Außer Atem: Das Berlinale Blog

Eine Archäologie von Gegenwart: Kelvin Kyung Kun Parks 'Cheonggyecheon Medley'

Von Lukas Foerster
13.02.2011. Die Erinnerung an den Großvater des Regisseurs, der im Korea der Nachkriegszeit eine Maschinenfabrik aufgebaut hatte, ist ein Ausgangspunkt des Films. Die Fabrik war situiert in Cheonggyecheon, einem Stadtviertel Seouls. Die einst dort ansässige Schwerindustrie war ein wichtiger Motor der Modernisierung des Landes, inzwischen ist der Ort von der wirtschaftlichen und technologischen Progression des moderne High-Tech-Korea überholt und abgehängt worden. Die großen Betriebe sind verschwunden, doch immer noch gibt es zahlreiche kleine Metallwerkstätten in den engen Gassen. Oder zumindest gab es diese Werkstätten, als Kelvin Kyung Kun Park, ein junger Regisseur, der von der Kunst zum Kino gekommen ist, Cheonggyecheon aufgesucht hat. Inzwischen sind viele dieser Kleinstunternehmen wohl bereits Opfer eines urbanen Erneuerungsplans geworden und mussten modernen Appartmentkomplexen weichen (Wikipedia weiß mehr). Die letzten Bilder des Films - konfuzianistische Rituale im unpersönlichen Weiß eines Neubaus - deuten diese Entwicklung an.


Die Erinnerung an den Großvater des Regisseurs, der im Korea der Nachkriegszeit eine Maschinenfabrik aufgebaut hatte, ist ein Ausgangspunkt des Films. Die Fabrik war situiert in Cheonggyecheon, einem Stadtviertel Seouls. Die einst dort ansässige Schwerindustrie war ein wichtiger Motor der Modernisierung des Landes, inzwischen ist der Ort von der wirtschaftlichen und technologischen Progression des moderne High-Tech-Korea überholt und abgehängt worden. Die großen Betriebe sind verschwunden, doch immer noch gibt es zahlreiche kleine Metallwerkstätten in den engen Gassen. Oder zumindest gab es diese Werkstätten, als Kelvin Kyung Kun Park, ein junger Regisseur, der von der Kunst zum Kino gekommen ist, Cheonggyecheon aufgesucht hat. Inzwischen sind viele dieser Kleinstunternehmen wohl bereits Opfer eines urbanen Erneuerungsplans geworden und mussten modernen Appartmentkomplexen weichen (Wikipedia weiß mehr). Die letzten Bilder des Films - konfuzianistische Rituale im unpersönlichen Weiß eines Neubaus - deuten diese Entwicklung an.

"Cheonggyecheon Medley - A Dream of Iron" ist im Grunde weder Dokumentar- noch Essayfilm, sondern wirkt wie ein fast willkürlich gewählter Ausschnitt aus einem Bewusstseinsstrom. Der sprunghafte, poetische, oft sehr persönliche Voice-Over-Kommentar strukturiert die Bilder nicht, statt dessen denkt er zum Beispiel über das Verhältnis der Kamera zu den heruntergekommenen, dem Untergang geweihten Orten und Objekten, die sie filmt, nach, oder über die Morbidität des Kinos allgemein. Der Tonfall ist nicht nostalgisch, aber melancholisch. Wenn Töne und Bilder aus der Vergangenheit in den Film eindringen - Lieder oder alte Werbefilme zum Beispiel; oder auch Ausschnitte aus dem nordkoreanischen Fantasyfilm "Pulgasari", in dem ein Miniaturmonster so lange Eisen frisst, bis es zum Giganten godzillascher Ausmaße herangereift ist -, dann artikuliert sich keine Sehnsucht nach besseren, einfacheren, weniger entfremdeten Tagen. Eher geht es um eine experimentelle mediale Archäologie von Gegenwart, einen Umgang mit Bildern und Tönen, der sich nicht mit dem Augenschein, der Abtastung physikalischer Phänomene zufrieden geben will.

Eingelagert in den assoziativen Gedanken- und Erinnerungsfluss des Films sind dokumentarische Miniaturen, die die Überreste einer proletarischen Arbeits- und Alltagskultur in Cheonggyecheon eher erfühlbar machen denn beschreiben. Ölige Maschinen, geschliffenes Eisen, das Körperwissen der alternden Arbeiter, Gespräche über Söhne und Töchter, die die Gegend verlassen und sich weigern, das Familienhandwerk zu übernehmen, Männer, die auf der Straße sonderbare Speisen zubereiten, vor denen sich nicht nur westliche Kinozuschauer, sondern auch koreanische Passanten ekeln. Kelvin Kyung Kun Park ordnet, hierarchisiert, kommentiert diese Impressionen nicht, "Cheonggyecheon Medley - A Dream of Iron" ist kein analytischer Film, er betreibt keine soziologischen oder historischen Studien, sondern zielt, so der Voice-Over, auf den Grenzbereich zwischen Traum und Realität, er nimmt die Emanationen der Texturen eines Ortes auf und lässt sich von ihnen treiben.

"Cheonggyecheon Medley - A Dream of Iron". Regie: Kelvin Kyung Kun Park. Südkorea 2010, 79 Minuten. (Forum, Vorführtermine)