ende dieses Jahres eine einsparorientierte Immobilienstrategie erarbeiten, die den Flächenbedarf sowie eine Planung der Flächenbedarfsdeckung enthält."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 15.04.2024 - Medien

Auf Twitter polarisiert "Tagesthemen"-Anchorman Ingo Zamperoni wegen seiner Anmoderation zum iranischen Angriff auf Israel

Doch nicht nur Ingo Zamperoni steht nun massiv in der Kritik, schreibt Kurt Sagatz im Tagesspiegel. Auch ARD und ZDF werden dafür kritisiert, nicht von ihrem normalen Programm, "Wer weiß denn sowas XXL" und "Das aktuelle Sportstudio", abgewichen zu sein, hieß es Samstagabend laut Sagatz bei X. "'Deutsche Nachrichtenlandschaft geht weiter nach Plan, weder ntv, Welt24 noch ARD/ZDF interessieren sich für den Angriff des Iran. Bestenfalls unten im Ticker. Man muss BBC oder CNN schauen, um über die aktuelle Lage Infos zu bekommen', bemängelt ein anderer Nutzer, der mit seiner Kritik nicht allein dasteht."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 10.04.2024 - Medien

Die vom SWR entlassene Moderatorin Helen Fares (unser Resümee) hat auf Instagram ein Statement zu ihrer Kündigung abgegeben, so Susanne Lenz in der Berliner Zeitung, in dem sie behauptet, der Grund für ihre Kündigung seien rechte Stimmen beim Sender. Sie verteidigt ihre Haltung zu Israel und ihre Nutzung der App "No Thanks": "Eines wolle sie klarstellen: 'Wir sind nicht antisemitisch, weil wir Produkte boykottieren, mit denen ein Land unterstützt wird, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Völkermords verantworten muss', sagt Helen Fares. Israel habe in Gaza Zehntausende 'abgeschlachtet'. Dass Hamas-Terroristen Israelis vergewaltigt und brutal ermordet haben, davon ist bei ihr nicht die Rede. Sie verteidigt den Boykott als übliche Protestform."
Stichwörter: Hamas

9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.04.2024 - Medien

Helen Fares, SWR-Moderatorin mit syrischen Wurzeln, hat per Instagram und X die App "No Thanks" beworben, über die man erkennen kann, ob ein Produkt aus Israel stammt oder der Hersteller israelische Unternehmen unterstützt.  Der Autor und Journalist Hasnain Kazim twittert: "Das ist 'Kauft nicht bei Juden!' im Jahr 2024. Wahnsinn".


Inzwischen hat der SWR Fares von der Moderation der Sendung "Mixtalk" entbunden, weiß Christian Meier in der Welt: "Wer unterschiedslos, diskriminierend und geschichtsvergessen Boykotte ausruft und unterstützt, schließt sich selbst aus dem zivilen Diskurs aus.

Hinter der App, die allein für Android über eine Million Downloads verzeichnet, steht der palästinensischer Software-Entwickler Ahmed Bashbash, schreibt Christoph Kapalschinski, der auf den Wirtschaftsseiten der Welt die App vorstellt: "Per Foto vom Strichcode eines Produkts warnt die App vor Unternehmen, die angeblich Israel im Gaza-Krieg unterstützen. Dabei reicht es aus, dass ein Unternehmen Läden in Israel betreibt, im Konzernverbund schon einmal in dem Land investiert oder auch nur den Terror-Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 verurteilt hat. Entsprechend breit ist die Warnliste. Sie umfasst längst nicht nur Unternehmen und Produkte aus Israel, sondern reicht von Nike über Mars und Unilever bis Coca-Cola. Auch deutsche Unternehmen sind dabei."
Stichwörter: Fares, Helen, SWR, Hamas

9punkt - Die Debattenrundschau vom 06.04.2024 - Medien

Ja, es gibt eine Menge zu kritisieren an den Öffentlich-Rechtlichen, schreibt Götz Hamann auf Zeit Online. Bei dem nun veröffentlichten Manifest wird ihm dennoch mulmig zumute, nicht nur, weil viele der Erstunterzeichner mit besten Renten ausgestattete ehemalige Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind. Irritiert ist Hamann vor allem davon, dass das Manifest das journalistische Format des Faktenchecks ablehnt, "wie es ARD, ZDF und Deutschlandradio praktizieren. Dabei ist das der Versuch, kursierende Lügen, Desinformationen und Bildmanipulationen in sozialen Medien aufzudecken. Es ist der Versuch, so etwas wie eine Faktenbasis, eine gemeinsame Wirklichkeit zu erhalten, auf deren Grundlage die Gesellschaft ihre politischen Auseinandersetzungen führen kann. Dieses Bemühen wird in dem Manifest als 'so genannte Faktenchecks' disqualifiziert. Diese würden eine 'vermeintlich absolute Wahrheit' suggerieren. Wer so argumentiert, rückt das Format des Faktenchecks in die Nähe von Gehirnwäsche. Und mal anders gefragt: Was wäre Journalismus eigentlich ohne Fakten?"

