"Alles, was irgendwie mit
Russland zu tun hat, bleibt in Deutschland auf eine fast
magische Art ohne Konsequenzen", ärgert sich auf den Medienseiten der
FAZ Nikolai Klimeniouk, der nicht nur den damaligen Außenminister
Frank-
Walter Steinmeier "wegen seiner Beteiligung an gravierenden Fehlentscheidungen vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss" gestellt hätte, sondern auch mit den
Medien ins Gericht geht: "Führende Zeitungen brachten Berichte ihrer Korrespondenten über
krasse Menschenrechtsverletzungen in Russland, Misshandlungen von Andersdenkenden, Zerschlagung der freien Medien, Unterdrückung aller erdenklichen Minderheiten und ideologische Indoktrination. Gleichzeitig erschienen in denselben Zeitungen Gastbeiträge und Appelle, die
Verständnis für Russlands Verbrechen (die man natürlich so nicht nannte) forderten und der Ukraine nahelegten, auf die besetzten Gebiete im Namen des Friedens zu verzichten. Die tatsächlichen Entscheidungen der deutschen Politik, die der Ukraine aufgezwungenen Minsk-Verträge und vor allem der Bau der Pipeline Nord Stream 2, folgten insgesamt diesen Empfehlungen. Deutlicher konnte man der deutschen Gesellschaft nicht signalisieren, dass
demokratische Grundsätze verhandelbar sind und dass man es mit der Menschenwürde nicht so ernst nimmt."
Ganz empört
antwortet die gesammelte Chefredaktion der
Berliner Zeitung auf einen Twitter-Thread des ukrainischen Botschafters
Oleksii Makeiev. Dieser hatte der Zeitung vorgeworfen, mehr oder weniger zum Sammelbecken der Russophilie und ehemaliger Autoren
russlandnaher Medien geworden zu sein. Auf die Vorwürfe gehen die Chefredakteure im Einzelnen nicht ein, sondern bemühen gleich die
Pressefreiheit: "Wir sehen die
völlig unbegründeten Attacken gegen namentlich genannte Redakteure und Autoren als versuchte Einschüchterung und mithin als Eingriff in die Pressefreiheit... Wir erwarten, dass der ukrainische Botschafter die Pressefreiheit in einer
europäischen Demokratie respektiert."
Hier der Thread des Botschafters:
Schmerzlich für die
Berliner Zeitung dürfte diese Bemerkung des Botschafters sein: "Ob
Russia Today,
Ruptly oder
RIA Novosti - die
@berlinerzeitung ist nach dem 24. Februar 2022 zu einem Arbeitgeber für
ehemalige Mitarbeiter russischer Staatsmedien geworden. Wobei man bei diesen Leuten und ihren ehemaligen Jobs kaum von Journalismus sprechen kann." Und natürlich erinnert Makeiev an den Besuch des Verlegers
Holger Friedrich und seines Herausgebers
Michael Maier bei den Feierlichkeiten der russischen Botschafters zum Jahrestag des Siegs über Deutschland im letzten Mai (unser
Resümee).
Der Streit hat einen Nebenschauplatz: das Scharmützel der
Berliner Zeitung mit dem Konkurrenzorgan
Tagesspiegel. "Welche Rolle spielt der
Tagesspiegel bei der seltsamen Aktion", fragt die Chefredaktion der
Berliner Zeitung dann auch in ihrem heutigen Artikel. Der Streit mag mehrere Episoden haben, aber der aktuelle Anlass ist folgender:
Tagesspiegel-Autor Sebastian Leber hatte der
Berliner Zeitung am 8. März
vorgeworfen, ein geschöntes Interview mit
Roger Waters veröffentlicht zu haben - die antiisraelischen Passagen fehlten und wurden sichtbar, als Waters seine Version der Interviews selber publizierte. In der
Berliner Zeitung war man sehr verärgert. "So verzerrt der
Tagesspiegel die Wahrheit",
antwortete Sören Kittel in der
Berliner Zeitung, worauf Leber in seinem Artikel
zwei Updates publizierte. Mit Freude
berichtete die
Berliner Zeitung daraufhin, dass der
Tagesspiegel zum 7. April seine
Sonntagsausgabe einstellen muss. Dabei werden sogar Küchengeheimnisse preisgegeben: Die Angaben zur "
harten"
Printauflage des
Tagesspiegel seien geschönt: "Laut Statista belief sich die verkaufte Auflage der
E-Paper-Ausgabe im vierten Quartal 2023 auf rund 54.300 Exemplare, das heißt, mehr als die Hälfte der 'harten Auflage' wurde nicht mehr auf Zeitungspapier gedruckt. In der Branche werden E-Paper-Verkäufe allerdings grundsätzlich mit Zurückhaltung beurteilt: Die Vertriebswege sind oft intransparent." Und wie steht's also mit dem
Epaper der
Berliner Zeitung?