Ein Verbot von Al Jazeera in Israel ist der falsch Weg, meint Felix Wellisch in der taz: "Was die Sicherheit Israels gefährdet, ist nicht die freie Presse, auch wenn sie derart parteiisch berichtet wie Al Jazeera. Gefährlich sind die Informationsblasen, in denen sich viele Palästinenser und Israelis eingerichtet haben. Und gefährlich ist das Unverständnis vieler Israelis für die wachsende Kritik weltweit am Vorgehen der Armee in Gaza."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 05.04.2024 - Medien

Das vom Perlentaucher aufgegriffene Scharmützel der Berliner Zeitung mit dem ukrainischen Botschafter Oleksij Makejev und zugleich mit dem Tagesspiegel, findet nun auch in der FAZ ein kleines Echo, wo Michael Hanfeld kommentiert: "Geht's noch? Ein Blatt, dessen Verleger (Ex-Stasi-IM) den einstigen Bild-Chef Julian Reichelt an Springer verpfiffen und den Informantenschutz zersetzt hat, das ein Interview mit Roger Waters um entscheidende judenfeindliche Einlassungen kürzt, hält diese Kritik für einen 'Eingriff in die Pressefreiheit'?" In der taz schreibt Steffen Grimberg.

Die Geldsummen, die die Öffentlich-Rechtlichen für die Sportberichterstattung ausgeben, scheinen nicht immer ganz leicht festzumachen zu sein. Helmut Hartung versucht es in der FAZ anlässlich der Vergabe neuer Sportrechte, um die sich die Sender bewerben. Den bisherigen Zustand beziffert Hartung so: "2022 ließ sich die ARD den Sport im Ersten 431,7 Millionen Euro kosten, die Berichterstattung über Politik und Gesellschaft 399,4 Millionen. Pro Sendeminute wurden für dieses Programm 2.943 Euro aufgewendet, für den Sport 10.014 Euro - mehr als das Dreifache. Für keine Inhalte hat die ARD 2022 mehr investiert als für Sport."

Weitere Artikel: Unter dem Titel "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk" kritisieren mehr als hundert Journalisten, Künstler und Wissenschaftler "eine Eingrenzung des Debattenraums und eine zunehmende Grenzverschiebung zwischen Meinungsmache und Berichterstattung" bei den Öffentlich-Rechtlichen, berichtet unter anderm Kurt Sagatz, der die Forderungen im Tagesspiegel für eine "Revolution" hält. Zu den Unterzeichnern gehören Intellektuelle wie Ulrike Guérot und Jürgen Fliege.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 04.04.2024 - Medien

Die Berliner Zeitung trägt gerade eine Fehde mit dem Konkurrenzinstitut aus dem Westen, dem Tagesspiegel, aus, und verriet dabei auch ein kleines Geheimnis über die Berechnung von Auflagenzahl (unser Resümee). Das Epaper des Tagesspiegels werde mit 54.300 Exemplaren in die "harte Auflage" eingerechnet, das sei aber dubios, so die Berliner Zeitung. Dazu macht Stefan Niggemeier in den Uebermedien folgende Anmerkung: "Wie hoch die Auflage der Berliner Zeitung ist, ist unbekannt: Ihr Verleger Holger Friedrich hat sie aus der unabhängigen Zählung der IVW vor zweieinhalb Jahren herausgenommen. Vorausgegangen war ein jahrelanger Absturz - die Auflage der Berliner Zeitung war noch schneller gesunken als die der örtlichen Konkurrenz. Der Tagesspiegel steht im Vergleich mit seinen direkten Konkurrenten nach allem, was man weiß, am wenigsten schlecht da."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 03.04.2024 - Medien

"Alles, was irgendwie mit Russland zu tun hat, bleibt in Deutschland auf eine fast magische Art ohne Konsequenzen", ärgert sich auf den Medienseiten der FAZ Nikolai Klimeniouk, der nicht nur den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier "wegen seiner Beteiligung an gravierenden Fehlentscheidungen vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss" gestellt hätte, sondern auch mit den Medien ins Gericht geht: "Führende Zeitungen brachten Berichte ihrer Korrespondenten über krasse Menschenrechtsverletzungen in Russland, Misshandlungen von Andersdenkenden, Zerschlagung der freien Medien, Unterdrückung aller erdenklichen Minderheiten und ideologische Indoktrination. Gleichzeitig erschienen in denselben Zeitungen Gastbeiträge und Appelle, die Verständnis für Russlands Verbrechen (die man natürlich so nicht nannte) forderten und der Ukraine nahelegten, auf die besetzten Gebiete im Namen des Friedens zu verzichten. Die tatsächlichen Entscheidungen der deutschen Politik, die der Ukraine aufgezwungenen Minsk-Verträge und vor allem der Bau der Pipeline Nord Stream 2, folgten insgesamt diesen Empfehlungen. Deutlicher konnte man der deutschen Gesellschaft nicht signalisieren, dass demokratische Grundsätze verhandelbar sind und dass man es mit der Menschenwürde nicht so ernst nimmt."

Ganz empört antwortet die gesammelte Chefredaktion der Berliner Zeitung auf einen Twitter-Thread des ukrainischen Botschafters Oleksii Makeiev. Dieser hatte der Zeitung vorgeworfen, mehr oder weniger zum Sammelbecken der Russophilie und ehemaliger Autoren russlandnaher Medien geworden zu sein. Auf die Vorwürfe gehen die Chefredakteure im Einzelnen nicht ein, sondern bemühen gleich die Pressefreiheit: "Wir sehen die völlig unbegründeten Attacken gegen namentlich genannte Redakteure und Autoren als versuchte Einschüchterung und mithin als Eingriff in die Pressefreiheit... Wir erwarten, dass der ukrainische Botschafter die Pressefreiheit in einer europäischen Demokratie respektiert."

Hier der Thread des Botschafters:


Schmerzlich für die Berliner Zeitung dürfte diese Bemerkung des Botschafters sein: "Ob Russia Today, Ruptly oder RIA Novosti - die @berlinerzeitung ist nach dem 24. Februar 2022 zu einem Arbeitgeber für ehemalige Mitarbeiter russischer Staatsmedien geworden. Wobei man bei diesen Leuten und ihren ehemaligen Jobs kaum von Journalismus sprechen kann." Und natürlich erinnert Makeiev an den Besuch des Verlegers Holger Friedrich und seines Herausgebers Michael Maier bei den Feierlichkeiten der russischen Botschafters zum Jahrestag des Siegs über Deutschland im letzten Mai (unser Resümee).

Der Streit hat einen Nebenschauplatz: das Scharmützel der Berliner Zeitung mit dem Konkurrenzorgan Tagesspiegel. "Welche Rolle spielt der Tagesspiegel bei der seltsamen Aktion", fragt die Chefredaktion der Berliner Zeitung dann auch in ihrem heutigen Artikel. Der Streit mag mehrere Episoden haben, aber der aktuelle Anlass ist folgender: Tagesspiegel-Autor Sebastian Leber hatte der Berliner Zeitung am 8. März vorgeworfen, ein geschöntes Interview mit Roger Waters veröffentlicht zu haben - die antiisraelischen Passagen fehlten und wurden sichtbar, als Waters seine Version der Interviews selber publizierte. In der Berliner Zeitung war man sehr verärgert. "So verzerrt der Tagesspiegel die Wahrheit", antwortete Sören Kittel in der Berliner Zeitung, worauf Leber in seinem Artikel zwei Updates publizierte. Mit Freude berichtete die Berliner Zeitung daraufhin, dass der Tagesspiegel zum 7. April seine Sonntagsausgabe einstellen muss. Dabei werden sogar Küchengeheimnisse preisgegeben: Die Angaben zur "harten" Printauflage des Tagesspiegel seien geschönt: "Laut Statista belief sich die verkaufte Auflage der E-Paper-Ausgabe im vierten Quartal 2023 auf rund 54.300 Exemplare, das heißt, mehr als die Hälfte der 'harten Auflage' wurde nicht mehr auf Zeitungspapier gedruckt. In der Branche werden E-Paper-Verkäufe allerdings grundsätzlich mit Zurückhaltung beurteilt: Die Vertriebswege sind oft intransparent." Und wie steht's also mit dem Epaper der Berliner Zeitung?